Landwirtschaft
Palmölriesen bestimmen die Regeln
„Palmöl ist fast überall drin: in Schokolade, Margarine, Brot, Chips, Pizza oder Cremes und Shampoos sowie in Reinigungsmitteln“, sagt Akua Britwum. Um der wachsenden Nachfrage auf dem Weltmarkt zu begegnen, expandieren Palmölfirmen, nehmen immer mehr lokale Kleinbauern unter Vertrag oder kaufen größere Anbauflächen, erklärte die Sozialwissenschaftlerin aus Ghana auf einer Fachtagung an der Freien Universität Berlin.
Palmöl ist zu einem begehrten Produkt geworden. Nach Angaben der Umweltschutzorganisation WWF wurden 2015 weltweit 60 Millionen Tonnen Palmöl hergestellt. Inzwischen landet das rotbräunliche Öl aber nicht nur in Nahrungsmitteln, Drogerieprodukten und Medikamenten. Fünf Prozent der Palmölernte werden als Rohstoff für die Energiegewinnung genutzt, etwa für Strom und Wärme oder als Biokraftstoff.
Die steigende Nachfrage hat die Landwirtschaft in vielen Ländern verändert, so auch in Ghana. Das westafrikanische Land ist vor allem für Kakao bekannt, setzt aber inzwischen auch auf andere landwirtschaftliche Produkte wie Palmöl und Baumwolle. Die Ölpalmen werden dort hauptsächlich im Vertragsanbau (out grower schemes) angebaut. Oft bleibt den Bauern keine große Wahl: Entweder sie kooperieren mit der Palmölfirma, oder sie bleiben vom Weltmarkt ausgeschlossen.
So genannte Outgrowers verpflichten sich, ihre gesamte Ernte an die inzwischen private Ghana Oil Palm Development Company (GOPDC) zu verkaufen. Die Weltbank und die OECD propagieren das Modell als vielversprechende Strategie für die Landwirtschaft in Entwicklungsländern. Es soll Kleinbauern Zugang zum Weltmarkt verschaffen. Aber auch ein Vertrag bringt den Bauern nicht unbedingt Vorteile. „Während sich die GOPDC vergrößert, verschlechtern sich die Arbeitsverhältnisse und Rechte der Vertragsbauern“, sagt Britwum. Forschungsergebnisse zeigten, dass die Arbeitsverhältnisse in der Branche immer informeller und flexibler würden.
Lockere Verträge
Die Verträge vereinbaren Firma und Bauern schriftlich oder auch mündlich. Der Unterschied zwischen Outgrower und Kleinbauer besteht darin, dass der Outgrower eigenes oder gepachtetes Land mitbringt, während die Firma dem Kleinbauern die zu bewirtschaftende Ackerfläche zuteilt. Im Gegenzug stellt die GOPDC den Bauern Saatgut, Kredite und Schädlingsbekämpfungsmittel zur Verfügung. In jedem Fall sitzt sie am längeren Hebel. „Die Firma bestimmt den Kilopreis für die Palmfrüchte und enthält den Bauern die Abrechnung vor“, sagt Britwum. Außerdem bestimme die GOPDC die Produktionsmenge. Lieferten die Bauern nicht genug, zahlten sie dafür Strafen.
Auch die Zivilgesellschaft übt Kritik. Der internationalen NGO ActionAid zufolge stellen Bauern im südlichen Afrika ihr Land und ihre Arbeitskraft nicht nur billig zur Verfügung, sondern tragen dazu noch das volle Risiko. Die NGO analysierte zahlreiche Verträge zwischen Firmen und Bauern und fand darin wenig Klarheit. Beispielsweise seien Verträge häufig nicht befristet, oder die Firma mache keine genauen Angaben zu den Erntemengen, die Bauern am Ende der Saison liefern müssten. Das Outgrower-Modell in Ghana schließe vor allem besonders benachteiligte Gruppen aus: Menschen ohne Landrechte, Selbstversorger und Frauen, die Landrechte oftmals nur über den Ehemann oder einen männlichen Verwandten erben können.
Laut Britwum haben es einige Vertragsbauern in Ghana dennoch geschafft, ihre Lage deutlich zu verbessern. Einerseits hätten sie die Firma in die Pflicht genommen, die Gemeinden mit Infrastrukturprojekten zu unterstützen, etwa den Bau von Schulen und die Versorgung mit Strom- und Wasseranschlüssen. Entscheidend sei aber gewesen, dass Bauern zunehmend auf die Weltmarktpreise im Internet zugriffen und so den Verkaufspreis ihrer Ernte besser verhandeln könnten. Heute sei die GOPDC grundsätzlich verhandlungsbereiter. „Die Firmenleitung merkt, dass sie auf die Kleinbauern angewiesen ist, wenn sie die Produktionsziele aufrechterhalten und der Nachfrage auf dem Weltmarkt hinterherkommen will“, sagt die Wissenschaftlerin.
Steigende Nachfrage, hohe Profite
Die Nachfrage wächst besonders in den bevölkerungsreichen Ländern China und Indien, wo viele Menschen ihren täglichen Fettbedarf mit Palmöl decken. Hinzu kommt der steigende Verbrauch an Biosprit. Palmöl braucht im Vergleich zu anderen Pflanzenölen viel weniger Anbaufläche. Die Ölfrüchte sind dreimal so ertragreich wie Raps, und die Palme beansprucht für den gleichen Ertrag etwa sechsmal weniger Fläche als Soja.
In Malaysia und Indonesien werden deshalb im großen Stil Wälder gerodet, um den Plantagen Platz zu machen. Die beiden Inselstaaten stemmen inzwischen über 85 Prozent der Weltproduktion; ihre Anbauflächen haben sich seit 1990 verzehnfacht – Tendenz steigend. Dem WWF zufolge plant Indonesien, seine Plantagen in den nächsten zehn Jahren auf 20 Millionen Hektar zu vergrößern.
Die riesigen Monokulturen bedrohen nicht nur die biologische Vielfalt, sondern gefährden auch die Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung. „Die hohen Profitmargen in der globalen Produktionskette gehen massiv auf Kosten der indonesischen Lohnarbeiter“, sagt Oliver Pye von der Universität Bonn. Der Weltmarktpreis für eine Tonne rohes Palmöl liege derzeit bei etwa 700 Dollar. Die Lohnarbeiter verdienen allerdings nur 30 Dollar pro Tonne.
Wandel von unten
Der Sozialwissenschaftler befasst sich mit der Frage, wie die Palmölproduktion in Südostasien sozial und ökologisch fairer werden kann. Obwohl das Geschäft in der Region riesige Gewinne abwerfe, verschlimmere sich die Armut. Grund dafür sei die schlechte Bezahlung der Wanderarbeiter, die meist auf staatlichen oder privaten Großplantagen arbeiteten.
In Indonesien liegt der durchschnittliche Monatslohn unter 100 Euro. Und in Malaysia verdienten unangemeldete Tagelöhner umgerechnet einen Euro am Tag. Pye geht von etwa einer Million indonesischen Wanderarbeitern in Malaysia aus, die Hälfte von ihnen nicht registriert.Dem Wissenschaftler zufolge war es bislang schwierig, einflussreiche Gewerkschaften zu gründen. Hinzu komme, dass Palmölfirmen auf Widerstand der Arbeiter oft mit Entlassungen oder Festnahmen reagierten. Forscher fanden etwa heraus, dass Ölfirmen mit Betrügern und der lokalen Polizei zusammenarbeiten, um Arbeiter einzuschüchtern. Dennoch seien durch die jahrelangen Wanderbewegungen Netzwerke entstanden, auf die die Arbeiter zurückgriffen, beispielsweise um sich über Bezahlung, Wohn- und Arbeitsbedingungen auszutauschen.
Allmählich verschafften sich Arbeiter jedoch auch im Kollektiv Gehör, etwa während des Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) in Medan 2013. Dort protestierten hunderte Arbeiter. Der RSPO wurde 2004 gemeinsam von WWF und Unternehmen der Palmölbranche, Lebensmittelkonzernen, Banken sowie Vertretern der Zivilgesellschaft gegründet, um den nachhaltigen Anbau von Palmöl zu gewährleisten. Das RSPO-Zertifikat steht für ökonomische, soziale und ökologische Kriterien, die die Produzenten einhalten müssen. Die Kriterien gingen den Demonstranten aber nicht weit genug. Seit 2015 gibt es laut Pye auch ein transnationales Netzwerk von Arbeiterbewegungen in Indonesien und Malaysia.
„In einer Welt, in der wir nicht nach Malaysia migrieren müssten, wären wir arbeitslos, und Malaysia hätte noch seine Regenwälder“, sagt ein Interviewpartner in Pyes dreijähriger Studie. Die Aussage beschreibt, was laut Pye geschehen muss. Ein Wandel kann demnach nur aus den Arbeiterbewegungen selbst herauskommen. Ziel müsse ein Kleinbauern-System sein, in dem Bauern weniger produzieren und somit auch weniger Land und Regenwald beanspruchen. Das bedeute keinen Verlust an Jobs, da nichtindustrielle Landwirtschaft arbeitsintensiver sei als Monokulturen. In so einem System müssten angesichts der riesigen Profitmargen deutlich höhere Löhne gezahlt werden. Zudem sollten Bauern ihr eigenes Land bewirtschaften können.
Theresa Krinninger
Link
Pye, O., Daud, R., Manurung, K., und Siagan, S., 2016: Workers in the palm oil industry – exploitation, resistance and transnational solidarity. Stiftung Asienhaus, Köln.
http://www.asienhaus.de/archiv/user_upload/Palm_Oil_Workers_-_Exploitation__Resistance_and_Transnational_Solidarity.pdf