Entwicklungshilfe
Ein Boot, eine Richtung
Als ich vor einigen Wochen eine Kollegin im Gesundheitsministerium von Sierra Leone in Freetown besuchte, beeindruckte mich ein Spruch an ihrer Wand: „Ein Boot, eine Richtung". Auf meine Frage, was es damit auf sich habe, antwortetet sie, der Satz helfe ihr, „nicht aus den Augen zu verlieren, weshalb wir hier sind – und wie wir vorgehen sollten". Seither ist der Spruch meine Lieblingsmetapher für das Potenzial von Entwicklungspartnerschaften.
Was die Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) abgeht, waren Entwicklungspartnerschaften die Schlüssel zu den meisten Erfolgen. Bemühungen, verschiedene Akteure zusammenzubringen, Innovation zu fördern und gemeinsame Verantwortung zu stärken, haben sich als wirksam erwiesen – etwa wenn es darum geht, Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen, die Entwaldungsrate zu verringern oder HIV/AIDS- und Malaria-Patienten zu versorgen. In einigen der ärmsten Gegenden Tansanias half effektive und gezielte Unterstützung des Gesundheitswesens, die Kindersterblichkeit in weniger als einem Jahrzehnt um die Hälfte zu reduzieren (Killen 2011).
Erfolgreiche Partnerschaften wie die in Tansania müssen an anderen Orten im größeren Maßstab kopiert werden. Bislang konzentrierte sich die aktuellen Debatten darüber, was nach dem Stichjahr 2015 auf die MDG-Agenda folgen soll, auf Resultate. Das ist auch richtig. Es muss aber auch gefragt werden, wie diese Resultate denn erreicht werden können. Es gilt, den Blick nicht nur auf das „was", sondern auch auf das „wie" der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zu richten. Qualität und Wirksamkeit sind wichtig. In einer multipolaren Welt müssen wir über nationale Grenzen hinweg die Ressourcen verschiedenster Entwicklungsakteure – in Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft, Philanthropie, Kommunalverwaltungen, Parlamenten et cetera – mobilisieren und dabei ihre Vielfalt und jeweiligen Stärken verstehen.
Genau das leistet die Global Partnership for Effective Development Cooperation. Sie ist eine eigenständige und freiwillige Allianz von 160 Ländern und mehr als 45 Organisationen, die Ende 2011 beim High-Level Forum on Aid Effectiveness in Busan ins Leben gerufen wurde (siehe D+C/E+Z 2012/01, S. 4 f.). Ihre vier übergeordneten Ziele sind:
- das politische Momentum für wirksame Entwicklungszusammenarbeit aufrecht zu erhalten und zu stärken,
- sicher zu stellen, dass Verantwortung für die in Busan vereinbarten Pflichten mit Blick beispielsweise auf Transparenz, Mittelberechnung und die Nutzung ländereigener System übernommen wird,
- Wissen und Erfahrungen auszutauschen und
- die Umsetzung der Busan-Beschlüsse auf nationaler Ebene zu unterstützen.
Die OECD (Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung) und das UN Development Programme sorgen für die Arbeitsfähigkeit der Global Partnership. Drei Ko-Vorsitzende leiten den 15-köpfigen Lenkungsausschuss, in dem Regierungen, internationale Organisationen, zivilgesellschaftliche Gruppen, Wirtschaftsverbände und Parlamentarier vertreten sind (siehe Interview mit Talaat Abdel-Malek in D+C/E+Z 2012/S. 345 ff.).
Mehrwert
Das eigentliche Potenzial der Global Partnership ist, dass sie über die gewohnten konzeptionellen Grenzen hinaus Themen aufgreifen kann, die auf den ersten Blick nichts mit Entwicklungszuammenarbeit zu tun haben. Dabei kann sie wichtige Akteure einbinden und gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf die Länderebene lenken, auf die es besonders ankommt. Das betrifft beispielsweise Steuern: Multinationale Unternehmen senken ihre Steuerlast oftmals, indem sie ihre Gewinne in Ländern mit niedrigeren Steuersätzen melden. Diese Praxis nennt man „Transfer Pricing". Sie ist legal, bedeutet aber für die ärmsten Länder erhebliche Einnahmeeinbußen – vor allem, wenn die Steuerverwaltung noch schwach ist. Wie Wasser fänden solche Steuermodelle „immer einen Weg", sagt Erik Solheim, der Vorsitzende des Development Assistance Committee der OECD. Aus seiner Sicht ist weltweite Zusammenarbeit, die einzige Möglichkeit, „das Verrinnen der Steuermittel aufzuhalten".
Geberländer können dabei eine wichtige spielen, wenn sie auf transparenter Berichterstattung von multinationalen Unternehmen sowie von Steueroasen bestehen. Entwicklungsländer wiederum können Entwicklungshilfe nutzen, um ihr Steuerwesen stärken. Es gibt bereits solide Ergebnisse. In Kolumbien bewirkten beispielsweise 15 000 Dollar Entwicklungshilfe für die Steuerverwaltung jährliche Mehreinnahmen in Höhe von 2,5 Millionen Dollar. Einschlägige Beratung im Wert von 10 000 Dollar ließ in Kenia das Steueraufkommen sogar um 12,9 Millionen Dollar steigen.
Es ermutigt zudem, wenn Geberländer Geld bereitstellen, um Ländern wie Tansania bei der strafrechtlichen Verfolgung von Korruption zu helfen. Wenn dadurch das öffentliche Finanzwesens eines Landes gestärkt wird, kann es einen erheblichen Multiplikatoreffekt geben. In der Folge werden die betreffenden Länder dann nicht nur Entwicklungshilfe sondern auch andere Finanzströme besser verwalten.
Die Global Partnership for Effective Development Cooperation wird der heutigen Wirklichkeit gerecht, wenn sie das Kerngeschäft der Entwicklungshilfe mit anderen Herausforderungen verbindet, denen Entwicklungsländer gegenübersehen – von schwachen Steuersystemen über illegale Finanzströme und Korruption bis hin zu fragiler Staatlichkeit. Die Mittel der Global Partnership sind dabei:
- die Vermittlung von Erfahrungswissen (etwa über die Erfolge in Kolumbien und Kenia)
- die Mobilisierung von Unterstützung für notwendige Reformen und
- die Verknüpfung nationaler mit internationaler Verantwortlichkeit in der Entwicklungszusammenarbeit.
All das geht nicht nur Regierungen von Entwicklungsländern etwas an. Es betrifft gesamte Nationen, einschließlich Zivilgesellschaft und Privatsektor. Es dient dem Ziel besserer Entwicklungszusammenarbeit, wenn ein politischer Raum für die Auseinandersetzung sämtlicher relevanter Akteure über diese Dinge geschaffen wird. Es ist sinnvoll, kontinuierlich und breit angelegt darüber zu diskutieren, wie Kooperation verbessert und wie die Beteiligten zur Verantwortung gezogen werden können. Es mag schwer fallen, ist aber nötig.
In den nächsten Monaten wird es mehrere Gelegenheiten geben, diese Bemühungen zu intensivieren. Zwei Beispiele will ich hier nennen:
- Ende Januar wird die Global Partnership eine Veranstaltung über Unternehmertum und Entwicklung auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos organisieren. Zwei Ko-Vorsitzende der Global Partnership – die nigerianische Finanzministerin Ngozi Okonjo-Iweala und die britische Entwicklungsministerin Justine Greening werden Spitzenmanagern die Eine-Million-Dollar-Frage stellen: Wie erkennen Sie Chancen, die sowohl dem jeweiligen Entwicklungsland als auch dem gewinnorientierten Privatsektor etwas bringen? Solch eine Veranstaltung hat es noch nie gegeben.
- Nächses Jahr wird die Global Partnerhip ihr erstes High-Level Meeting in Mexiko-Stadt abhalten. Hunderte Minister und entwicklungspolitische Führungskräfte aus aller Welt werden zusammenkommen, um die Fortschritte seit Busan zu bilanzieren. Bei der Bestandsaufnahme werden sich ein Kontrollsystem auf der Basis von zehn Indikatoren sowie weitere Datenquellen als nützlich erweisen.
In Mexiko werden Mitglieder der Global Partnership obendrein Maßnahmen mit Blick auf einige Themen ergreifen, die für die Realisierung der Busan-Vision von 2001 wichtig sind. Besonderes Augenmerk verdienen dabei folgende Fragen:
- Wie kann die Entwicklungszusammenarbeit die heimische Mobilisierung von Ressourcen und privaten Investitionen fördern?
- Wie überwinden Länder mittleren Einkommens, die von Empfänger- zu Geberländern werden, die Armut?
- Wie können Wissenssaustausch, Süd-Süd-Kooperation und Dreieckskooperation die herkömmliche Geberagenda ergänzen?
Das erste High-Level Meeting der Global Partnership wird mehr als nur eine weitere Fachkonferenz sein. Es wird die in Busan eingegangenen Verpflichtungen verstetigen und gleichzeitig zeigen, was die Global Partnerhip im Einzelfall konkret bewirken kann.
Strahlendes Leitbild
Neue Allianzen wie die Global Partnership for Effective Development Cooperation fügen all jene Puzzleteile zusammen, die für wirksame Entwicklungshilfe notwendig sind. Als flexibles und offenes Forum ist die Global Partnership in der Lage, Raum für Innovation zu schaffen. Sie ist so gestaltet, dass sie Koalitionen der Willigen ermutigt, die Führung zu übernehmen. Die Partnerschaft genießt dabei die Unterstützung internationaler Schlüsselorganisationen und kann Politiker und Entscheidungsträger zusammenbringen, um notwendige Maßnahmen in drängenden Angelegenheiten zu ergreifen.
Sie mag manchmal wie ein schaukelndes Boot wirken, aber die Global Partnership bricht zu neuen Ufern auf. Sie steht allen entwicklungspolitischen Akteuren aus Nord und Süd offen und hilft ihnen, ganz unterschiedliche Entwicklungsgewässer zu befahren, um zu erkunden, was Entwicklungszusammenarbeit vor Ort und im internationalen Kontext bewirken kann. Die Global Partnership überlässt den Entwicklungsländern das Steuer und baut auf den bereits gesammelten Erfahrungen auf. Sie bietet einen Horizont gemeinsamer Grundsätze und spiegelt gleichzeitig die Komplementarität der Akteure wider. Sie erlaubt allen, auf eigene und spezifische Weise zu segeln – und zwar zusammen.
Brenda Killen arbeitet für die die OECD.
brenda.killen@oecd.org