Peacekeeping
Eine Truppe für die Vereinten Nationen
[ Von Tillmann Elliesen ]
Medien, Hilfsorganisationen und westliche Politiker begrüßten die neue Darfur-Resolution als längst überfälligen Schritt. Allerdings erinnerten nur wenige daran, dass der Sicherheitsrat vor einem Jahr, im August 2006, schon einmal eine Darfur-Mission mit 20 000 Soldaten und Polizisten beschlossen hatte. Die wurde bekanntlich nie stationiert. Stattdessen nahmen die Angriffe von Reitermilizen und Regierungssoldaten sowie die Kämpfe der untereinander verfeindeten Darfur-Rebellen wieder zu.
Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied zur Lage damals. Vor einem Jahr hatte Khartum sich noch vehement gewehrt gegen eine UN-Mission. Der neuen Resolution dagegen hat die sudanesische Regierung zugestimmt. Das hatte allerdings seinen Preis. In entscheidenden Passagen ist der neue Beschluss viel schwächer formuliert als der vorherige. In der Resolution vom August 2006 hieß es zum Beispiel klipp und klar, die UN-Truppe dürfe Angriffe gegen die Zivilbevölkerung verhindern. Der neue Beschluss dagegen schränkt ein: „unbeschadet der Verantwortung der Regierung Sudans“. Heißt das, im Zweifel darf Khartum entscheiden, ob die Blauhelme eingreifen?
Sudans Präsident Omar al-Bashir setzte noch eine zweite Bedingung durch: Die Soldaten der Darfur-Truppe sollen „so weit wie möglich“ aus afrikanischen Ländern kommen. Das schien zunächst eine kaum überwindbare Hürde: Afrikakenner fragten sich, wo die Afrikanische Union (AU) bis zu 20 000 qualifizierte Soldaten herbekommen soll. Umso größer war die Überraschung, als AU-Chef Alpha Oumar Konaré kaum zwei Wochen nach dem Sicherheitsratsbeschluss verkündete, er habe bereits genug Zusagen. Soldaten anderer Kontinente würden nicht gebraucht, die Vereinten Nationen müssten sich nur noch um die Finanzierung kümmern.
Konarés Vorpreschen macht allerdings skeptisch. Das Ganze wirkt, als ziehe Sudan im Hintergrund die Fäden. Denn der AU-Vorsitzende ging mit seiner Ankündigung ausgerechnet nach einem Treffen mit Präsident al-Bashir vor die Presse. Und der ist bis heute strikt gegen die Stationierung nichtafrikanischer Soldaten in Darfur. So ist in der Sicherheitsratsresolution stets nur von einer gemeinsamen „Operation“ von UN und AU die Rede, nie aber von einer gemeinsamen „Truppe“. Für die sudanesische Regierung heißt das offenbar: Die UN dürfen finanziell und logistisch helfen, Truppen und Kommando aber bleiben in AU-Verantwortung – und lassen sich so im Zweifel von Khartum aus besser steuern.
Der afrikanische Alleingang brüskiert zudem die UN. Ein Sprecher kommentierte Konarés Ankündigung mit den Worten, es gehe ja nicht nur darum, genug Soldaten zusammenzukriegen. Nötig sei vielmehr eine „gute Mischung an Fähigkeiten“. Die UN-Zentrale in New York hatte sich bereits in Asien um Zusagen bemüht. Wahrscheinlich beginnt nun ein zeitraubendes Geschacher, und die Menschen in der westsudanesischen Krisenprovinz bleiben weiter ohne Schutz.
Anlass genug, an eine alte Idee zu erinnern: Ursprünglich sollten die Vereinten Nationen eigene Truppen erhalten. Geplant war, dass die UN-Mitglieder der Weltorganisation auf Dauer Soldaten zuweisen, die sie bei Bedarf hätte abrufen können. Eine solche Regelung hätte zwei Vorteile: Erstens müsste der Generalsekretär nicht vor jeder Friedensmission bei den Mitgliedsländern um Einsatzkräfte und logistische Hilfe betteln. Zweitens würde es Taktierern wie al-Bashir erschwert, die Zusammensetzung in ihrem Sinne steuern.
Die Pläne für eine ständige UN-Armee waren bereits ziemlich ausgereift, dennoch war das Vorhaben 1948 schon wieder gestorben – ein Opfer des aufkommenden Kalten Kriegs. 1945 war die neue Weltorganisation angetreten, „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren“. Sechzig Jahre später beschloss der UN-Jubiläumsgipfel die „Responsibility to Protect“ – die Verantwortung zum Schutz bedrohter Zivilisten, die von der eigenen Regierung bedroht oder im Stich gelassen werden. Wenn die Welt es ernst meint mit dieser Verantwortung, dann sollte sie den Vereinten Nationen eigene Soldaten geben.