Sicherheit
Gaddafis giftiges Erbe
Von Caroline Triml
Die militärischen Maßnahmen zum Sturz Gaddafis haben folgenschwere Konflikte zwischen afrikanischen Staaten und dem Westen aufgeworfen, wie aus der Studie hervorgeht. In der Afrikanischen Union hatten viele Staaten eine ausländische Intervention im Bürgerkrieg abgelehnt, weil Bomben angestrebte Friedensverhandlungen verhinderten. Dass der Westen dennoch militärisch eingriff, könnte künftige Kooperationen erheblich erschweren, argumentieren die Autoren, Wolfram Lacher und Denis M. Tull. Die internationale Politik sei aber auf afrikanische Partner angewiesen – zum Beispiel im Klimaschutz. Die mangelhafte Abstimmung räche sich jetzt auch im Syrien-Konflikt: Wegen der „neokolonialen“ Einmischung der Nato in Libyen lehnte zum Beispiel Südafrika härtere Maßnahmen gegen Assads Vernichtungspolitik in Syrien ab.
Doch auch die afrikanische Staatengemeinschaft ist gespalten. Die Eroberung von Tripolis durch die Rebellen fegte neuen Wind in alte Probleme. Lacher und Tull zweifeln, ob die Afrikanische Union nach Gaddafis Sturz und den Ereignissen in Côte d’Ivoire vom April 2011 dem Kontinent eine gemeinsame politische Richtung geben kann. Die von der französischen Armee unterstützte Verhaftung des Präsidenten Gbagbo habe sich afrikanischen Politikern tief ins Gedächtnis eingegraben.
Gaddafi gehörte, wie die SWP-Studie weiter ausführt, zu den Gründervätern und Motoren der Afrikanischen Union. Nach seiner Ermordung ist damit eine wichtige Finanzquelle versiegt. Gaddafi unterstützte mit libyschem Geld zwar Rebellen. Gleichzeitig finanzierte er aber andernorts Friedensabkommen und Wiedereingliederung von Kämpfern.
Zu Redaktionschluss stürzte ein Militärputsch die Regierung Malis. Die UN, die EU, die Afrikanische Entwicklungsbank und andere Geberinstitutionen verurteilten den Coup.
Die SWP-Studie hatte bereits in der Sahel-Region ein "besorgniserregendes“ sicherheitspolitisches Vakuum konstatiert. Arsenale wurden bedenkenlos geöffnet, und der Waffenschmuggel wuchs. Tausende Kämpfer, die Gaddafi unterstützt hatten, kehrten in ihre Heimat zurück. Das verschärfte Konflikte in Mali, Sudan, Tschad, Niger und Nigeria. Vor allem Mali und Niger fehlen laut SWP-Urteil Ressourcen, um einstige Söldner wieder in Staat und Gesellschaft einzubinden. Seit Januar bekämpfen sich in Mali Vertreter der Tuareg und Armeekräfte (E+Z/D+C 2012/03, S. 95). Putschende Soldaten sagten in Mali, die Regierung sei der Lage im Norden nicht mehr Herr geworden.
Derweil ist Libyen damit beschäftigt, einen neuen Sicherheitsapparat aufzubauen. Die Beziehungen seines Nationalen Übergangsrates zu Algerien, Mali, Niger und Tschad sind belastet. Nordafrikanische Regierungschefs werfen sich gegenseitig vor, die Al-Qaida im islamischen Maghreb zu unterstützen; hinzu kommen nationale Interessen sowie Vorbehalte gegenüber den USA und Europa. Ohne regionale Zusammenarbeit seien die Länder außenpolitisch kaum handlungsfähig, meinen Lacher und Tull. Auch internationales Recht könnten sie alleine kaum durchsetzen.
Langfristig gesehen verschwinde mit Gaddafis Sturz zwar ein destabilisierender Faktor in der Region, erläutern die Autoren der SWP-Studie. Gegenwärtig überwiegen aber problematische Konsequenzen. Tatsächlich berichteten Agenturen im März, dass die Übergangsregierung in Tripolis ein Auseinanderbrechen des Landes befürchtet. Dass Bewohner der Cyrenaika, dem ölreichen Osten Libyens, ein föderales System und mehr Autonomie fordern, erschwert zivile Lösungen. Wahrscheinlich müssen Libyens Nachbarstaaten weiter mit regionalen Konflikten rechnen. Im Juni sollen die Libyer erstmals landesweit wählen.
Caroline Triml