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Migration

Europas neuer Graben

Die Zustände in Griechenlands Lagern für Migranten sind miserabel. Laut nichtstaatlichen Organisationen gefährden sie deren Gesundheit und Menschenwürde.

Von Peter Hauff

Seit Monaten steht Griechenland als hoch verschuldetes EU-Mitglied in den Schlagzeilen. Für Tausende Menschen aus Afghanistan, Irak, Somalia und anderen Staaten bleibt es derweil ein Tor in eine bessere Welt. In Schlauchbooten stechen Flüchtlinge auf türkischer Seite in See. Andere erreichen Griechenland auf dem Landweg. Dort geraten sie vom Regen in die Traufe, berichten Ärzte ohne Grenzen (MSF) und die zivilgesellschaft­liche Organisation Pro Asyl.

Wer unterwegs weder von der griechischen Küstenwache noch von Booten der EU-Grenzschutzbehörde Frontex abgefangen wird, muss mit Elend rechnen: In Athen und Hafenstädten wie Patras und Igoumenitsa lebten Hunderttausende Migranten meist ohne Papiere, informierten die Ärzte ohne Grenzen öffentliche Medien im Sommer. Erwachsene würden nur in Notfällen von Ärzten versorgt.

Laut Gesetz erhalten nur Kinder medizinische Hilfe. MSF berichtet auf der Basis einer Datenerhebung in Flüchtlingseinrichtungen der Region Evros über die Ausbreitung von Atemwegserkrankungen, Bewegungsstörungen, Magen-Darm-Infektionen, Durchfall, Hautkrankheiten und psychischer Probleme. Die Organisation führt derlei auf Internierungsbedingungen zurück: Überbelegung, schlechte Hygiene, Wasser- und Sanitärprobleme, ungenügende Lüftung und Mangel an Außengeländen. Besonders betroffen seien Minderjährige, schwangere Frauen, alte Menschen und Traumatisierungsopfer.

Vor den Wahlen im Mai veranlasste das griechische Ministerium für Gesundheit ein neues Gesetz, das Ein­wanderer zwingt, sich wegen Aids und anderer Krankheiten untersuchen zu lassen, berichtet MSF-Direktor Apostolos Veizis. Seine Mitarbeiter stellten allerdings fest, dass 68 Prozent der Erkrankungen während der Internierung entstehen.

Migration nach Griechenland ist ein junges Phänomen. Die Zuwanderung kam nicht allmählich, sondern begann plötzlich in den 90er Jahren. Heute stammt fast jeder zehnte Einwohner aus der Fremde – insgesamt rund eine Million. 600 000 von ihnen sind ohne Kontrolle oder Visa eingewandert. Mit Razzien gegen Einwanderer und Steckbriefen zur Warnung vor HIV-positiven Prostituierten antwortete die Regierung auf den Vorwurf rechtsextremer Politiker, sie unternehme nichts.

In Wirklichkeit wäre das Land auf bessere Nachbarschaft angewiesen, sagt Pro Asyl. Statt seine Grenzen abzuschotten, brauche Europa eine „schnelle und echte Alternative zu den griechischen Haft­lagern“. Die Menschrechtsorganisation schlägt ein Sofortprogramm euro­päischer Staaten vor, um die Lebenslage der Mi­granten zu verbessern. Gleich­zeitig hat die Regierung in Athen be­gonnen, die Landesgrenze zur Türkei mit Stacheldraht und einem 130 Kilometer langen Graben zu sichern. (ph)