Katastrophenvorsorge
Afrikanische Widerstandsfähigkeit stärken
Laut Nigerias National Emergency Management Agency verursachten die Überschwemmungen 2012 im ganzen Land Kosten von 2,6 Billionen Naira– das sind mehr als 5,8 Milliarden Dollar. Am schlimmsten betroffen waren Wohnhäuser und Landwirtschaft. Menschen und Gemeinden litten schwer; die enormen finanziellen Kosten illustrieren das Ausmaß der Naturkatastrophe. Die betroffenen Gemeinschaften werden noch jahrelang beeinträchtigt sein – weil Geld fehlte, konnten die Schäden nicht gleich behoben werden.
Dürren, Überschwemmungen und Wirbelstürme haben auf dem ganzen afrikanischen Kontinent Verwüstungen angerichtet. 2011 und 2012 gab es eine schwere Dürre in Ostafrika, die mehr als 9,5 Millionen Menschen in die Hungernot trieb und eine Flüchtlingskrise auslöste. Im Februar vergangenen Jahres zerstörte der Sturm Dino 20 000 Häuser in Mosambik.
Der Klimawandel führt immer häufiger zu extremen Wetterlagen, weshalb afrikanische Länder stetig größeren Risiken ausgesetzt sind. Leider werden Katastrophen immer wieder auftreten und manche Menschen somit immer wieder von neuem traumatisiert werden.
Afrika muss sich gegen den Klimawandel wappnen. Es gilt, gefährdete Gemeinschaften widerstandsfähiger zu machen und ihnen sofort zu helfen, wenn sie Hilfe brauchen. Das ist keine triviale Aufgabe. Viele meinen, Afrika sei ihr nicht gewachsen, weil Entscheidungsträgern der politische Wille und die Kompetenz fehle, die erforderlichen Ressourcen zu mobilisieren.
Diese Sicht ist überzogen, denn es gibt durchaus Fortschritte. Beispielsweise haben 2012 politisch Verantwortliche unter der Schirmherrschaft der Afrikanischen Union (AU) gemeinsam eine auf die Finanzierung von Klimabeständigkeit und Krisenbewältigung ausgerichtete Agentur gegründet: die Africa Risk Capacity (ARC). Sie besteht aus der AU Specialised Agency und der ARC Insurance Company. Die Agency unterstützt das Capacity Building in Sachen Risikomanagement und stellt Instrumente zur Verfügung – zum Beispiel das Frühwarnsystem Africa RiskView, das mit vorformulierten Notfallplänen verknüpft ist. Die Versicherung schließt auf dieser Basis Verträge mit Regierungen und stellt, wann immer nötig, die Mittel für die Umsetzung der Notfallpläne bereit.
Die ARC startete auf der Grundlage eines zinsfreien 200-Millionen-Dollar-Kredits über 20 Jahre, den die Regierungen Deutschlands und Britanniens anboten. Das Ziel ist es, afrikanische Regierungen im Notfall sofort handlungsfähig zu machen. Diese Art Soforthilfe wird Afrika weniger abhängig von humanitärer Hilfe machen. Sie ist ein wichtiger Aspekt der Katastrophenvorsorge.
Die Africa RiskView ist mehr als ein Frühwarnsystem. Über ihre Plattform für Risikomodellierung lassen sich Parameter für die Auszahlung von Versicherungsleistungen definieren. Melden meteorische Daten das Eintreten einer Katastrophe, zahlt die ARC – da der Prozess automatisiert ist – schnell und unmittelbar.
Die ARC besteht schon seit einiger Zeit. 37 Länder, darunter Nigeria, haben sich der Initiative angeschlossen. Allerdings sind nicht alle zahlende Kunden der Versicherung.
Anfangs gehörten Kenia, Mauretanien, Niger und Senegal zum Risikopool. Das Programm startete zur Regenzeit 2014/15. Die Länder zahlten 19 Millionen Dollar an Beiträgen ein, und schon im Januar 2015 zahlte die Versicherung insgesamt 26 Millionen Dollar an Mauretanien, Niger und Senegal aus, wo in den Monaten zuvor Dürre geherrscht hatte.
Die ARC kann und wird jedoch noch mehr tun. Bis 2020 will sie 30 Länder gegen Dürre, Überflutungen und Zyklonschäden versichern. Die Auszahlungssumme kann dann bis zu 1,5 Milliarden Dollar betragen, wovon an die 150 Millionen Menschen profitieren würden. Dafür müssen afrikanische Regierungen lediglich 300 Millionen Dollar an Beiträgen zahlen. Den Rest steuern Geberregierungen bei.
Eins sollte klar sein: Die ARC ist ein Instrument der Kostensenkung. Indem sie schnell Mittel bereitstellt, reduziert sie die Kosten von Katastrophenfolgen. Je später reagiert wird, desto größer werden die Schäden, und entsprechend höher steigen die Kosten. Schätzungen zufolge werden durch jeden von der Versicherung sofort ausgezahlten Dollar fast 4,5 Dollar eingespart, die ansonsten später nötig wären.
Die ARC ist eine innovative und vielversprechende Institution. Offen ist, wie sie sich langfristig entwickelt. Afrika gilt als Friedhof guter Initiativen – wegen mangelnden Bewusstseins, Zynismus und der Unfähigkeit der Regierungen, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Wenn Regierungen keine Beiträge zahlen, genießen ihre Länder keinen Versicherungsschutz.
Der am schlechtesten versicherte Kontinent
Tendenziell haben Afrikaner eine Aversion gegen Versicherungen. Tatsächlich erfordert diese Form des Risikomanagements einen gewissen Wohlstand, denn letztlich gibt man Geld für etwas aus, was man hofft, gar nicht zu brauchen. Der Sinn einer Versicherungspolice ist es, eine Katastrophe bewältigen zu können, die vermutlich nicht eintritt, aber verheerend wirkt, wenn sie das doch tut. Da mehr Versicherungskunden sich absichern als den Schutz tatsächlich in Anspruch nehmen, funktioniert das Geschäftsmodell. Individuelle Risiken werden so auf viele Schultern verteilt.
In afrikanischen Ländern ist allenfalls die Ober- und Mittelklasse wohlhabend genug, um Geld für Versicherungspolicen auszugeben, obwohl der Schadensfall unwahrscheinlich ist. Afrika ist die am wenigsten versicherte Region der Welt; der Versicherungsmarkt ist kaum entwickelt. Entsprechend sind die Menschen der ARC gegenüber grundsätzlich nicht sehr aufgeschlossen.
Diese Hürde lässt sich überwinden. Regierungspolitiker sind in der Lage, Kosten-Nutzen-Analysen zu verstehen. Dieses Verständnis könnte und sollte durch Peer Reviews im Zusammenhang mit der NEPAD (Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas) vertieft werden. Es geht darum, Bürger vor Naturkatastrophen zu schützen. Es ist wichtig, das Bewusstsein zu schärfen. Zivilgesellschaftliche Organisationen sollten die ARC unterstützen, da diese hilft, gefährdete Gemeinschaften zu schützen. Das Ziel ist es, Naturkatastrophen nicht zu humanitären Katastrophen werden zu lassen.
Allerdings ist wahr, dass einige Regierungen die Versicherungsbeiträge kaum zahlen können. Die Rohstoffpreise sind derzeit niedrig, und die Staatshaushalte von rohstoffexportierenden Volkswirtschaften sind angespannt. Regierungen tun sich schwer, bestehende Verpflichtungen zu erfüllen. Trotzdem sollten sie die Auswirkungen von Naturkatastrophen bedenken. Versicherungsschutz ist sinnvoll. Er ermöglicht Ländern, mit Ereignissen fertig zu werden, die die öffentliche Hand erheblich mehr belasten würden als die im Vergleich niedrigen Versicherungsprämien. Die finanziellen und humanitären Kosten von Naturkatastrophen übersteigen bei weitem das, was die Versicherung kostet. Es wäre intelligent, relativ kleine Beträge für die Versicherung zu zahlen, damit bei Bedarf schnelle und wirksame Hilfe möglich ist.
Auch afrikanische Philanthropen sollten die ARC unterstützen. Spenden sind willkommen und nützlich. Nach der Flutkatastrophe in Nigeria 2012 trugen inländische Milliardäre dazu bei, die humanitären Folgen zu lindern. Wenn schnelle Hilfe gefragt ist, dauert karitatives Handeln jedoch viel zu lang. Solide Privatunternehmen versichern sich gegen mögliche Risiken. Sie sollten auch den ARC-Mechanismus unterstützen. Langfristig funktioniert ein obligatorisches, gesetzlich festgelegtes System besser als bloße Wohltätigkeit.
Im Kontext der ARC gibt es viel Spielraum für Öffentlich-private-Partnerschaften. Jede Mitgliedsregierung sollte eine zentrale Stelle einrichten, welche die Bezahlung der ARC-Prämien koordiniert und den Privatsektor miteinbezieht. So kann Afrika sich die erfolgreiche Entwicklung des Privatsektors zunutze machen und von ausländischen Gebern weniger abhängig werden.
Die ARC hat eine Verwaltungsstruktur, die ihre Stakeholder repräsentiert. Die Unterzeichner bilden das wichtigste Kontrollorgan: die Vertragsstaatenkonferenz. Vorstandsvorsitzende ist Ngozi Okonjo-Iweala, eine ehemalige Finanzministerin Nigerias sowie ehemalige Top-Managerin der Weltbank. Ihr internationaler Ruf ist ausgezeichnet.
Die ARC beweist, dass eine kleine Außenhilfe, kombiniert mit den Ressourcen afrikanischer Regierungen und einem gedeihenden Privatsektor, Katastrophenhilfe leisten und zum Wiederaufbau beitragen kann. Afrika kann widerstandsfähiger werden – und muss das angesichts wachsender Klimarisiken auch.
Chinedu Moghalu ist seit kurzem Leiter der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der African Risk Capacity (ARC).
moghaluigwe@gmail.com