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Erneuerbare Energie

Holzhunger in Europa

Bisher basieren 77 Prozent der weltweit genutzten erneuerbaren Energie auf Biomasse, 87 Prozent stammen von Bäumen und anderen Holzgewächsen. Die Nachfrage dürfte in naher Zukunft deutlich steigen. Für Entwicklungsländer birgt das Chancen – aber auch große Risiken.

Von Lorenzo Cotula, Lynn Finnegan und Duncan Macqueen

Einige Staaten haben sich ambitionierte Ziele zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen gesetzt. Die Europäische Union legte 2009 fest, dass alle Mitgliedsstaaten ihre Nutzung von derartigen Energieträgern bis 2020 auf 20 Prozent des Gesamtverbrauchs steigern müssen. Die USA wollen bis 2025 sogar 25 Prozent erreichen. Selbst Südkorea strebt bis 2022 einen Anteil von zehn Prozent an.

Aller Voraussicht nach wird aus diesem Grund die Holznachfrage in vielen OECD-Staaten die heimische Produktion übersteigen. Die Briten beispielsweise verbrauchten 2010 bereits 5,2 Millionen Tonnen fester Biomasse zum Heizen und für ihre Kraftwerke. Davon wurden 700 000 Tonnen (13 Prozent) importiert. Es ist zu erwarten, dass der Bedarf bis 2020 auf 48,3 Millionen Tonnen steigt (wovon zwei Drittel importiert werden dürften), sollten alle geplanten Kraftwerke in Betrieb genommen werden. Experten sagen voraus, dass sich in dieser Zeitspanne der Weltmarkt für diese Produkte allein aufgrund der britischen Nachfrage verdoppeln könnte.

Soll das EU-Ziel bis 2020 erreicht werden, so benötigen die Mitgliedsländer jährlich 90 Millionen Tonnen Biomasse mehr als bisher – 40 Millionen für die Stromerzeugung und 50 Millionen zum Heizen.

Manche OECD-Staaten, wie etwa die Niederlande und das Vereinigte Königreich, steigern bereits ihren Verbrauch an Holzpellets. Weitere Staaten werden bald folgen. Die Confederation of European Paper Industries (CEPI) sagt Europa für das Jahr 2020 einen Mangel an Biomasse im Umfang von 210 Millionen Tonnen Holz voraus. Andere Experten halten diese Schätzung für konservativ.

Wachsendes Interesse von Investoren

Die Daten legen nahe, dass Europa künftig Biomasse von großen Exporteuren wird kaufen müssen. Die abzusehende Nachfrage führt bereits heute zu großen Investitionen. Fünf große Pelletanlagen mit einer Gesamtkapazität von etwa drei Millionen Tonnen haben 2011 in Kanada, Norwegen, Russland und den USA die Produktion aufgenommen.

Diese Länder liegen relativ nah an Europa. Die Transportkosten sind also niedriger, als wenn Brennholzprodukte aus Australien, Chile, Südafrika oder Vietnam beschafft würden. Allerdings ist nicht klar, ob der wachsende europäische Bedarf auf Dauer von den bisherigen Liefernationen gedeckt werden kann. So plant zum Beispiel auch Nordamerika, künftig mehr erneuerbare Energieträger zu nutzen. Sollte das in großem Stil geschehen, ist fraglich, ob Kanada und die USA ihre Holzexporte noch nennenswert steigern können.

Brasilianische Lieferanten interessieren sich indessen zunehmend für den europäischen Markt. Einige Wissenschaftler halten dieses Land für besonders vielversprechend, was die waldbasierte Biomassenproduktion angeht. Dies liegt vor allem an dem starken Wirtschaftswachstum, an der reichen forstwirtschaft­lichen Erfahrung, der guten Infrastruktur, dem Waldreichtum und der relativ günstigen geografischen Lage. Soziale und ökologische Risiken bestehen allerdings darin, dass schnell wachsende Plantagenwälder einerseits den Urwald mit seiner wertvollen Biodiversität verdrängen, andererseits aber auch zu Lasten von kleinbäuerlichen Betrieben gehen, die für lokale Gemeinschaften wichtig sind.

Energiekonzerne aus Europa und Nordamerika interessieren sich zunehmend für Plantagen in politisch stabilen Ländern des globalen Südens, die Mindeststandards erfüllen, was Nachhaltigkeit angeht. Auch in Asien, Afrika und Südamerika schauen sie sich nach Investitionsmöglichkeiten um. So verkündete etwa 2010 eine US-Firma, sie habe zur Erzeugung von Biomasse einen Pachtvertrag von 5000 Hektar Land in Ghana unterschrieben, der 49 Jahre lang gelte. Die gleiche Firma pachtet, in der Hoffnung, nach Amerika exportieren zu können, auch in Guyana Land.

Aber nicht nur der Privatsektor ist aktiv. 2009 unterschrieben das südkoreanische und das indonesische Waldministerium ein Memorandum, dem zu­folge 200 000 Hektar Wald in Indonesien für die Produktion von Holzschnitzeln genutzt werden sollen. Dies beinhaltet einen über 99 Jahre laufenden Pachtvertrag, wobei private Firmen Bäume für die Pelletproduktion pflanzen sollen.

Schnelles Wachstum

Aus mehreren Gründen könnte auch Afrika beim Stillen des europäischen Appetits auf Biomasse zunehmend eine Rolle spielen. Grundsätzlich sind tropische Länder besonders gut geeignet, um Biomasse in Wäldern zu produzieren. Die Wachstumsraten der Bäume sind dort besonders hoch. In Europa wächst pro Hektar Wald etwa ein bis vier Kubikmeter Holz im Jahr. In den Subtropen sind es schon 10 bis 30 Kubikmeter pro Hektar und in tropischen Pinienwäldern sogar 15 bis zu 45 Kubikmeter. Tropische Eukalyptuswälder kommen auf bis zu 60 Kubikmeter – sind aber auch besonders artenarm.

Ob eine Biomassenplantage erfolgreich ist, hängt selbstverständlich auch von einigen anderen Faktoren ab, wie etwa von der Bodenfruchtbarkeit. Auch das verwendete Erntesystem beeinflusst den ökonomischen Erfolg.

Nachteile

Allerdings gibt es auch beträchtliche Risiken. Viele Leute meinen, in Afrika gebe es noch reichlich nutzbares Land. Das ist aber ein Irrtum: Die wertvollen Böden werden meist bereits von lokalen Gemeinschaften beansprucht.

Die Suche nach günstigem Land und dem passenden Klima wird Investoren künftig vermehrt nach Afrika und Südostasien führen, wo viele Länder mit Ernährungsengpässen zu kämpfen haben. Zudem sind Landrechte oft unsicher, sodass der örtlichen Bevölkerung Enteignung droht.

In vielen afrikanischen Nationen gehört das meiste Land dem Staat und wird auch von diesem an Investoren verpachtet. Die Menschen, die dieses Land seit Generationen bewirtschaften und es als ihr Eigentum betrachten, haben wenig Chancen, ihre Ansprüche durchzusetzen. Zwar gibt es mancherorts – etwa in Ghana – traditionelle Häuptlinge, die Land verwalten. Aber es gibt keine Garantie, dass sie auch tatsächlich nach öffentlichem Interesse handeln.

Es besteht also die Gefahr, dass Menschen wegen Biomassenplantagen ihr Land, von dem sie existenziell abhängen, verlassen müssen. Selbst wenn sie entschädigt werden, reicht dieses Geld nicht unbedingt für alle Betroffenen aus, sich eine neue Existenzgrundlage zu schaffen. Ob genügend neue Arbeitsplätze in der Biomassenwirtschaft entstehen, ist auch nicht sicher.

Darüber hinaus ist die lokale Ernährungssicherheit bedroht, wenn Biomassenplantagen auf Land entstehen, das bisher für Nahrungspflanzen genutzt wurde. Wird das Holz exportiert, werden solche Nachteile nicht einmal teilweise durch eine bessere Brennholzversorgung der Bevölkerung aufgewogen.

Diese Dinge müssen öffentlich stärker diskutiert werden. Eine Debatte darüber, was neue Energieverbrauchsmuster in der reichen Welt und der entsprechende Biomassenhandel bedeuten, ist nötig. Zugleich sollten die Chancen, die nachhaltige Forstwirtschaft bietet, genutzt werden. Wenn sie intelligent betrieben wird, können auch Rohstoffe für die Bau- und Möbel­industrie erzeugt werden, was die örtliche Wirtschaft stimulieren dürfte. Übergeht die Forstpolitik hingegen lokale Bedürfnisse, kann sie nicht nachhaltig sein.

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