Sommer-Special
Gesunder Boden, gesundes Klima
Industrielle Landwirtschaft ist seit den 1950er Jahren das Credo in den meisten reichen Industrieländern – in Nord- und Südamerika macht diese Form die überwiegende Zahl der Farmen aus. Massenbetriebe mit tausenden von Nutztieren in Stallhaltung und Quadratkilometer große, mit Chemikalien in Form gehaltene Monokulturen zeichnen die agrarischen Gebiete aus. Auch in der Entwicklungspolitik gibt es immer noch Befürworter dieser Methode als Vorbild für Landwirtschaft in Afrika oder Lateinamerika – obwohl mittlerweile allgemein bekannt sein dürfte, dass diese Landwirtschaft umwelt-, klima- und gesundheitsschädlich ist.
Doch eines der Hauptargumente ist noch immer, dass industrielle Landwirtschaft die einzige Methode sei, die wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können. Der Dokumentarfilm „Kiss the ground“ räumt mit diesem Argument ein für alle Mal auf: Die industrielle Landwirtschaft vernichtet wertvollen Humus und damit einen natürlichen CO2-Speicher, so die Filmemacher. Auf Dauer führe sie zu toten Böden, die nur mit Hilfe von Agrarchemikalien Erträge abwerfen.
Die Folgen sind bereits jetzt verheerend. Zwei Drittel der Erdoberfläche seien bereits desertifiziert, also zur Wüste geworden. Auch wenn der Film erschreckende Bilder trockener, staubiger Äcker und ausgedörrter Regionen zeigt, macht er dennoch ganz viel Hoffnung und erstaunt den Zuschauer: Die Wüstenbildung ist mit einer anderen Anbauweise, der regenerativen Landwirtschaft, umkehrbar. Der Film zeigt Beispiele in vielen Teilen der Welt, wo es funktioniert hat. Am beeindruckendsten ist ein Programm in China, in der eine Region von der Größe Belgiens regeneriert wurde.
Die ersten Bilder von 1994 zeigen eine wüstenartige Hügellandschaft, die Bewohner sind bettelarme Hungerleider ohne Schulbildung. Innerhalb von 15 Jahren verwandelte sich das Gebiet in eine grüne Landschaft mit verschiedensten Pflanzen und Bäumen. Millionen von Bewohnern wurden aus der Armut geholt, und die Ernten können die Menschen ernähren. Ihre Kinder besuchen nun die besten Universitäten des Landes, betont der Film.
Das alles, so die Filmemacher, ist mit Hilfe der regenerativen Landwirtschaft möglich. Diese beruht auf vier miteinander kombinierten Grundpfeilern:
- Kein Pflügen der Felder, um Erosion zu vermeiden
- Dauerhafte vielfältige Begrünung mit Pflanzen und Bäumen
- Gründüngung, wobei Grünmaterial so flach wie möglich und so tief wie nötig mit Erdmaterial vermischt wird, um das Bodenleben zu „füttern“ und den Boden zu „verjüngen“
- Beweidung durch Huftiere, um den Unterboden zu lockern.
Die regenerative Landwirtschaft, so ihre Verfechter, stellen die mikrobiellen Prozesse und damit das Leben im Boden wieder her, das Pflügen und Chemikalien zerstört haben. Es entsteht wieder ein gesunder Boden. Die angebauten Pflanzen weisen einen hohen Nährstoffgehalt auf. Ein weiterer wunderbarer Effekt ist, so die Macher von „Kiss the ground“, dass die Methode CO2 aus der Atmosphäre holt und in den Böden und Pflanzen speichert. Damit sei es möglich, die Erderhitzung innerhalb von relativ kurzer Zeit zu stoppen und innerhalb von rund 20 Jahren das Klima sogar wieder abzukühlen. Auch Klimaaktivisten unterstützen diesen Ansatz – der unter anderem Teil von „Drawdown“ ist, einer um den Amerikaner Paul Hawken entwickelten Methode zur Reduzierung von CO2.
Der Film „Kiss the ground“ erzählt in typisch amerikanischer Form plakativ und emotional – was manch einen Zuschauer stören mag. Als Aushängeschild dient der bekannte US-Schauspieler Woody Harrelson, der als Erzähler fungiert. All das dient den Filmemachern dazu, ein breites, vielleicht auch noch wenig problembewusstes Publikum zu erreichen. Und das ist absolut notwendig und wichtig.
Film
Kiss the ground, 2020, USA, directed by Rebecca Harrell Tickell and Joshua Tickell.
https://kissthegroundmovie.com
https://kisstheground.com
Sabine Balk ist Redakteurin von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit /D+C Development and Cooperation.
euz.editor@dandc.eu