Öffentliche Finanzen
Anreize zur Formalisierung
Wie in den meisten Ländern Subsahara-Afrikas wurde das Steuersystem in Benin während der Kolonialherrschaft errichtet. Im Jahr 1960 erlangte Benin, damals unter dem Namen Dahomey, die Unabhängigkeit von Frankreich. Einige Jahre später führte das Land mehrere Reformen zur Abschaffung des kolonialen Steuersystems ein. Unter anderem wurden die zwei für die Steuereintreibung zuständigen Behörden zusammengelegt. Im Jahr 1968 wurde die Generaldirektion eingerichtet, welche die Verantwortung für die Eintreibung von Steuern bekam.
Laut Giulia Piccolino, einer mit dem GIGA Institut für Afrika-Studien in Hamburg verbundenen Wissenschaftlerin, waren die Reformen unvollständig und führten nicht zu einer umfassenden Neustrukturierung des Steuersystems. Das Steueraufkommen blieb niedrig und das öffentliche Finanzsystem blieb schwach. Piccolino sieht darin eine Ursache der Haushaltskrise, die Benin in den 1980er Jahren unter der marxistischen Regierung von Mathieu Kérékou erfasste. Damals stieg die Staatsverschuldung rasant an, und zum Ende des Jahrzehnts war die öffentliche Hand zahlungsunfähig. Die Regierung konnte ihre Bediensteten nicht mehr entlohnen, und das Bankensystem brach zusammen.
Benins Demokratisierungsprozess in den frühen 1990er Jahren war aus Piccolinos Sicht auch eine Reaktion auf den Einbruch der Staatseinnahmen. Reformen haben seither zu einem Anstieg der Steuern geführt – von knapp elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 1992 zu mehr als 17 Prozent im Jahr 2011. Damit liegt Benin über den von der Weltbank für Länder mit niedrigem Einkommen als angemessen erachteten Steuerquotenrichtwert von 15 % des BIP. Piccolino stellt fest, dass Benin seit den 1990er Jahren seine Abhängigkeit von Entwicklungshilfe (official development assistance – ODA) reduziert hat, auch wenn das Land noch immer beträchtliche Summen erhält.
Einige Verwaltungsprobleme wie Korruption und schwache Kapazitäten bestehen weiterhin. Ein Beispiel ist der Fall von Sébastien Ajavon, dem Gründer von Benins größtem Tiefkühlhähnchenvertrieb. Er wurde wegen Steuerhinterziehung mit einer Geldstrafe von 167 Milliarden CFA-Franc (rund 254 Millionen Euro) belegt. Einige Beobachter meinen, die Geldstrafe sei politisch motiviert gewesen, denn Ajavon war bei den Präsidentschaftswahlen 2016 gegen den derzeitigen Präsidenten Patrice Talon angetreten. Nachdem er im ersten Wahlgang den dritten Platz belegt hatte, unterstützte er Talon in der Stichwahl, nur um dann einige Monate später in die Opposition zu gehen. Kurz danach wurde er der Steuerhinterziehung beschuldigt.
Die Regierung will die Steuererhebung effizienter gestalten. 2014 führte Benin die Taxe Professionnelle Synthétique für Kleinst- und Kleinunternehmen ein. Damit wurden ehemals mehrfache Steuererhebungssysteme vereinheitlicht. Unternehmen können sich jetzt an einer Stelle für das Steuer- und das Handelsregister anmelden. Außerdem werden Kleinst- und Kleinunternehmen nicht mehr nach Mietwert, sondern nach Umsatz besteuert. Entsprechend ist die Berechnung der Steuern transparenter und voraussehbarer geworden. Leider hat die Reform nicht viele Firmen im informellen Sektor dazu bewegt, sich formal registrieren zu lassen.
Erweiterung der Steuerbasis
Laut René Charles Dovi, einem Steuerexperten aus Cotonou, haben die anhaltenden Reformen zu einer Harmonisierung der Steuererhebung beigetragen. Dennoch sieht er Verbesserungspotenziale. Viele Unternehmen blieben informell, weil es ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschaffe. Registrierte Unternehmen müssen sich in der Tat an mehr Regeln und Bestimmungen, wie beispielsweise Steuergesetze, halten.
Die Regierung sollte Firmen im informellen Sektor Anreize zur Formalisierung bieten, schlägt deshalb ein Finanzbeamter vor. Zugang zu Mikrofinanzdienstleistungen könne so ein Anreiz sein. Zwar müssten die Steuersätze niedrig bleiben, wenn aber die Zahl der formalisierten Unternehmen steige, würde das auch höhere Steuereinahmen zur Folge haben. Zudem könnten derzeit steuerbefreite Akteure wie private Bildungseinrichtungen besteuert werden. Diese wurden befreit, um nach dem Versagen öffentlicher Institutionen in den 1990er Jahren private Bildung zu fördern. Auch Nichtregierungsorganisationen sollten besteuert werden, meint der Finanzbeamte.
Ein anderer Finanzbeamter sagte Piccolino, 80 Prozent des Steueraufkommens würden von rund 75 000 Beamten und 800 großen Unternehmen erbracht. Allerdings seien mehr Personen und Unternehmen dazu in der Lage, Steuern zu zahlen. Die Regierung solle in Zusammenarbeit mit Kommunen und Berufsverbänden potenzielle Steuerzahler identifizieren. Für ihre Mitarbeit könnte man diesen Partnern einen geringen Anteil der eingetriebenen Steuern überlassen.
Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) könnte den Zahlungsprozess beschleunigen. Beispielsweise könnten Steuerzahler mit geringem Aufkommen ihre Rechnungen über Systeme wie „Mobile Money“ oder elektronische Geldüberweisung bezahlen. Zudem arbeitet die Regierung daran, die Verwaltung auf Computer umzustellen und neue Instrumente zur Vorbeugung von Betrug und Untreue zu entwickeln. Um den Spielraum für Steuerhinterziehung zu verringern, könnte die Regierung mit verschiedenen Partnern zusammenarbeiten – beispielsweise Anwaltskanzleien, Vermögensverwaltungsfirmen, Versicherungsgesellschaften, Mobilfunkbetreibern oder Gewerkschaften.
Engagement der Geber
Internationale Geber unterstüzten Benins Steuerreformen. Insbesondere der Internationale Währungsfonds (IWF) ist federführend beteiligt, beispielsweise durch Kapazitätsaufbau in der Steuerverwaltung. Sensibilisierungskampagnen sollen Bürger zum Bezahlen ihrer Steuern motivieren, und der Zahlungsprozess wurde vereinfacht. Besonders in ländlichen Gebieten bremsen aber der Mangel an Computern und die unzuverlässige Stromversorgung die Digitalisierung. Oft werden Steuerzahler noch mit Stift und Papier registriert und Steuern in bar eingesammelt.
Der IWF unterstützt die Kompletterneuerung der Steuerbehörde, um Eintreibung und Management effizienter zu gestalten. Verschiedene Ämter sollen in eine einzige Behörde integriert und die Arbeitsteilung genau definiert werden. Der IWF schlägt vor, der Zentralverwaltung die Verantwortung für Konzeption, Planung und flankierende Maßnahmen zu geben, während operative Einheiten für Management, Kontrolle und effektive Steuereintreibung zuständig sein sollen.
Landbesitz ist ein weiteres wichtiges Thema. Unklare und unsichere Landrechte erschweren den Landkauf in Benin. Häufig beanspruchen mehrere Personen dasselbe Grundstück. Meist wird die Sache vor Gericht gebracht, wo die Entscheidung oft erst nach Jahren fällt. So lange kann der rechtmäßige Besitzer das Grundstück nicht nutzen.
Die Regierung versucht schon lange erfolglos, das Problem in den Griff zu bekommen. Eine Grund-und-Boden-Steuer könnte dabei helfen. Wenn das klappt, würde das Ansehen der Regierung steigen. Am wichtigsten ist aber, dass sie die Besteuerung transparent durchführt und ihren Haushalt sinnvoll und verantwortlich gestaltet. So kann sie das Vertrauen der Menschen gewinnen.
Karim Okanla ist Dozent für Medien, Kommunikation und internationale Beziehungen an der Houdegbe North American University in Cotonou, Benin.
karimokanla@yahoo.com