Kommunalpolitik

Peruanische Wasserinvestitionen

Für Arme ist eine gute öffentliche Infrastruktur wichtiger als für Reiche. Aber im Allgemeinen dürfen sie bei öffentlichen Investitionen nicht mitreden. Bürgerhaushalte sind ein Verfahren, möglichst alle Betroffenen an Budgetentscheidungen teilhaben zu lassen. Theoretisch sollten die Armen also von ihnen profitieren. Das ist leider in Perus Wasser- und Abwassersektor nicht der Fall.
Die Armen leben oft weit von den Wasserleitungen entfernt: Frauen holen in der Peripherie Limas Wasser. Ron Giling/Lineair Die Armen leben oft weit von den Wasserleitungen entfernt: Frauen holen in der Peripherie Limas Wasser.

Teilhabe an demokratischen Entscheidungsprozessen beschränkt sich in der Regel darauf, Repräsentanten zu wählen. Wenn diese einmal gewählt sind, entscheiden sie über öffentliche Budgets – und die Bürger spüren die Folgen. Bürgerhaushalte sind ein Verfahren, um Entscheidungen über öffentliche Ausgaben weiter zu demokratisieren. Es geht darum, sie von Anfang an aktiv die Entscheidungen über die öffentliche Infrastruktur wie Wasserversorgung, Schulen oder Gesundheitswesen auf der lokalen Ebene einzubeziehen (siehe Interview mit Giovanni Allegretti in E+Z/D+C 2013/03, S. 119 ff.).

Das internationale Modell ist Porto Alegre in Brasilien. Die Stadt arbeitet seit 1989 mit einem Bürgerhaushalt. Laut Weltbank hat dieser Ansatz dort Wasser- und Abwassersysteme verbessert.

Aber kommen Bürgerhaushalte generell den Armen zugute? Eine neu erschienene Studie der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) zeigt, dass dies nicht immer der Fall ist. Die Autoren analysieren den Fall Peru, wo Bürgerhaushalte (PB – participatory budgeting) seit 2004 für alle Regierungsebenen unterhalb der nationalen obligatorisch sind. Das Ziel ist, politisch und ökonomisch schwache Bevölkerungsschichten in Entscheidungsprozesse einzubinden. 2009 wurde über rund ein Drittel des Investitionsbudgets auf kommunalem Level durch PB-Prozesse entschieden, wie die IDB-Experten berichten.  

Die Autoren identifizieren drei Wege, mittels derer PB die Qualität öffentlicher Dienstleistungen beeinflusst:

  • Die Bürger können ihre Meinung betreffs kommunaler Angelegenheiten besser äußern, und das führt zu mehr Transparenz,
  • es gibt mehr Investitionen in Grundversorgung, und
  • diese Versorgung und deren Qualität wird besser überwacht.


Dennoch zeigt die Studie, dass PB in Peru bisher keinen positiven Effekt auf die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung hatte. Höhere Bürgerbeteiligung habe zwar einen gewissen Einfluss auf eine bessere Qualität der Dienste, trage aber gar nicht zum Ausbau der Wasserversorgung bei. Das bedeute, dass zumindest im Wassersektor die Armen nicht sonderlich von dem Verfahren profitieren. Sie leben oft weit entfernt vom Leitungsnetz und wären auf dessen Ausbau deshalb dringend angewiesen. Meist nehmen sie jedoch an PB nicht teil, so dass sie wenig Einfluss auf die Vergabe von öffentlichen Mitteln haben.

Die Autoren nennen mehrere Gründe, warum PB keine positiven Auswirkungen zeigt. Zum Beispiel gibt es keine Mindestquote an den Investitionen, über die peruanische Bürgermeister mittels PB entscheiden lassen müssen. Es ist den Bürgermeistern überlassen, wie viel Geld sie dem PB-Prozess unterwerfen. Interessengruppen können Druck ausüben und Bürger ausbooten. Zudem gibt es mehrere Player in Perus Daseinsversorge – unter anderem die Zentralregierung, regionale und kommunale Verwaltungen, der Privatsektor sowie öffentliche Versorgungsunternehmen – und alle verfolgen ihre speziellen Interessen.

Laut der Studie sind technische Ressourcen der Kommunen ebenfalls ein Pro­blem. Die technischen Teams, die die ­Lokalbehörden aufstellen, um an PB-Projekten zu arbeiten, sind oft simple Nachbarschaftsvereine ohne Erfahrung in Projektentwicklung und Projektmanagement. Mit Großprojekten kennen sie sich erst recht nicht aus. Grundsätzlich, so die Autoren, haben Bürgerhaushalte im Bereich Wasser und Abwasser tatsächlich den positiven Effekt, der zum Beispiel in Porto Alegre in Brasilien beobachtet werden kann. Die Gründe für das Scheitern in Peru sind, laut ihrer Analyse, schlecht formulierte Gesetze und technische Engpässe. Sie schlagen eine Reihe von Maßnahmen vor, um dies zu verbessern, so etwa Informationskampagnen und die Stärkung sozialer Organisationen.