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Wirtschaftlicher Zusammenbruch

Afghanistan wirtschaftlichen Wiederaufbau ermöglichen

Die Menschen Afghanistans leiden enorme Not, und ihr Schicksal verdient Aufmerksamkeit. Die USA und ihre Verbündeten tragen eine Verantwortung.
Ausgabe von Lebensmittelhilfen in Kabul im Juni 2020. Ausgabe von Lebensmittelhilfen in Kabul im Juni 2020.

Vor etwas mehr als einem Jahr nahmen die Taliban im August 2021 Kabul ein. Das schlug damals große Wellen und löste in der westlichen Politik ein Nachdenken aus. Inzwischen hat das Thema aber stark an Aufmerksamkeit verloren.

Dennoch tragen die USA und ihre Verbündeten eine Verantwortung für das Schicksal des afghanischen Volkes. Die USA sind die führende Weltmacht. Sie trugen maßgeblich zur Entstehung der aktuellen Krise bei und waren schon lange, bevor sie 2001 nach den Anschlägen des 11. September Afghanistan eroberten, in dem Land engagiert. Der darauffolgende Versuch, einen demokratischen Staat aufzubauen, wurde von der NATO und der internationalen Gemeinschaft unterstützt, scheiterte aber spektakulär (siehe Paul Miller auf www.dandc.eu). Viele der aktuellen Probleme Afghanistans gehen auf diese Phase zurück.

Nun, da die Taliban wieder an der Macht sind, haben die Afghanen mit enormen, fast ausschließlich negativen Veränderungen zu kämpfen. Unterdrückung prägt den Alltag, allerdings nicht ganz so brutal wie unter dem ersten Taliban-Regime. Viel verheerender ist der wirtschaftliche Zusammenbruch, der durch den unrühmlichen Abzug der westlichen Truppen ausgelöst wurde.

Rapide Verarmung

Die Armut grassiert. Die Arbeitslosigkeit hat dramatisch zugenommen, und Afghanen jeglicher Schicht haben Arbeit und Einkommen verloren. Um die 24 Millionen Menschen, so schätzen Experten, benötigen humanitäre Hilfe. Selbst ehemals Wohlhabende kommen kaum noch zurecht.

Obwohl sich die Taliban noch nie ernsthaft für Wirtschaftspolitik interessierten, sind sie nicht der eigentliche Grund dieser Krise. Der liegt darin, dass die Wirtschaft nach 2001 komplett von ausländischer Finanzhilfe abhängig wurde und diese abrupt stoppte. Zuvor hatten internationale Partner folgende Bereiche finanziert:

  • Staatsstrukturen, von der nationalen bis hin zur lokalen Ebene,
  • Sicherheitskräfte,
  • zivilgesellschaftliche Organisationen (NGOs) und
  • einzelne Privatunternehmen

Zusätzlich blähte der Kapitalfluss den Kurswert der afghanischen Währung auf, was die Entwicklung einer Exportwirtschaft verhinderte – mit Ausnahme des illegalen Drogenhandels.

Ohne externes Kapital sah sich Afghanistan plötzlich unfähig, notwendige Bedarfsgüter, inklusive Lebensmittel, zu importieren. Zusätzlich begannen die USA, die afghanische Zentralbank zu sanktionieren, und froren 9 Milliarden US-Dollar ein, die der afghanische Staat auf amerikanischen Konten hielt.

Die Taliban reagieren völlig unzureichend auf das Leid ihres Volkes. Sie starteten zwar eine Reihe von Food-for-Work-Programmen, ansonsten betteln sie aber um ausländische Unterstützung. Diese Appelle finden kaum Gehör, da die meisten Regierungen nicht mit den Taliban verhandeln wollen, um eine Legitimierung ihrer Herrschaft zu vermeiden. So bleibt das Regime isoliert, nicht zuletzt aufgrund der US-Sanktionen.

Mehr als das Ernährungsminimum benötigt

UN-Organisationen liefern einiges an Nothilfe, wodurch zumindest eine größere Hungersnot bisher ausblieb. Allerdings benötigen die Afghanen mehr als ein absolutes Minimum an Nahrung. Besorgniserregend ist, dass kein externer Akteur auch nur eine mittelfristige Strategie für den Umgang mit Afghanistan hat.

Dank des gescheiterten westlichen Staatsaufbauprojekts wurde Afghanistan von ausländischem Kapital abhängig gemacht. Zwar ist kein schneller Ausweg in Sicht, aber ein gewisses Maß an finanzieller Interaktion mit Afghanistan wird unumgänglich sein, um eine humanitäre Katastrophe abzuwenden.

Drei Schritte wären angebracht:

  1. Auszahlung der neun Milliarden Dollar, um wenigstens Infrastruktur zu erhalten.
  2. Den Menschen Afghanistans wesentlich mehr humanitäre Hilfe als bisher zukommen zu lassen.
  3. Sanktionen aufzuheben, die afghanischen Unternehmen und Individuen den Zugang zu internationalen Märkten versperren.

Zumindest müssen internationale NGOs frei und nach eigenem Ermessen in Afghanistan agieren können, auch dann, wenn sie aus westlichen Staatshaushalten finanziert werden.


Felix Kugele war in Afghanistan für eine internationale humanitäre Organisation tätig.
felixkugele@yahoo.com