Regionale Integration
Vertrackte Verhandlungen
[ Von Günther Taube und Hauke Broecker ]
Seit 2001 laufen die Verhandlungen über die EPAs zwischen der EU und den regionalen Blöcken der AKP-Staaten. Mit diesen Verhandlungen begann ein neues Kapitel in den Beziehungen der EU mit den ehemaligen Kolonien ihrer Mitgliedsstaaten, die zuvor im Lomé-Abkommen geregelt worden waren. DiesemAbkommen zufolge genossen die AKP-Staaten einseitigen, präferentiellen Zugang zum europäischen Markt. Zudem wurden ihre Exporterlöse versichert. Dennoch blieb der Erfolg begrenzt: Der Anteil der AKP-Staaten am Handel mit der EU blieb klein und nahm im Laufe der letzten Jahrzehnte sogar noch ab. Außerdem widersprachen die handelspolitischen Vereinbarungen des Lomé-Vertrages den Regeln der WTO, insbesondere wegen den von der EU einseitig gewährten Handelspräferenzen.
Die EPAs setzen daher auf einen neuen, breiteren Ansatz, der handels- und entwicklungspolitische Ziele miteinander verbindet. Das Ergebnis der Verhandlungen muss mit den Regeln der WTO kompatibel sein und die Diskriminierung von Handelspartnern verbieten. Dennoch ist es erlaubt, im Rahmen der regionalen Integration tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse abzubauen, ohne diese Vorteile gleich sämtlichen WTO-Mitgliedern gewähren zu müssen. Entsprechend sind auch Abkommen zwischen der EU und anderen Staatenblöcken möglich.
So versuchen die EU und ihre Mitgliedsstaaten denn auch im Rahmen der EPA-Verhandlungen und durch Vorhaben im Rahmen der Strategie „Aid for Trade“ (AfT)
– die Produktions- und Handelskapazitäten der AKP-Staaten zu verbessern,
– die regionale Integration durch Abbau von innerregionalen Handelshemnissen zu fördern,
– Anpassungsmaßnahmen zu finanzieren und
– Verhandlungskapazitäten zu stärken.
Die deutsche Entwicklungspolitik leistet dabei wichtige Beiträge. Sie tut das nicht nur durch ihren Anteil an der EU-Entwicklungszusammenarbeit, sondern auch durch bilaterale Vorhaben. Dazu gehören unter andrem Weiterbildungs- und Dialogprogramme, die InWEnt im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) durchführt.
Der Stand der Dinge
Ursprünglich lautete das Ziel, spätestens 2007 EPAs zwischen der EU und sechs regionalen Blöcken der AKP-Staaten (südliches und östliches Afrika, südliches Afrika/SADC, westliches Afrika/ECOWAS, Zentralafrika/CEMAC, Karibik/CARIFORUM, Pazifik) abzuschließen. Es wurde verfehlt. Bisher hat die EU lediglich mit den Staaten des CARIFORUM ein umfassendes EPA abgeschlossen.
Mit den Mitgliedsländern der anderen regionalen Staatenbünde wurden bilaterale Interimsabkommen angestrebt, die bis zum Abschluss eines umfassenden EPA gelten sollen. Ihre Reichweite ist sehr unterschiedlich. So haben etwa alle Staaten der ostafrikanischen EAC solchen bilateralen Interimsabkommen zugestimmt. Im Fall von ECOWAS, CEMAC und den pazifischen Staaten haben sich aber jeweils etwa nur ein Fünftel der Mitglieder auf Interimsabkommen mit der EU eingelassen.
Wichtige Streitpunkte sind in den Verhandlungen mit den verschiedenen Blöcken bislang ungelöst geblieben. Interessengegensätze spielen dabei eine Rolle, es hat sich aber auch gezeigt, dass die meisten regionalen Blöcke und ihre Mitglieder nicht über die nötigen Kapazitäten verfügen, um komplizierte und weitreichende Handelsverträge mit der EU auszuhandeln.
Der wichtigste Konfliktpunkt in den meisten Verhandlungen betrifft die wirtschaftlichen Folgen von reziproken Handelsbeziehungen zwischen der EU und den AKP-Staaten. Verschiedene wissenschaftliche Studien haben diese Folgen abgeschätzt. Solche Schätzungen sind zwar angesichts des unterschiedlichen Entwicklungniveaus der AKP-Staaten schwierig, dennoch legen die Studien einige wichtige Schlüsse über die handelsschaffenden und –umlenkenden Effekte von wirtschaftlichen Integrationsbemühungen in den AKP-Regionen nahe. Handelsschaffung gilt dabei durchweg als positiv, weil die Wohlfahrt der beteiligten Länder steigt. In der Theorie profitieren die Konsumenten durch die Einfuhr günstigerer Produkte und die Produktionsfaktoren der gesamten Region werden effizienter eingesetzt. Handelsumlenkung gilt dagegen als negativ, weil ineffiziente Produzenten in der Region gegenüber externen Wettbewerbern begünstigt werden. Die Studien kommen vornehmlich zum Ergebnis, dass die Effekte aus Handelsschaffung überwiegen. Langfristig können sich zudem zusätzliche dynamische Effekte einstellen. Dazu gehören unter anderem der Transfer von Wissen und Technologie, bessere Absatzchancen und eine höhere Attraktivität für Direktinvestitionen. Relevant ist auch das, was Ökonomen „Skaleneffekte“ nennen – nämlich niedrigere Stückkosten bei höherem Produktionsoutput.
All diese Argumente sprechen für den Abschluss von EPAs. Auf mittlere und lange Sicht bringt liberalerer Handel Vorteile. Für die Regierungen der AKP-Staaten spielen aber mögliche Belastungen ihrer Volkswirtschaften – zumindest kurzfristig - die größere Rolle. Zu den potenziellen Ursachen von Anpassungskosten gehören insbesondere
– die Anpassung von Produktion und Beschäftigung,
– der Verlust von Zolleinnahmen verbunden mit der Notwendigkeit die Steuersysteme zu reformieren,
– der Aufwand für die Einführung von handelserleichternden Maßnahmen,
– die Kosten für Programme zur Exportdifferenzierung und
– die Finanzierung von Maßnahmen für Weiterbildung und Stärkung der institutionellen Kapazitäten.
Neben der Handelsliberalisierung ist das zweite Ziel der EPAs die Stärkung regionaler Integrationsprozesse. Alle Parteien erkennen regionale Integration als wichtigen Baustein der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung an. Dennoch gehen die Ansichten über den Einfluss der EPAs auf die regionale Integration auseinander. Das liegt unter anderem am komplizierten Prozess der regionalen Integration in den unterschiedlichen Regionen. Besonders südlich der Sahara herrscht ein kompliziertes Geflecht zahlreicher regionaler Organisationen mit teilweise überlappender Mitgliedschaft. Das macht regionale Integration nicht nur ineffizient, sondern erschwert auch die Abstimmung auf gemeinsame Positionen und Ziele.
Aid for Trade
Mit Blick auf die potentiellen negativen EPA-Folgen für die Wirtschaft von AKP-Staaten haben deren Regierungen zahlreiche Forderungen erhoben, auf die die EU teilweise in den Verhandlungen bereits eingegangen ist. Die EU hat sich grundsätzlich zu einer stärkeren Berücksichtung der finanziellen Folgen von EPAs bekannt und entsprechende Kapitel in die Abkommenstexte integriert. So versprach die EU beispielsweise im Rahmen des 10. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) für die Zeitspanne 2008 bis 2013 insgesamt 22,7 Milliarden Euro für Entwicklungsmaßnahmen zur Verfügung (nach 13,5 Milliarden Euro im 9. EFF für die Jahre 2002 bis 2007).
Darüber hinaus beschloss der Europäische Rat 2006, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten von 2010 an jährlich zwei Milliarden Euro für die handelsbezogene Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der AfT-Strategie aufbringen sollen. Vor diesem Hintergrund strebt die deutsche bilaterale Entwicklungspolitik eine Ausweitung von AfT-Aktivitäten an, um den erforderlichen Anteil zur Umsetzung der europäischen Ziele erbringen zu können.
InWEnt leistet mit seinen Programmen zur Förderung von Weiterbildung, Dialog und Netzwerkbildung in Partnerländern dazu einen Beitrag. Im Auftrag des BMZ fördert InWEnt beispielsweise regionale Integrationsbestrebungen im südlichen und östlichen Afrika sowie in der Karibik. Die Sekretariate der Regionalorganisationen SADC und EAC werden durch Weiterbildungsmaßnahmen für Fach- und Führungskräfte unterstützt, wobei neben der fachlichen Weiterbildung immer auch die Stärkung von Verhandlungstechniken und Managementkapazitäten im Vordergrund steht.
Darüber hinaus stärkt InWent Netzwerke und Mechanismen zur Handelsförderung in Afrika, Asien und der Karibik. Im südlichen Afrika werden durch das Weiterbildungsprogramm "Global Trade - New Challenges for Customs Policy and Administration" Fach- und Führungskräfte aus Zollverwaltungen und -politik der Mitgliedsstaaten von SADC und EAC dabei unterstützt, die nationalen und regionalen Zollsysteme effizienter zu machen und sie für die Herausforderungen der Globalisierung und Handelsliberalisierung besser zu wappnen.
Relevant sindauch Programme von InWEnts Internationalem Institut für Journalismus (IIJ), die seit vielen Jahren zum Beispiel Journalisten aus der gesamten ECOWAS-Region fortbilden. Der Erfolg der regionalen Integration hängt schließlich auch von kompetenter Medienberichterstattung ab. Nur wenn die Menschen wissen, worum es geht und welche Erwartungen sie hegen können, werden stabile Institutionen entstehen.