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Überlasst Sexualerziehung nicht der Internetpornografie

Viele junge Menschen weltweit erhalten sexuelle Aufklärung nur online – aber diese Inhalte sind oft verzerrt und potenziell schädlich.
Seriöse sexuelle Aufklärung ist essenziell. picture alliance/AP Photo / Stephen Wandera Seriöse sexuelle Aufklärung ist essenziell.

Weltweit steigt die Internetabhängigkeit. Laut Internationaler Fernmeldeunion haben inzwischen etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung Zugang zur dieser erst seit 30 Jahren existierenden Infrastruktur. Handel, Unterhaltung, politische Interaktion, Bildung und Sozialisierung hängen zunehmend von Onlineinformationen und -Interaktionen ab.

Pornografie ist ein unterschätztes Webphänomen. Sie macht geschätzt 12 Prozent der weltweit aktiven Websites aus. Die Huffington Post schrieb 2013, Pornoseiten hätten monatlich mehr Besucher als Netflix, Amazon und Twitter zusammen. Damals waren Netflix und Twitter allerdings neu. Die Einschätzungen zu diesen Statistiken variieren zwar, aber der Artikel wird nach mehr als zehn Jahren immer noch diskutiert. Sexuelle Inhalte sind ein unbestreitbares Merkmal des Onlinelebens und für alle mit Internetzugang relativ leicht verfügbar.

Wir leben in einem digitalen Zeitalter. Was wir online konsumieren, prägt unser Verständnis, unsere Wahrnehmung, Meinung, Einstellung und unser Verhalten – besonders in den ersten Lebensjahren.

Riskantes Verhalten und sexuelle Gewalt

Studien zufolge können Pornos sexuelle Praktiken und Einstellungen beeinflussen und riskantes Verhalten – auch sexuelle Gewalt – begünstigen, besonders bei jungen Menschen. Sexuell explizite Inhalte werden aber nicht nur zur Stimulanz aufgerufen, sondern auch, um sich zu informieren. Leider fehlt es vielen jungen Menschen weltweit an alternativen Informationsquellen.

Forschende warnen, dass früher Kontakt mit Pornografie langfristig schaden kann. Pornokonsum in der Jugend hängt oft zusammen mit früher sexueller Aktivität und mehr Partner*innen, aber geringerer Zufriedenheit in der Beziehung. Pornos verzerren oft die Erwartungen, sie korrelieren aber mit der Akzeptanz von Frauenfeindlichkeit und überholten Geschlechterstereotypen.

All dies kann unzufrieden machen und in Beziehungen Ängste auslösen. Es überrascht wenig, dass auch sexuelle Funktionsstörungen teils mit übermäßigem Pornokonsum zusammenhängen.

Ein weiteres Problem ist ungewollter Kontakt mit Pornografie. Laut einem kürzlich im Australian and New Zealand Journal of Public Health erschienenen Aufsatz haben fast die Hälfte (46,2 Prozent) der jungen Männer und mehr als die Hälfte der jungen Frauen (55,7 Prozent) erstmals sexuelle Inhalte gesehen, ohne es zu wollen – was oft schockierend für sie war.

Suchtpotenzial

Diese Entwicklungen haben eine Debatte darüber ausgelöst, wie sich Pornoseiten auf sexuelle Entwicklung, Sexualverhalten und allgemeine Persönlichkeitsentwicklung auswirken. Zudem können sowohl Internet als auch Pornos süchtig machen – wobei die eine Abhängigkeit die andere verstärkt.

Die Lösung scheint klar: Verbietet einfach Internetpornografie! Das klingt einfach, ist aber nicht machbar.

Bedenken hinsichtlich Grundfreiheiten und Zensur sind wichtig, aber in diesem Fall zweitrangig. Entscheidend ist die globale Natur des Internets, die es einem einzelnen Land oder einer Gruppe von Ländern unmöglich macht, Verbote zu verhängen. Und selbst wo dies möglich ist, wäre es kaum effektiv. Der technologische Fortschritt – von verschlüsselten Inhalten bis hin zu Peer-to-Peer-Netzen oder virtuellen privaten Netzwerken – vereitelt Bemühungen, den Zugang zu Inhalten zu beschränken. Durch Verbote entstehen zudem oft unregulierte Schwarzmärkte, die kaum zu überwachen sind.

Zweigleisige Lösung 

Die Lösung ist nuancierter: Nötig ist eine umfassende Sexualerziehung kombiniert mit einer Verbesserung der Medienkompetenz. Eltern und Schulen müssen sich dieser Herausforderung stellen. Leider können beide Seiten nicht davon ausgehen, dass die jeweils andere es gut macht. Sex ist in vielen Gesellschaften ein Tabu, und das Internet ist ein relativ junges und wenig erforschtes Phänomen.

Sexualerziehung ist wichtig, weil Sex Jugendliche naturgemäß interessiert. Sie brauchen Aufklärung über reproduktive Gesundheit, aber auch über die psychologische Dimension intimer Beziehungen. Sie sollten wissen, dass Pornografie sexuelle Phantasien abbildet – mit übertriebenen Bildern und einem engen Fokus auf das, was im echten Leben nur einen Bruchteil der komplexen Interaktionen von Paaren ausmacht. Nur offene und ehrliche Diskussionen über Sexualität und Beziehungen können das Verständnis für Zustimmung, Grenzen und potenzielle Risiken fördern, das junge Menschen brauchen, um Verantwortung für ihr eigenes Wohlergehen zu übernehmen.

Zudem ist Medienkompetenz essenziell, um online fundierte Entscheidungen zu treffen. Das gilt nicht nur in Bezug auf Sex. Es braucht Wissen und kritisches Denken, um sich in der digitalen Welt zurechtzufinden. Kindersicherungen und Tools zur Altersüberprüfung sind keine Lösung. Sie können nur bedingt Schaden begrenzen.

Digitale Angebote können durchaus der Sexualerziehung dienen, wenn sie umfassende und vielfältige Informationen beinhalten. Sie können Privatsphäre und Nutzerfreundlichkeit bieten und so Scham und Unbehagen von Lernenden und Lehrenden mindern, argumentiert etwa Global Partnership on Comprehensive Sexuality Education. Einige Forschende halten Porno-Webseiten sogar für potenziell geeignet, ernsthafte Sexualerziehung anzubieten, weil sie stark frequentiert werden – noch ist dem aber nicht so.

Die Bewältigung der Komplexität von Sex und Internet liegt letztlich darin, Bildung, Empowerment und verantwortungsbewusstes Erwachsensein zu kombinieren. Wer medienkompetent ist, findet wichtige Informationen besser – und wer sexuell gut aufgeklärt ist, kann besser mit Pornos umgehen.

Mahwish Gul ist eine Beraterin aus Pakistan. Sie lebt in Nairobi und hat sich auf Entwicklungsmanagement spezialisiert.
mahwish.gul@gmail.com

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