Tierwelt

Schutzgebiete für Biodiversität besser finanzieren

Die Menschheit ist auf eine vielfältige Natur angewiesen: Wir hängen von ihrer Leistung ab und benötigen sie im Kampf gegen die Klimakrise. Allerdings sind viele wichtige Schutzflächen in Entwicklungsländern unterfinanziert. Die KfW Förderbank will das ändern – mit einem neuen Fonds.
Der Odzala-Kokoua-Nationalpark in der Republik Kongo könnte bald zu den „Legacy Land­scapes“ gehören, die ein neuer Fonds fördert. picture-alliance/africamediaonline/Roger de la Harpe Der Odzala-Kokoua-Nationalpark in der Republik Kongo könnte bald zu den „Legacy Land­scapes“ gehören, die ein neuer Fonds fördert.

In Indien waren Geier über Jahrtausende hinweg eine Art Gesundheitspolizei: Sie fraßen Aas aller Art, auch verendete „heilige“ Kühe, von der Straße. Bis in den Neunzigerjahren das Schmerzmittel Diclofenac in der Tiermedizin populär wurde. Weil es äußerst kostengünstig ist, setzten es schon bald vor allem Milchbauern und Halter von Zug- und Lasttieren ein. Allerdings löst das Mittel bei Geiern Nierenversagen aus – sie starben massenweise. Innerhalb von nur einem Jahrzehnt sank ihr Bestand um mehr als 95 Prozent. Mit gravierenden Folgen: Tote Kühe wurden nicht mehr entsorgt. Und – vielleicht noch schwerwiegender – die Zahl verwilderter Hunde nahm zu, weil sie – anstelle der Geier – nun vermehrt Aas fraßen. Da Hunde auch Menschen beißen, kam es zu einem deutlichen Anstieg von Tollwutfällen. Der Rückgang der Geierpopulationen hat mithin wahrscheinlich den Tod von 50 000 Menschen verursacht.

Das Beispiel zeigt, welche Folgen schon das Aussterben einer Art mit sich bringen kann. Und es zeigt auch, dass sich dessen Folgen nicht im Vorhinein abschätzen lassen, weil es eine Kettenreaktion auslösen kann. Nun ist das Verschwinden von Arten nicht per se etwas Absonderliches. Tiere und Pflanzen leben in einem sich ständig wandelnden Umfeld. Entweder sie passen sich ausreichend an, oder sie werden von besser angepassten Arten verdrängt. Insofern gehört das Auftauchen und Verschwinden von Arten seit jeher zum Lauf der Natur.

Allerdings bewegt sich die Geschwindigkeit des Verlustes derzeit außerhalb der Norm. Alle elf Minuten geht eine Art verloren. Das ist bis zu hundertmal schneller als in der Zeit, bevor der Mensch die Welt dominierte, und deshalb ein klarer Hinweis darauf, dass er – wie im Falle Indiens und dem Einsatz von Diclofenac – der Verursacher dieses Sterbens ist. Wäre die gesamte Erdgeschichte ein Tag mit 24 Stunden, dann lebte die Menschheit erst in den letzten zwei Minuten auf diesem Planeten. Doch schon in dieser kurzen Zeit hat sie bereits drei Viertel der Erde übernutzt.

Nach Angaben des Weltbiodiversitätsrats (Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services – IPBES) ist 1 Million der geschätzten 8 Millionen Spezies auf der Erde derzeit vom Aussterben bedroht. Ob und wie stark jede Art davon gebraucht wird, kann die Wissenschaft noch nicht genau einschätzen. Doch sie weiß, dass Ökosystemfunktionen umso stabiler sind, je mehr Arten sie absichern. Die Fülle wirkt wie eine Art Lebensversicherung. Versagt eine Art, etwa wegen Trockenheit oder Hitze, übernimmt eine andere ihre Funktionen. Entsprechend ist das fortgesetzte Artensterben so, als kündigten wir permanent unsere Lebensversicherung.

Existenzgrundlage

Dabei sind wir alle auf die Leistungen der Natur angewiesen – ob Reich oder Arm, ob auf der Nord- oder Südhalbkugel der Welt ansässig. Wir brauchen Wasser, Luft, Nahrungsmittel, Heilkräuter, Wälder und vieles mehr. Und als Wirtschaftsfaktor ist die Natur ebenfalls unverzichtbar (siehe Katja Dombrowski auf unserer E+Z/D+C-Plattform). So generiert sie jedes Jahr rund 350 Milliarden US-Dollar an Leistungen allein aus der Fischerei – ein Großteil davon leider nicht nachhaltig – und in Afrika rund 29 Milliarden Dollar aus naturnahem Tourismus, sofern nicht gerade Covid-19 grassiert. Auch 80 Prozent der Nachhaltigkeitsziele kann die Weltgemeinschaft Berechnungen zufolge nicht erreichen, wenn das Artensterben so weitergeht.

Zu den Haupttreibern des Biodiversitätsverlustes gehören neben der Übernutzung natürlicher Ressourcen auch eine geänderte Landnutzung, hauptsächlich durch die sich ständig ausweitende Landwirtschaft (siehe Susanne Neubert auf der D+C/E+Z Plattform). Auch der Klimawandel zählt dazu, da zahlreiche Arten höhere Temperaturen nicht überleben. Umgekehrt heizt der Verlust an Biodiversität auch den Klimawandel an, weil Wälder, Moore und Böden natürliche Kohlenstoffspeicher sind, die einen effektiven Beitrag zur Minderung von Kohlendioxid in der Atmosphäre leisten. Deshalb ist es entscheidend, sie nicht weiter zu dezimieren, trockenzulegen oder wegzuspülen. Zumal solche natürlichen Vorgänge für das Vermindern von CO2 auch deutlich günstiger und in den Folgen abschätzbarer sind als teure technische Lösungen wie Geoengineering. Klimawandel und Biodiversität hängen also sehr eng zusammen; das eine ist ohne das andere nicht in den Griff zu bekommen. Deshalb liegt ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz im Erhalt von Biodiversität.

Als wesentliche Methode, um biologische Vielfalt zu sichern, gelten gut verwaltete Schutzgebiete – vorausgesetzt, sie beziehen die lokale Bevölkerung eng mitein. Wo das nicht geschieht, kann Naturschutz nicht funktionieren, das haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt. Derzeit stehen allerdings, trotz anderslautender internationaler Ziele, erst rund 16 Prozent der Landfläche und etwa 8 Prozent der Meere unter Schutz, mithin deutlich weniger als die von der Wissenschaft empfohlenen 30 Prozent (siehe Wanjohi Kabukuru auf dandc.eu).

Entwicklungsländer brauchen Geld

Und die Schutzgebiete, die es gibt, arbeiten oft nicht wirksam genug. Das hat einen einfachen, aber schwerwiegenden Grund: 80 Prozent aller Arten konzentrieren sich auf etwa zwanzig Prozent der Erdoberfläche. Davon liegt der größte Teil in Entwicklungsländern, also dort, wo es häufig an Geld fehlt, um Schutzgebiete effektiv und im Einklang mit der lokalen Bevölkerung zu verwalten. Zumal jetzt in Corona-Zeiten, da arme Länder ganz besonders mit den verheerenden Folgen der Pandemie zu kämpfen haben.

Dazu kommt, dass der überwiegende Teil der internationalen Finanzmittel für Schutzgebiete in die reicheren Länder fließt. Entwicklungsländer erhalten nur 19 Prozent davon, obwohl sie die meisten Biodiversitäts-Hotspots beherbergen. Dadurch werden in vielen Staaten erhebliche Flächen nicht geschützt, obwohl sie als Schutzgebiete ausgewiesen sind. Man spricht dann von sogenannten „Paper Parks“, die nur auf dem Papier existieren, aber nicht erfüllen, wofür sie eigentlich gedacht sind. Nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sind allein in Subsahara-Afrika von 282 untersuchten Schutzgebieten rund 90 Prozent unterfinanziert. Um diesem Missstand entgegenzuwirken, hat die KfW Entwicklungsbank im Auftrag des BMZ ein neues Finanzierungsinstrument entwickelt, den „Legacy Landscapes Fund“ (LLF) (siehe Kasten).

Flankierend zu mehr Mitteln für Biodiversität ist zudem ein Bekenntnis der Staatengemeinschaft nötig, 30 Prozent der Erdoberfläche an Land und im Meer bis 2030 unter Schutz zu stellen, wie der scheidende Bundesentwicklungsminister Gerd Müller und die LLF-Direktorin Stefanie Lang betonen. In einem Gastkommentar im Handelsblatt forderten sie einen neuen „Paris-Moment“ für Biodiversität, wie ihn die Klimapolitik 2015 in der französischen Hauptstadt erlebt hat. Eine günstige Gelegenheit dafür böte die Biodiversitätskonferenz im chinesischen Kunming, die ab April 2022 in die entscheidende Phase geht.


Friederike Bauer arbeitet als freie Journalistin, Texterin und Redenschreiberin, hauptsächlich auf dem Gebiet der Außen- und Entwicklungspolitik. Sie schreibt für verschiedene Medien und Auftraggeber, darunter auch für die KfW.
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