Flüchtlinge

Wasserkoffer

Zu den Gründen für Migration zählt zunehmend auch der Klimawandel. Gleichzeitig verschärfen Migranten die Wasserknappheit in aufnehmenden Gebieten. Ein tie­feres Verständnis der Vulnerabilität von Menschen ist daher unerlässlich.
Syrische Flüchtlinge stehen im Juni 2016 in einem jordanischen Flüchtlingslager an,  um Wasser zu holen. picture-alliance/AP Photo Syrische Flüchtlinge stehen im Juni 2016 in einem jordanischen Flüchtlingslager an, um Wasser zu holen.

James Kung’u, Professor an der Kenyatta-Universität in Kenia, untersucht Migration im Kontext von Wasserkonflikten und Klimawandel. Er konzentriert sich dabei auf ländliche Gemeinden im Norden Kenias. Aufgrund der zunehmenden Häufigkeit und Schwere von Dürren müssen Viehhalter mit ihren Herden immer weitere Strecken wandern, um Wasser und Futter zu finden. Mit den Wetterveränderungen verändern sich auch Migrationsmuster. Es kommt zu Konflikten und Wettbewerb – ein Szenario, das sich auch in anderen afrikanischen Ländern beobachten lässt (für ein Beispiel aus Nigeria siehe E+Z/D+C e-Paper 2017/06, S. 19, und Druckheft 2017/07–08, S. 26). Laut Kung’u geben Menschen in ländlichen Regionen zunehmend ihre traditionellen Lebensgrundlagen auf und suchen in den Städten oder im Ausland nach neuen Möglichkeiten.

In Afrika sind laut Chrispin Kowenje, Professor an der Masono-Universität in Kenia, rund drei Viertel aller Menschen für ihren Lebensunterhalt von der Natur abhängig und auf Wasser angewiesen. Deshalb ist Regen sehr wichtig. Bevölkerungswachstum und Klimawandel sind die größten Herausforderungen für Regierungen. Allerdings fehlt es an gut ausgearbeiteten Richtlinien und angemessenen Vorschriften. Wasserressourcen müssen laut Kowenje besser verwaltet werden, unterstützt durch internationale Kooperation.

Klimawandel, Wasserverfügbarkeit und Migration hängen zusammen, wie Mukand Babel vom Asian Institute of Technology in Thailand bei einer Konferenz des Institute for Technology and Resources Management in the Tropics and Subtropics (ITT) der TH Köln im September in Köln bestätigte. Plötzliche Umweltveränderungen können die Lebensgrundlagen von Menschen zerstören und sie dazu zwingen, ihren Wohnort zu verlassen. Laut Babel sind in China, Indien und den Philippinen die meisten Menschen aufgrund von Extremwetterereignissen, Dürren, Wüstenbildung und Veränderungen der Niederschlagsmuster auf der Flucht.

Wenn Menschen eine Region verlassen, reduziert sich der Wasserbedarf dort. Dafür steigt er in den Zielorten an. Für Babel ist der Wasserbedarf von Flüchtlingen deshalb wie ein „Koffer“, den sie immer mit sich tragen. Ihre Bedürfnisse müssten sorgfältig analysiert werden. Beispielsweise hat Jordanien Millionen syrischer, irakischer und palästinensischer Flüchtlinge aufgenommen. Sowohl der Zuzug von Flüchtlingen als auch der Klimawandel verstärkten den Mangel an Wasser und Existenzgrundlagen. Nahrungsmittel-, Wasser- und Gesundheitssicherheit seien zunehmend in Gefahr. Gleichzeitig gehört Wasserknappheit zu den Konflikttreibern in Jordaniens zerrissenen Nachbarländern.

Arwa Hamaideh von der Universität von Jordanien stimmt dem zu. Ihr Land tut sich schwer damit, die steigende Anzahl an Menschen unterzubringen. Die größte Herausforderung besteht darin, die Grundbedürfnisse der Flüchtlinge zu decken. Der Zugang zu Wasser ist essentiell und schlechte Infrastruktur die größte Hürde. Laut Hamaideh wird schlechtes Wasser aus schmutzigen Tanks verkauft. Zudem führt der zunehmende Grundwasserbedarf in Grenzgebieten dazu, dass Ressourcen erschöpft werden. Die Flüchtlingslager brauchen Bildung, Abwassermanagement und Sanitäranlagen, und das Wassersparen muss gefördert werden. Dafür ist Jordanien auf finanzielle Unterstützung angewiesen, denn die Flüchtlingskrise ist kein temporäres Problem. Hamaideh betont, dass der Klimawandel Probleme erzeuge, die durch den Zuzug von Migranten verstärkt werden.

Wasserverfügbarkeit wird laut Nina Röttgers von der TU Berlin sowohl durch Naturkatastrophen als auch durch bewaffnete Konflikte reduziert. So oder so kann Wasserknappheit Migration und Flucht auslösen. Röttgers hat die Auswirkungen des syrischen Bürgerkriegs auf die Stadt Rojava sowie die Auswirkungen des nepalesischen Erdbebens von 2015 untersucht. Der Wiederaufbau wird häufig dadurch erschwert, dass viele gut ausgebildete Menschen die zerstörten Gebiete verlassen. Laut Röttgers hat es 2000 Naturkatastrophen seit dem Jahr 2000 gegeben, 100 davon betrafen mehr als 50 000 Menschen.

 

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