Kommentar
Zwei weitere Sorgen
Von Olayinka Oyegbile
Für viele kam der Putsch gegen die Regierung von Präsident Amadou Toumani Touré in Mali kurz vor dem verfassungsgemäßen Ende seiner Amtszeit gänzlich unerwartet. Kritische Beobachter überraschte der Aufstieg des bis dahin unbekannten Captain Amadou Sanogo jedoch nicht.
Vor Tourés Sturz hatte es ernste Unruhen im Militär und in der Bevölkerung wegen der Aktivitäten der Tuareg-Rebellen und der enormen Dürre gegeben. In den Augen vieler Malier unternahm die Regierung nicht genug dagegen.
Entscheidend für Tourés Amtsenthebung war wohl – neben vielen anderen Faktoren – der Eindruck, dass seine Regierung die Armee während des Tuareg-Aufstands nicht genug unterstützte. Die Rebellen schienen besser ausgerüstet zu sein, und sie gewannen immer wieder die Oberhand. Zudem wurden sie von gut bewaffneten und hervorragend ausgebildeten Söldnern des ehemaligen libyschen Diktators Muammar Gaddafi unterstützt.
Gaddafis Sturz könnte Tourés Sturz auch in anderer Hinsicht beschleunigt haben. Der autokratische Führer Libyens war ein Alliierter und wichtiger Unterstützer Tourés, und man weiß, dass er die Ölschätze seines Landes nutzte, um verschiedene afrikanische Regierungen und Rebellenbewegungen zu finanzieren. Manche glauben, Touré wäre nicht gestürzt worden, wenn Gaddafi noch an der Macht wäre.
Über Tourés Sturz hinaus jedoch at die Militärjunta wenig erreicht. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) missbilligte den Putsch als Rückschlag auf Afrikas Weg zur Demokratie. Die Regionalorganisation möchte das nicht hinnehmen und befahl der Junta, zurückzutreten. Formell wurde die Macht an den Sprecher des malischen Parlaments, Dioncounda Traoré, übergeben. Er ist nun Interimspräsident.
Die ECOWAS hat schon öfters versucht, Staatsstreiche in der Region zu unterdrücken, meist aber eher beratend. Auch in den Bürgerkrieg in Sierra Leone griff sie ein. In Mali hat sie bisher aber wenig erreicht. So entschied die ECOWAS zwar als Antwort auf den Putsch, rund 3000 Soldaten nach Mali zu schicken, um den Machtwechsel zur zivilen Übergangsregierung zu sichern. Allerdings setzte sie kein klares Datum für den Einsatz der Truppen. Im Moment regiert also offiziell der Übergangspräsident – tatsächlich aber ist der Süden des Landes in Händen der Militärjunta, den Norden kontrollieren die Tuareg-Rebellen.
Kurz vor Redaktionsschluss im Mai wurde der Übergangspräsident in seinem Büro überfallen und verletzt. Bewusstlos geprügelt, musste er schnellstens ins Krankenhaus gebracht werden. Das war peinlich für die Regierung und ein Affront gegen die ECOWAS.
Ein Sprecher der ECOWAS, Sunny Ugoh, sagte kürzlich gegenüber Journalisten: „Wir sind schockiert, dass das keine 24 Stunden, nachdem eine Delegation der ECOWAS sich mit dem Militär geeinigt hatte, geschah.“ Ihm zufolge diskutieren die Regierungen der Region nun, wie sie reagieren sollen. Auch über Sanktionen werde nachgedacht.
Dieser Ansatz ist nicht neu. Die ECOWAS spricht schnell über Sanktionen, sobald ein Mitgliedsland ihren Verhaltenskodex missachtet. Derartige Debatten sind jedoch meist unergiebig, da auch einige der ECOWAS-Mitgliedsländer von Personen geführt werden, die sich selbst an die Macht geputscht haben – wie Yahaya Jammeh in Gambia und Blaise Compaore in Burkina Faso.
Um Sanogo zur Machtaufgabe zu bewegen, akzeptierte die ECOWAS dessen Forderung, den Titel „früherer Staatschef“ samt allen damit verbundenen Privilegien zu behalten – und das, obwohl er auf unredliche Weise an die Macht gekommen war und das Land offiziell nur drei Wochen lang regierte. Es mag sinnvoll erscheinen, den Abgang eines unerwünschten Machthabers zu erleichtern. Aber es ist absurd, einen Armeeoffizier dafür zu belohnen, dass er eine gewählte Regierung gestürzt hat.
Afrika braucht Demokratie. Die ECOWAS muss ihre regionale Verantwortung annehmen, das ist Herausforderung genug. In Mali sieht es heute wesentlich schlechter aus als in den letzten Jahren. Neben dem Militärputsch hat das Land zwei weitere große Sorgen: den Aufstand der Tuareg und die Dürre. Bisher hat die ECOWAS nicht angemessen darauf reagiert – und die übrige internationale Gemeinschaft auch nicht.