Kommentar
Deutsche Firmen reagieren besonnen
„Beim Thema Ebola können Sie in der Wahrnehmung nur verlieren“, sagte ein Mitarbeiter einer unserer Mitgliedsfirmen kürzlich. „Wenn Sie sagen, dass Sie in der Region bleiben, geht das für Sie bei denen nach hinten los, die Ebola in Europa für eine Bedrohung der öffentlichen Gesundheit halten. Und wenn Sie sagen, Sie ziehen sich zurück, werfen Ihnen andere vor, Sie ließen die Region im Stich.“
Die wirtschaftlichen Folgen der Ebola-Katastrophe sind unübersehbar. Geschäfte sind geschlossen, der Handel liegt brach, Lebensmittel werden knapp. Der Ausbruch des Virus hat die Entwicklungen der drei am stärksten betroffenen Länder Guinea, Liberia und Sierra Leone um Jahre zurückgeworfen. Menschen gehen aus Angst vor Ansteckung nicht mehr zur Arbeit, Grenzen werden geschlossen, Häfen von Reedereien nicht mehr angefahren.
Auch dass viele internationale Unternehmen abgezogen sind, hat die Abwärtsspirale verstärkt. Menschen haben ihre Arbeitsplätze verloren, Zulieferer ihre Abnehmer, Konsumenten ihre gewohnten Versorgungskanäle. Firmen aus verschiedensten Ländern, darunter Großbritannien, China und die USA, haben so gehandelt. Auch deutsche Unternehmen haben Projekte in den betroffenen und sogar in angrenzenden Ländern auf Eis gelegt. Mitarbeiter wurden vorübergehend nach Deutschland geholt. Sitzungen und Besprechungen mit Geschäftspartnern finden nun statt in Freetown beispielsweise in London statt – als Sicherheitsvorkehrung für die Angestellten, aber auch aufgrund der zusammengebrochenen öffentlichen Ordnung. Kaum ein Flug ging eine Zeit lang in die betroffenen Länder. Inlandsreisen sind noch immer schwierig.
Die Zahlen sind alarmierend: Mehr als 8000 Menschen sind bislang an Ebola gestorben, weitaus mehr werden unter den wirtschaftlichen Folgen zu leiden haben. Das liegt jedoch nicht am Abzug ausländischer Firmen. Im Gegenteil: Diese reagierten weitaus weniger alarmistisch als die breite Öffentlichkeit. „Ebola?“, sagte im September ein deutscher Unternehmer in Kinshasa, „Ebola ist nicht gefährlicher als der Straßenverkehr in den meisten afrikanischen Ländern.“ Unternehmer mit zum Teil jahrzehntelanger Afrikaerfahrung haben ein sehr viel differenzierteres Bild vom afrikanischen Kontinent als die Öffentlichkeit. Sie wissen, dass Botswana vom Ebola-Land Sierra Leone so viele Flugkilometer entfernt liegt wie etwa New York von Lissabon. Und sie können das reale Risiko sehr gut von Hysterie unterscheiden.
Die Entscheidung einiger Firmen, die betroffenen Länder zu verlassen, ist aus unternehmerischer Sicht nachvollziehbar. Was nicht nachvollziehbar ist und großen Schaden anrichtet, ist die Hysterie, mit der Teile der Öffentlichkeit auf die Ebola-Katastrophe reagiert haben. Mit einem Schlag wird ein Kontinent, der so groß ist wie Europa, die USA und China zusammen, stigmatisiert und gemieden. In Texas hat es zwei Ebola-Fälle gegeben. Uns ist nicht bekannt, dass deswegen jemand seine Reise nach Paraguay abgesagt hätte.
Etwa 600 000 Menschen arbeiten allein in Kenia im Tourismus. Er ist nach der Landwirtschaft der zweitgrößte Wirtschaftszweig. Abertausende haben in den letzten Monaten ihren Job verloren. In Tansania, Botswana und sogar Südafrika sieht es ähnlich aus. Hotels stehen leer, Restaurants sind geschlossen. Touristen haben ihre Reisen storniert oder gar nicht erst gebucht.
Reiseveranstalter haben Stornogebühren für Länder erlassen, in denen Ebola-Verdachtsfälle aufgetreten waren. Viele Anbieter haben ihre Afrikareisen vorerst aus dem Programm genommen. Laut Economist sind die Buchungen von Safarireisen in Ostafrika um bis zu 70 Prozent zurückgegangen.
Die Region und sogar den gesamten Kontinent lassen also viele im Stich. Das trifft aber nicht vorrangig für ausländische Unternehmen zu. Wollen wir hoffen, dass auch die Öffentlichkeit zur Besonnenheit zurückkehrt und somit wieder für Arbeitsplätze an Afrikas Sandstränden und in den Nationalparks sorgt.
Christoph Kannengießer ist Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins.
Carla Nickel ist Referentin für Politik und Kommunikation im Afrika-Verein.
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