Vereinte Nationen

Neuer Ansatz in der Friedensarbeit

Die alten Konzepte, dass die Politikfelder Friedensarbeit oder Krisenprävention auf der einen Seite und Armutsbekämpfung oder Menschenrechte auf der anderen Seite voneinander abgegrenzt sind, haben die UN seit einigen Jahren über Bord geworfen. Sie haben nicht mehr funktioniert. Der neue Ansatz sieht Friedensarbeit nicht mehr auf einen Organisationsbereich begrenzt, sondern organisationsübergreifend und integral. Expertinnen und Experten sehen diesen Paradigmenwechsel positiv und diskutieren, wie die Umsetzung in den UN gelingt.
Der damalige kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos schloss 2016 nach rund 50 Jahren Bürgerkrieg ein Friedensabkommen mit den FARC-Rebellen. picture-alliance/Photoshot Der damalige kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos schloss 2016 nach rund 50 Jahren Bürgerkrieg ein Friedensabkommen mit den FARC-Rebellen.

Teresa Whitfield, Abteilungsleiterin für den Bereich Mediation im UN Department of Political and Peacebuilding Affairs, erklärt, dass das neue Konzept einen kompletten Wandel innerhalb der UN-Organisation erfordert: „Es soll keine harten Schnitte mehr geben zwischen präventiver Diplomatie und linearen Friedensbildungsmaßnahmen hin zu einem konstanten Frieden.“ Die UN durchdenken Friedensprozesse an sich nun mehr mit Hilfe eines integralen Ansatzes.

Dieser besage, dass es keinen Frieden ohne Entwicklung und ohne Achtung der Menschenrechte geben könne, so Whitfield. Die Friedensarbeit müsse neue Themen wie Klimasicherheit und Ursachenbekämpfung ebenso mit in Betracht ziehen wie die Mediation von Konflikten. Außerdem müssten Aspekte wie Entwicklung und Armutsbekämpfung integriert werden. „Die praktische Umsetzung ist allerdings sehr herausfordernd, gerade in einer Organisation, die sehr von einem Silodenken geprägt ist“, erklärt Whitfield.

Die UN haben nach ihrer Ansicht aber auch bereits große Fortschritte gemacht, wie sie auf einer Online-Konferenz der Stiftung Entwicklung und Frieden (sef) mit dem Titel „Crisis Prevention: From Ambition to Action. New Pathways for the UN“ im Juni sagte. Die Organisation habe ihre Mediationsarbeit signifikant verbessert, analysiere Konflikte schlauer und involviere nun auch die Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen und nicht nur mehr Regierungen in die Krisen- und Friedensarbeit. Die UN-Spitze verpflichte sich zudem positiverweise stark zu Inklusion und den Sustainable Development Goals (SDGs) mit dem Motto: „Niemanden zurücklassen“.

Whitfield machte aber bei der Konferenz auch deutlich, dass die aktuellen Konflikte sehr viel komplexer und schwerer zu lösen seien als früher. Folgende Schwierigkeiten machten die Konfliktbearbeitung heutzutage so kompliziert:

  • Viele interne Konflikte haben eine internationale Natur, was die Lösung mit traditionellen Methoden nicht mehr möglich macht.
  • Die beteiligten bewaffneten Gruppen sind stark fragmentiert. Es gibt nicht mehr zwei widerstreitende Parteien wie die Regierung und die Opposition, sondern einen Reigen an involvierten Parteien mit verschiedenen Zielen und Finanzgebern.

Beispiele dafür seien die Bürgerkriege in Libyen, im Jemen und in Syrien. Erschwerend kämen die Probleme im UN-Sicherheitsrat hinzu. Da jedes der fünf ständigen Mitglieder ein Vetorecht besitzt, können sie wichtige Entscheidungen blockieren. Die anderen, nichtständigen Mitglieder haben dieses Recht nicht und können praktisch nichts dagegen tun.

Adriana Erthal Abdenur vom Instituto Igarapé, einem unabhängigen Thinktank für Sicherheitspolitik und Entwicklung in Rio de Janeiro, lobte den neuen UN-Ansatz auf der sef-Konferenz. Ihrer Meinung nach sollten die UN aber die Süd-Süd-Kooperation noch mehr fördern. Süd-Süd-Kooperation sei bislang extrem eng als technische Hilfe verstanden worden, dabei würden neue Akteure wie China, Indien, Indonesien, die Türkei oder auch kleine Staaten wie Timor-Leste gerade innovative Wege in der Konfliktprävention einschlagen. Da seien enormes Wissen und viele Ressourcen vorhanden, die im UN-Prozess nicht adäquat aufgegriffen würden, sagt Abdenur.

Die Wissenschaftlerin weist auf weitere wichtige Innovationen in den UN wie den Climate Security Mechanism hin, eine Kooperation der drei UN-Organisationen Department of Political and Peacebuilding Affairs, Entwicklungsprogramm und Umweltprogramm. Dieser soll laut Abdenur die Reaktion auf klimabedingte Sicherheitsrisiken verbessern. Dieses Thema muss ihrer Ansicht nach „breit in die Organisation“ eingestreut werden. Das heißt, dass alle Maßnahmen und Programme klimabedingte Sicherheitsrisiken berücksichtigen müssen.

In Bezug auf inklusive Prozesse habe sich in den UN viel getan. Viele Maßnahmen wie Mediation wurden von der Regierungsebene hin zu verschiedenen Akteuren verlagert. Ein Beispiel sei Kolumbien, wo nach langen Verhandlungen und viel Druck der Zivilgesellschaft 2016 endlich ein Friedensabkommen zwischen der Regierung und der größten Rebellengruppe FARC erreicht wurde.

Abdenur betonte einen Punkt bei der Online-Konferenz besonders: „Die UN-Mitgliedsstaaten und andere relevante Akteure müssen davon überzeugt werden, dass Konfliktprävention nicht nur billiger, sondern auch viel effektiver ist und mehr Menschenleben rettet als ein reaktiver Ansatz.“ Dafür gebe es viele Belege, etwa zu finden in der Studie „Pathways for peace“ von UN und Weltbank.

In einem von ihr verfassten Papier nennt Abdenur noch eine wichtige Veränderung, damit Konfliktprävention mehr als nur ein Schlagwort sei. Die Methoden zur Risikobewertung müssten spezifisch verbessert werden, so die Wissenschaftlerin. Dazu müssten neue Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) zu Hilfe genommen werden. Die UN arbeiten an innovativen Techniken, um mit großen Datenmengen (Big Data) und mit Hilfe von KI die Krisenlage in Ländern zu bewerten. Die Experten erhoffen sich, mit diesen neuen Methoden Krisen und Konflikte schneller und präziser vorhersagen und diese idealerweise im Vorfeld verhindern zu können.


Links

Whitfield, T., 2019: Mediating in a complex world.
https://www.hdcentre.org/wp-content/uploads/2020/05/Mediating-in-a-complex-world.pdf

Abdenur, A., 2019: Making conflict prevention a concrete reality at the UN.
https://www.sef-bonn.org/en/publications/global-trends-analysis/022019.html

UN and World Bank, 2018: Pathways for peace: Inclusive approaches to preventing violent conflict.
https://openknowledge.worldbank.org/handle/10986/28337

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Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.