Europäische Union
Aus eins mach zwei
Von der Weltbank zur EU
Sie kennt sich aus mit Entwicklungsfragen und Unfreiheit. Kristalina Georgieva bringt eine geballte Ladung theoretischer und praktischer Erfahrung mit in ihren neuen Job. Sie war seit 1993 für die Weltbank tätig, zuletzt als Vizepräsidentin. Von 2004 bis 2007 koordinierte die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin in Moskau die Weltbank-Vorhaben in Russland, davor war sie Direktorin in der Umweltabteilung der Weltbank und beschäftigte sich mit Umweltpolitik.
Neben ihrer fachlichen Kompetenz kennt sie aber auch die praktischen Probleme eines Entwicklungslandes und weiß, wie es ist, ein Empfänger von Entwicklungshilfe zu sein: Die EU hat ihrer Heimat Bulgarien vor deren Beitritt Anfang 2007 jährlich rund 500 Millionen Euro überwiesen.
Während des Kommunismus unterrichtete Kristalina Georgieva rund 15 Jahre lang Wirtschaftswissenschaften an Sofias Universität für Volks- und Weltwirtschaft. Seit Februar ist sie EU-Kommissarin für internationale Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Krisenreaktion. In der dreistündigen Anhörung vor dem Europäischen Parlament, die alle angehenden Kommissare durchlaufen müssen, überzeugte sie die Zuhörer mit ihrem Wissen. Ihre Kompetenz in entwicklungspolitischen Themen, Katastrophenhilfe und in der Frage der humanitären Intervention brachte ihr die Unterstützung aller Parteien ein. Als ihr unmittelbares Hauptanliegen nannte sie die Hilfe für Haiti. Außerdem schlug sie vor, ein europäisches Freiwilligenkorps einzurichten, wie es der ehemalige französische Außenminister Michel Barnier bereits 2006 der Kommission in einem Bericht zum europäischen Katastrophenschutz vorgeschlagen hatte.
Lehrer, Politiker, Diplomat
Andris Piebalgs kennt sich aus mit kleinen Ländern – und er kennt die EU von außen. Schließlich war er es, der zwischen 1997 und 2004 den Beitritt des kleinen Baltenstaates zur EU verhandelte. Er hat aber auch ansonsten viel Erfahrungen gesammelt.
Studiert hat Piebalgs Physik, doch seine berufliche Laufbahn war weniger theoretisch geprägt. Er kennt den Alltag als Lehrer ebenso wie die Arbeit in verschiedenen Ministerien in seiner lettischen Heimat und als Diplomat im Ausland. In den 1990er Jahren war er Finanzminister, als Bildungsminister hat er ein eigenständiges Bildungssystem in dem ehemaligen Sowjetstaat eingerichtet. Zuvor hatte er die liberale Partei „Latvijas Cels“ (LC, Lettlands Weg) mitbegründet, die 1993 bei den ersten Parlamentswahlen zur stärksten Kraft wurde. Piebalgs selbst wurde damals ins Parlament gewählt, wechselte aber nach zwei Jahren in den diplomatischen Dienst.
Verständnisprobleme hat der dreifache Vater in Brüssel nicht, denn neben Lettisch und Russisch spricht er Englisch, Deutsch und Französisch. In der ersten von José Manuel Barroso geleiteten EU-Kommission war er Energiekommissar. Als Entwicklungskommissar untersteht dem 52-Jährigen nun die Generaldirektion Entwicklung; außerdem ist er bei EuropeAid für den entwicklungspolitischen Teil zuständig und vertritt die Europäische Kommission im Gremium der EU-Außenminister – weil die eigentlich zuständige Kommissarin dem Gremium als Hohe Repräsentantin für Außenpolitik bereits vorsitzt. (cir)