Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Deutsche Entwicklungspolitik

“Africa must unite”

Regionale Integration ist kein Selbstzweck. Enge Kooperation mit Nachbarländern steigert die Entwicklungschancen und kann die Lebensbedingungen der Menschen verbessern. Dass es südlich der Sahara mittlerweile anerkannte Institutionen gibt, ist ein gutes Zeichen.


[ Von Gudrun Kopp ]

„Africa must unite“ – Afrika muss sich vereinigen. Dieser Leitspruch erscheint, sobald man die Internetseite der Afrikanischen Union (AU) aufruft. Gleichzeitig fügen sich die Umrisse aller afrikanischen Länder wie Puzzlesteine ineinander und formen den Kontinent. Was da scheinbar ganz einfach zusammengeführt wird, sind 53 Länder mit über 2000 Sprachen und über 40 Währungen. Afrika ist der zweitgrößte Kontinent der Welt und besteht aus mehr Ländern als jeder andere. Viele dieser Länder übertreffen Deutschland an Größe um ein Vielfaches. Doch ihre Märkte sind klein. 24 Länder südlich der Sahara haben weniger als zehn Millionen Einwohner, das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt (BIP) westafrikanischer Staaten (ohne Nigeria) beträgt nur circa 0,16 Prozent des deutschen BIP.

In Afrika finden lediglich zehn Prozent des Handels zwischen afrikanischen Staaten statt. In Südostasien macht dieser intraregionale Handel schon 50 Prozent aus, in der EU sogar 74 Prozent. Hier kann Afrika noch aufholen. Es liegt auf der Hand, dass an einer besseren regionalen Integration kein Weg vorbeiführt.

Die AU hat sich dieses Ziel gesetzt. Ihre Vision ist „ein integriertes, wohlhabendes und friedliches Afrika, ein von den eigenen Bürgern und Bürgerinnen getragenes Afrika, das als dynamische Kraft auf der globalen Bühne wirkt“. Dies zeigt, dass regionale Integration verschiedene Aspekte anspricht, allen voran Frieden und Sicherheit, gute Regierungsführung und wirtschaftliche Entwicklung und Handel.

Für all das ist Afrika inzwischen gut aufgestellt. Mit der 2002 gegründeten Afrikanischen Union sowie ihren wichtigsten Organen – insbesondere der Kommission, dem Panafrikanischen Parlament und dem Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte – gibt es ein Forum für panafrikanische Politik. Mit der unter Präsident Donald Kaberuka gestärkten Afrikanischen Entwicklungsbank hat der Kontinent eine eigene ökonomische Institution, die als Motor für die wirtschaftliche Entwicklung fungieren kann. Regionale Gemeinschaften dienen zudem als wichtige Bindeglieder zwischen nationalen Politiken und panafrikanischen Bemühungen.

Doch noch sehen sich AU und regionale Gemeinschaften nicht gänzlich in der Lage, die ihnen zugedachten Rollen voll auszufüllen. Die deutsche Entwick­lungszusammenarbeit unterstützt daher die Integrationsbemühungen auf regionaler und kontinentaler Ebene. Die Schwerpunkte der Zusammenarbeit umfassen so unterschiedliche Bereiche wie gute Regierungsführung, Frieden und Sicherheit, grenzüberschreitendes Wassermanagement, Handel, regionale wirtschaftliche Integration, Energie und Management natürlicher Ressourcen. Was das konkret bedeutet, wird im Folgenden erläutert.

Zusammenarbeit mit der AU

Im Koalitionsvertrag ist festgehalten: „Für eine dauerhafte Stabilisierung des Kontinents setzen wir auf eine starke Afrikanische Union als wichtigen Baustein afrikanischer Eigenverantwortung.“ Aus diesem Grund hat das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Ende letzten Jahres in den Regierungsverhandlungen mit der AU-Kommission die Mittel mehr als verdoppelt und 30 Millionen Euro für das nächste Jahr zugesagt. Das Geld soll insbesondere zur Stärkung der Institutionen eingesetzt werden – denn starke panafrikanische Institutionen sind für die Entwicklung des Kontinents unerlässlich. Die deutsche Entwicklungspolitik richtet ihre Zusammenarbeit dabei immer an den Strategien der Partner aus. Bei unserer Arbeit orientieren wir uns zudem an der Implementierung der gemeinsamen EU-Afrikastrategie.

Den traditionellen Schwer­punkt der Kooperation mit der AU bildet der Bereich „Frieden und Sicherheit“. Hier arbeiten wir eng mit dem in diesem Bereich federführenden Ressort des Auswärtigen Amtes zusammen. Voraussetzung für die Aufnahme der Entwicklungszusammenarbeit war das AU-Mandat zum Aufbau der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur (African Peace and Security Architecture APSA) sowie die Lockerung des Prinzips der Nichteinmischung. Die ersten AU-Friedensmissionen in Darfur/Sudan, in Somalia und auf den Komoren und die Suspendierung der AU-Mitgliedschaft von Mauretanien, Guinea und Madagaskar nach Putschen im Jahr 2008 sind deutliche Zeichen dafür, dass die AU es ernst meint mit ihrem erweiterten Mandat.

Wir beraten die Abteilung für Frieden und Sicherheit der AU-Kommission und begleiten strategische Prozesse. Es geht vordringlich um die Vermeidung bewaffneter Konflikte, unter anderem durch den Aufbau von Konfliktfrühwarnsystemen auf kontinentaler und regionaler Ebene und die Stärkung afrikanischer Mediationsstrukturen. Im Ausbildungszentrum für Friedenseinsätze wurden 300 künftige Teilnehmer an afrikanischen Friedensmissionen auf ihre gemeinsamen Einsätze vorbereitet.

Positiv ist, dass unser Engagement im Bereich „regionale/panafrikanische Wasserpolitik“ sich seit 2008 auf die AU-Deklaration zur Verstärkung der regionalpolitischen Anstrengungen in diesem Sektor stützt – also zusätzlichen Rückenwind bekommen hat. Neu ist auch der Einstieg im Bereich „regionale wirtschaftliche Integration“. Damit soll insbesondere die grenzüberschreitende Infrastruktur vorangebracht werden, die eine wesentliche Voraussetzung für wirtschaftliche Integration und Handel ist.

Ein ermutigendes Beispiel afrikanischer Eigenverantwortung und Rechenschaftspflicht ist der inzwischen gut etablierte Bewertungs- und Beurteilungsprozess „African Peer Review Mechanism“ (APRM), den Deutschland insbesondere über das APRM-Koordinierungssekretariat unterstützt. Mit dem APRM haben sich die Länder der AU auf ein politisch sehr anspruchsvolles Verfahren der gegenseitigen Bewertung ihrer Regierungsführung verständigt. Dieses Instrument zeigt: Afrika erkennt seine Probleme und findet eigene Wege zu ihrer Lösung.

Zusammenarbeit mit den Regionalorganisationen

Die afrikanischen Regionalorganisationen sind das Rückgrat regionaler Integration und ohne sie würde das wichtige Scharnier zwischen panafrikanischen Politiken und nationalen Politiken fehlen. Ihnen kommt neben ihrer regionalen Funktion auch eine entscheidende Rolle bei der Implementierung und Umsetzung panafrikanischer Initiativen zu.

Viele Fachleute haben noch immer das Bild einer „Spaghettischüssel“ vor Augen, wenn sie an die Regionalorganisationen denken: überlappende Mitgliedschaften und Mandate, eine kaum zählbare Masse an Regionalorganisationen. Inzwischen lichtet sich jedoch das vermeintliche Chaos: Kontinentweit gibt es acht von der AU anerkannte afrikanische Regionalorganisationen. Hinzu kommen für bestimmte Themenbereiche wie Wasser und Energie weitere überstaatliche Institutionen. Noch immer gibt es jedoch Unklarheiten und Doppelmitgliedschaften und manche Regionalorganisationen verfügen nur über schwache Kapazitäten.

Deutschland verfolgt daher einen selektiven Ansatz und arbeitet mit den Organisationen, mit denen eine Zusammenarbeit strategisch sinnvoll erscheint. Dazu zählen unter anderem die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas SADC, die Ostafrikanische Gemeinschaft EAC, die westafrikanische Wirtschaftgemeinschaft ECOWAS, die zentralafrikanische Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft CEMAC und die Internationale Konferenz der Große Seen Region ICGLR. Am Beispiel von SADC soll näher beleuchtet werden, wie eine solche Zusammenarbeit ausgestaltet wird.

Bei den letzten Regierungsverhandlungen wurde das Ziel vereinbart, den Integrationsprozess systematisch zu stärken. SADC wird darin unterstützt, die von der AU und der Initiative New Partnership for Afri­can’s Development (NEPAD) von ihr erwartete Trägerfunktion für panafrikanische Prozesse bzw. die seitens der Mitgliedstaaten erwartete Führungsrolle als Initiator und Koordinator der regionalen Integration eigenverantwortlich, effektiv und effizient auszuüben. Im Zentrum der Bemühungen stehen Marktintegration sowie Handels- und Wirtschaftsliberalisierung. Diese Bereiche sollen als Kernstück der Agenda für eine tiefere regionale Integration gestärkt werden. Dabei werden auch strukturelle Hemmnisse wie etwa die Doppelmitgliedschaft von SADC und der wenig ausgeprägte intraregionale Handel thematisiert.

Weiterhin soll das Sekretariat (und nachgelagerte Institutionen) dazu befähigt werden, Koordinierungs- und Steuerungsfunktionen, etwa beim grenzüberschreitenden Wassermanagement sowie bei Schutz und Nutzung natürlicher Ressourcen, besser ausfüllen zu können. Im Bereich „Frieden und Sicherheit“ wird das zuständige Direktorat institutionell gestärkt und hinsichtlich einer besseren Kooperation mit der AU, des Aufbaus einer zivilen Komponente im regionalen Frieden- und Sicherheitssystems und der Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität beraten.

Ausblick

Für die Entwicklung Afrikas ist eine weitere regionale Integration unausweichlich. Ein langes Stück auf diesem schwierigen Weg haben die afrikanischen Staaten schon zurückgelegt. Allein die Tatsache, dass es heute anerkannte, funktionierende Institutionen gibt, ist Grund zu Optimismus und erleichtert auch uns die Zusammenarbeit. Die jüngsten Entwicklungen stimmen weiter optimistisch: Vor gut einem Monat hat die ostafrikanische Gemeinschaft EAC ein Protokoll zu einem gemeinsamen Markt geschaffen.

Trotz dieser zum Teil beachtlichen Erfolge bleibt noch viel zu tun. Die institutionellen Kapazitäten von AU und Regionalorganisationen sind noch schwach. Einmal getroffene Beschlüsse werden nur langsam und zögerlich umgesetzt. National vordergründige Interessen können nur schwer überwunden werden. Ein afrikanischer Politiker fasste das Dilemma auf einer Tagung zur regionalen Integration kurz aber klar zusammen: „Elections are won locally not regionally.“

Dies ist ein weltweites und allen Politikern bekanntes Dilemma. Regionale Integration gibt es nicht umsonst. Ihre Umsetzung erfordert manches Mal schmerzhafte Einbußen nationaler Kompetenzen. Das haben gerade wir Europäer im Zuge der europäischen Integration erfahren. Regionale Integration kann nur gelingen, wenn der Nutzen und der konkrete Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich spürbar wird. Regionale Integration ist kein Selbstzweck und darf kein Elitenprojekt sein. Sie soll die Entwicklungschancen und Lebensbedingungen der Menschen konkret verbessern, durch den Ausbau des Handels, größere politische Stabilität und kostengünstigere Wasser- und Energieversorgung.

Dazu muss auch die Gebergemeinschaft ihre Beiträge leisten und flexibel auf Nachfragen zur Unterstützung regionaler Prozesse und Investitionen reagieren. In diesem Zusammenhang unterstützt Deutschland insbesondere auch das Engagement der EU und der afrikanischen Entwicklungsbank zur Finanzierung grenzüberschreitender Infrastruktur.

Deutschland kann viel zur regionalen Integration beitragen. Als EU-Mitgliedsstaat haben wir viel Erfahrung darin, wie man erfolgreich Integration realisiert. Als entwicklungspolitischer Geber können wir mit unserem Instrumentarium auf allen drei Ebenen – national, regional und kontinental – agieren.

Africa must unite. Weder unsere Partner in Afrika noch wir Entwicklungspolitiker dürfen die komplexen Diskussionen fürchten und die vermeintlich einfacheren nationalen Lösungen vorziehen. Die Komplexität regionaler Integration ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.

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