Wirksamkeit der Entwicklungshilfe

Nützliche Forschungsergebnisse

„Ist die Entwicklungshilfe ihr Geld wert?“, fragen sich weltweit Menschen, insbesondere, da die Haushaltsdefizite einiger der größten Gebernationen in Folge der globalen Finanzkrise gewachsen sind. In Zeiten, in denen Arbeitslosigkeit und Armut in Geberländern zunehmen, verliert auch das moralische Argument, Hilfe leisten zu müssen, an Boden: Warum sich um andere kümmern, wenn man eigene große Probleme nicht in den Griff bekommt? Die Entwicklungshilfe-Community weiß selbst, dass ihre Arbeit mehr Wirkung entfalten könnte. Es gilt, Forschungsergebnisse stärker zu berücksichtigen, um Rechenschaftslegung und Wirksamkeit zu verbessern.


[ Von Arnaldo Pellini und John Young ]

Viele der Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) werden bis 2015 nicht erreicht werden. Obwohl Interventionen in den letzten Jahrzehnten das Leben von Millionen nicht nur verbessert, sondern auch gerettet haben, verhungern immer noch Menschen. Es gibt weiterhin Fälle von Korruption – und Ent­wick­lungs­helfer, denen es vor allem um ihre Jobs geht.

Eine Studie des Overseas Development Institute (ODI) zeigte kürzlich, dass mehr als 90 Prozent der öffentlichen Projekte positiv evaluiert werden, obwohl der Human Development Index für Subsahara-Afrika im letzten Jahrzehnt nur um 0,07 Punkte gestiegen ist. Von 24 Ländern, die auf diesem Index als gering entwickelt gelten, liegen 23 in dieser Region.

Die Aufgabe ist enorm und komplex. Laut Jane Jacobs beinhalten Entwicklungsprozesse qualitative Veränderungen, die „nicht einfach linear oder gar als Sammlung von Linien mit offenen Enden gesehen werden können. [Entwicklung] funktioniert als Netz vielfach verflochtener Ko-Entwicklungen.“ Ganze Systeme können sich auflösen, wenn man an einem bestimmten Faden zieht – während das in anderen Zusammenhängen völlig wirkungslos bleibt oder auch sehr erfolgreich sein kann.

Entscheidungen über Entwicklungshilfe sind naturgemäß politisch. Die Frage ist nicht, ob Entwicklungshilfe wirkt oder nicht – wir wissen, dass sie es kann. Das tansanische Gesundheitsinterventionsprojekt (TEHIP) etwa trug dazu bei, zwischen 2000 und 2003 die Säuglingssterblichkeit im ländlichen Raum um bis zu 46 Prozent zu senken. Relevant ist aber, wie Menschen, die praktisch in der Entwicklungshilfe arbeiten – Forscher, Zivilgesellschaft und Regierungsangestellte –, bewirken können, dass Geberentscheidungen und -strategien auf Basis von Forschungsergebnissen fallen und den Regeln der Wirkungsorientierung gehorchen.

Analytischer Rahmen

In den vergangenen fünf Jahren hat das Forschungs- und Politikprogramm (RAPID) des Overseas Development Institute (ODI) in London untersucht, wie sich Forschung, Politik und Praxis besser verknüpfen lassen. Darauf beruht der Outcome-Mapping-Ansatz von RAPID (ROMA). Er liefert Daten für Politik und Praxis (Young und Mendizabal, 2009).

Laut Jacobs ist Entwicklung ein schrittweiser Prozess, der mit der Zeit komplexer wird. Diese Komplexität führt zu qualitativen Veränderungen, die neben wirtschaftlichem Wachstum auch sozialen und kulturellen Wandel einschließen. Wissen und Lernen sind unverzichtbar, um komplexe Wechselwirkungen im Entwicklungsprozess zu verstehen.

Die Geber geben jährlich hohe Summen für die Entwicklungsforschung aus. Doch nicht alle Ergebnisse fließen in ihre Arbeit ein. Ob und wie die Wissenschaft die Politik und deren Verfahren beeinflusst, bleibt ungeklärt. Clemens et al. (2008) meinen, die Akteure litten unter einer Lernblockade, weil sich der Fortschritt lückenhaft vollzogen habe. Wie ist diese Lernblockade zu überwinden?

RAPID geht davon aus, dass Forschungsdaten Gestaltung und Wirkung der Entwicklungspolitik verbessern können. Dafür muss man zunächst verstehen, wie Politik funktioniert und welche Hürden forschungsbasiertes Wissen überwinden muss, um sie zu beeinflussen. Auf dieser Basis kann man Forschung und politische Prozesse strategisch miteinander verknüpfen.

Politische Herausforderungen

Laut RAPID muss forschungsbasiertes Wissen folgende Hürden nehmen, um politisch relevant zu werden:
– Politische Prozesse sind komplex und selten linear. Es reicht nicht, Entscheidungsträger zu informieren und zu hoffen, dass sie entsprechend handeln. Viele Prozesse finden in mehreren Schritten statt. Manche brauchen länger, andere verlaufen zeitnah.
– Viele Akteure sind in Entscheidungen über Entwick-
­­lungshilfe involviert: Minister, das Parlament, Angestellte, die Zivilgesellschaft, die Medien. Alle versuchen, sich gegenseitig sowie den Entscheidungsprozess zu beeinflussen.
– In viele politische Abläufe fließen kaum Forschungsergebnisse ein. Entscheidungsträger müssen schnell agieren, beschäftigen sich gleichzeitig mit mehreren Themen und müssen an getroffenen Entscheidungen eine Weile festhalten.
– Viele Debatten sind nicht öffentlich. Da nur wenige Politiker Wissenschaftler sind, schätzen sie die akademische Methode des Hypothesentestens gering.

Dennoch kann wissenschaftliche Argumentation die Politik beeinflussen – mit dramatischen Folgen für das Leben von Menschen. Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) lancierten beispielsweise im Jahr 1999 das neue Konzept der Strategiepapiere zur Armutsbekämpfung (PRSPs). Dabei spielte auch die akademische Forschung eine Rolle. Sie hatte dazu beigetragen, dass sich der Entwicklungsdiskurs der Armutsbekämpfung zuwandte. Wichtig waren auch politikwissenschaftliche Einsichten über Schuldenerlasse. Viele Politiker und Geber wurden wegen der Erfahrungen Ugandas mit einem Armutsbekämpfungsaktionsplan von den Vorzügen des PRSP-Konzepts überzeugt.

Forscher, die auf die Politik einwirken wollen, müssen den Kontext verstehen, in dem sie arbeiten. Das ODI hat ein einfaches analytisches Rahmenwerk entwickelt (Young und Court, 2004).
– „Externe Einflüsse“ sind Faktoren außerhalb des speziellen Politikkontextes, die beeinflussen, was darin stattfindet. Geberpolitik – sowie generell auch kulturelle und soziale Faktoren – kann eine große Rolle in hoch verschuldeten Ländern spielen.
– Der „politische Kontext“ selbst besteht aus den handlungsrelevanten Menschen, Institutionen und Prozessen.
– Es gibt mehrere Arten „wissenschaftlicher Evidenz“ mit Blick auf Forschungsweise, -qualität und -beständigkeit.
– „Links“ schließen alle weiteren Akteure und Mechanismen ein, die beeinflussen, wie die Evidenz in den politischen Prozess einfließt.

Spezifische Fähigkeiten

Auch die Forscher selbst müssen sich Fähigkeiten aneignen. Sie müssen die Politik verstehen und Schlüsselpersonen erkennen. Es ist nötig, aus den Forschungsergebnissen einfache, interessante Geschichten zu extrahieren. Die Wissenschaftler müssen gute Netzwerker sein und effektiv mit den anderen Akteuren, inklusive den politisch Verantwortlichen, kooperieren. Und sie müssen gute Forschung betreiben.

Vor allem müssen sie tatsächlich Einfluss auf die Politik nehmen wollen. Forscher müssen also so etwas wie politische Unternehmer werden. Das heißt, sie müssen sich umorientieren und nicht mehr nur vor allem auf akademischen Erfolg achten. Sie müssen sich vielmehr in der entwicklungspolitischen Fachwelt engagieren. Dafür brauchen sie spezifische Fähigkeiten, müssen multidisziplinär arbeiten und unterschiedliche Arten von Ergebnisse liefern.

Politische Prozesse sind komplex. Sie beeinflussen auch, wie Forschung, Politik und Praxis miteinander verknüpft werden können. Entwicklungspolitische Entscheidungen werden von Land zu Land und von Bereich zu Bereich unterschiedlich getroffen. Das muss die Planung berücksichtigen. In diesem Sinne sind die sechs Schritte des RAPID Outcome MappingAnsatzes (ROMA) von den Prinzipien des Ergebnis-Mappings des International Development Research Centre of Canada geprägt.

Sechs Schritte

Zunächst gilt es, ein klares politisches Ziel zu definieren. Dabei kann es auch um die Veränderung von Prozessen gehen. Relevant sind zum Beispiel Einstellungen, Wahrnehmung der Schlüsselpersonen und ihr Verhalten oder politische Verfahren. Es kann auch darum gehen, wie etwas erreicht oder angegangen wird.

Zweitens muss der politische Kontext des Ziels verstanden und müssen Schlüsselfaktoren identifiziert werden, die das Ergebnis beeinflussen können (Nash et al., 2006):
– Was ist die Agenda des Gebers?
– Wie beeinflusst Entwicklungspolitik die lokale Politik?
– Besteht politisches Interesse, im Land etwas zu ändern?
– Wie nehmen Entscheidungsträger das Problem wahr?
– Gibt es genügend Evidenz, um andere davon zu überzeugen, dass eine Veränderung notwendig ist? Wie wird das dargestellt?
– Wer sind die entscheidenden Organisationen und Individuen, die Zugang zu den Entscheidungsträgern haben? Gibt es Netzwerke?

Im dritten Schritt werden die relevanten Entscheidungsträger identifiziert. Man unterscheidet diejenigen, die Interesse haben und verbündet sind, sodass sie als Alliierte für den Wandel gelten können, von denen, die interessiert sind, aber nicht an Bord gebracht wurden. Sie müssen erreicht werden, damit sie den Wandel nicht behindern.

Im vierten Schritt wird der Status quo und das, was nötig ist, um die Schlüsselakteure zu gewinnen, genau beschrieben. Das gilt auch für kurz- und mittelfristige Veränderungen, die man im Auge behalten kann, um sich zu vergewissern, dass die wichtigsten Verantwortlichen in die richtige Richtung gehen und sich an das Programm halten.

Im fünften Schritt wird eine Strategie zur Umsetzung der Veränderungen entwickelt. Zudem wird sichergestellt, dass das Interventionsteam die nötigen Fähigkeiten hat, die politischen Macher zu erreichen. Die bis dahin gesammelten Informationen helfen, das zu tun.

Im sechsten und letzten Schritt geht es um Monitoring, also darum, den Fortschritt zu dokumentieren. Alle nötigen Anpassungen müssen erfasst und die Wirkung des Ansatzes muss bewertet werden, um daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen.

Fazit

Die Welt verändert sich schnell, und oft sind arme Länder die Hauptleidtragenden. Auch die Komplexität von Entwicklungshilfe steigt. Geber versuchen, die Wirksamkeit ihres Engagements durch bessere Koordination zu steigern – mit Übereinkommen wie der Paris Declaration. Die Vereinten Nationen haben in acht Ländern Pilotinitiativen laufen, um die diversen Aktivitäten ihrer Unterorganisationen in „One UN“ zu bündeln.

Wie Evans (2008) feststellt, hatte internationale Entwicklung noch nie einen solchen Stellenwert auf der politischen Agenda wie heute. Entsprechend sind auch Kontrolle und Rechenschaftspflicht wichtiger geworden. Entscheidungsträger müssen sich auf solide Fakten stützen. Wenn ihre Arbeit mehr Erfolg haben soll, brauchen sie Zugang zu den besten Erkenntnissen und Erfahrungen.