Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Verein Future of Ghana

Schwarze Menschen sichtbar und stark machen

„Wir machen Schwarze Menschen dort sichtbar, wo sie nicht sichtbar sind“, lautet das Motto von Future of Ghana (FoG) Germany. Der Verein findet, dass Schwarze Menschen in Deutschland nicht genug repräsentiert sind. Das „S“ in schwarz ist bewusst groß­geschrieben, um einen emanzipatorischen Widerstand zu zeigen. Was FoG erreichen möchte, erklärt Mitarbeiterin Daisy Tanja Scheffler E+Z/D+C.
Daisy Tanja Scheffler (2.v.r.) im Gespräch mit teilnehmenden Schülerinnen eines Medienkompetenz-Workshops von Future of Ghana, der von der Telekom, Stiftung gefördert wurde. Alexandra Pretzer Daisy Tanja Scheffler (2.v.r.) im Gespräch mit teilnehmenden Schülerinnen eines Medienkompetenz-Workshops von Future of Ghana, der von der Telekom, Stiftung gefördert wurde.

An wen richtet sich Ihr Verein?
Wir richtet uns an alle Menschen, die an der Afro-Deutschen Community, der afrikanischen Diaspora, interessiert sind – egal, ob Alt oder Jung, ob Schwarz oder Weiß. Wir sind sehr offen, da wir unterschiedliche Projekte haben, die auch unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Der Fokus liegt aber auf jungen Menschen mit afrikanischen Wurzeln. Aktuell sind wir vor allem in Hamburg, Berlin und Hannover aktiv.

Eines Ihrer Projekte heißt Vorbilder. Wie funktioniert das?
Vorbilder ist ein Mentoring-Projekt. Das bedeutet, dass wir für Schwarze Kinder und Jugendliche Mentoren finden, sie in einem Zeitraum von einem Jahr regelmäßig begleiten. Das läuft in erster Linie über Freizeitaktivitäten. Dabei geht es viel um Empowerment. Wir wollen den Kindern und Jugendlichen eine Bezugsperson und ein Vorbild geben, das ihnen auch in beruflicher Hinsicht neue Möglichkeiten aufzeigen kann. Ziel ist es, den Horizont der jungen Leute zu erweitern.

Wer sind die Mentorinnen und Mentoren?
Die Idee ist: Schwarze Mentoren für Schwarze Mentees. Wir glauben, dass die Jugendlichen Mentoren brauchen, die die kulturellen Schwierigkeiten und die Herausforderung zu Hause mit den Eltern ebenso verstehen wie die strukturelle Diskriminierung, der die Jugendlichen ausgesetzt sind. Dabei versuchen wir darauf zu achten, dass Mentor und Mentee einen ähnlichen Hintergrund haben. Die ersten Mentoren haben wir über den Freundes- und Bekanntenkreis rekrutiert, und dann hat sich das relativ schnell herumgesprochen. Mittlerweile melden sich auch viele über unsere Social-Media-Kanäle.

Welche anderen Projekte setzen Sie um?
Die Idee ist immer, zu fördern. Das Projekt Berufsorientierung schließt insofern an das Vorbilder-Projekt an. Dabei geht es um Karriereberatung, für die wir verschiedene Formate haben – Berufsmessen, Firmenbesuche und Stipendien etwa oder ein Berufscoaching sowie Bewerbungstrainings. Wir arbeiten hierbei viel mit Unternehmen zusammen und versuchen Kontakte zu vermitteln. Beim Projekt Business wiederum geht es vor allem darum, junge Schwarze Menschen mit anderen Gründern zu vernetzen – egal, ob sie noch ganz am Anfang stehen oder schon ein eigenes Unternehmen oder eine Organisation gegründet haben. Hier geht es vor allem um den Austausch, und wir bieten Workshops an, um Gründerinnen und Gründer bei der Weiterentwicklung ihrer Geschäftsidee zu unterstützen. Insgesamt geht es bei unseren Projekten im Grunde immer darum, die wirtschaftliche und soziale Stellung der Schwarzen in der Gesellschaft zu verbessern. Und wir möchten Vorurteile gegen Schwarze Menschen entkräften.

Ihr Vereinsname ist Future of Ghana Germany. Welchen Bezug gibt es zu Ghana?
Der Name kommt von unserem Schwesterverein Future of Ghana in England. Allerdings wollen wir in Deutschland ein Verein für die ganze Schwarze Community sein. Vor unserer Gründung 2017 hatte Initiatorin Lucy Larbi dort an verschiedenen Veranstaltungen teilgenommen und sich überlegt, dass wir auch in Deutschland so etwas brauchen, weil Schwarze Menschen hier oft nicht gesehen werden, ihr Potenzial nicht genutzt wird und auch der Zusammenhalt in der Community nicht so gut ist. Daraufhin hat sie einen Aufruf auf Facebook gestartet, und es hat sich eine Gruppe gefunden. Den Bezug zu Ghana sieht man auch im Team. Von zwölf Mitgliedern im Kernteam haben elf einen ghanaischen Hintergrund und eines einen nigerianischen. Bei den Mitgliedern ist das gemischter.

Wie startete der Verein?
Parallel zur Gründung entstand auf Initiative von Lyn Birago, die damals Sonderpädagogik studierte, das Vorbilder-Projekt. Es war das erste, das anlief, und ist bis heute das größte Projekt. Lyn war damals Schulbegleiterin an einer Hamburger Schule und merkte, dass viele Kinder gar nicht an sich glauben. Sie meinen, dass sie das Abitur und nicht mal den Hauptschulabschluss schaffen. Im Gespräch mit Lehrerinnen und Lehrern hat Lyn Birago dann festgestellt, dass viele der Schwarzen Kinder einen vermeintlichen Förderbedarf haben. Daraufhin hat sie andere Schwarze – unter anderem auch mich – angesprochen und gefragt ob wir die Schülerinnen und Schüler unterstützen könnten.

Hat Ihre Arbeit hier in Deutschland Auswirkungen auf Ghana?
Es gab schon eine Delegationsreise und eine Einladung zum Ländergespräch Ghana des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), um Rahmenbedingungen und Ziele der deutschen Zusammenarbeit mit Ghana zu erörtern. Im kommenden Jahr soll es weitere Austausche geben. Außerdem unterstützen viele von uns privat irgendwelche Organisationen oder Unternehmen in Ghana.

Sie unterstützen aus der Diaspora heraus auch die Gründung von Firmen in Ghana und Kamerun?
Ja, dabei arbeiten wir mit der GIZ zusammen, die das WIDU-Projekt des BMZ umsetzt (siehe Monitor von Sabine Balk im e-Paper 2020/11). Hintergrund ist, dass viele Migranten Geld in ihre Herkunftsländer schicken. Über die Onlineplattform WIDU.africa legen Menschen in der Diaspora und Menschen im Herkunftsland Geld für eine Businessidee im Entwicklungsland zusammen. Das gespendete Geld wird von der deutschen Regierung aufgestockt, um ein Start-up oder ein Kleinstunternehmen in Ghana zu unterstützen. Diesen Prozess begleiten wir online und bieten Workshops dazu an.

Was betrachten Sie als besonderen Erfolg?
Uns gibt es ja erst seit 2017. In dieser relativ kurzen Zeit haben wir Strukturen geschaffen – von Personalstellen bis zu einem eigenen Büro – und haben sehr viele Ehrenamtliche gewonnen. Im Mentoring-Projekt haben wir mehr als 80 Patenschaften vermittelt. Da sind wir sehr schnell gewachsen. Obwohl wir bis auf eine feste Stelle und ein paar Minijobs nur mit Ehrenamtlichen arbeiten, arbeiten wir sehr beständig. Für unser Vorbilder-Projekt haben wir dieses Jahr sogar den Hidden Movers Award der Deloitte-Stiftung gewonnen. Ein weiteres Highlight war ein Gespräch mit dem Vizepräsidenten Ghanas darüber, wie die Diaspora in Deutschland die wirtschaftliche sowie soziale Weiterentwicklung Ghanas unterstützen kann.

Welchen Schwierigkeiten sind Sie begegnet?
In den ersten zwei Jahren hatten wir so gut wie kein Geld. Und beim Vorbilder-Projekt mussten wir immer wieder erklären, warum wir nur Schwarze Menschen als Mentoren vermitteln wollen. Zudem ist es schon eine Herausforderung, so viele Projekte fast nur mit Ehrenamtlichen zu machen.

Polizeigewalt gegen Schwarze Menschen in den USA, aber auch in Europa hat erneut eine internationale Debatte über Rassismus ausgelöst. Welche Rolle spielt die Bewegung Black Lives Matter in Ihrem Umfeld?
Für uns war Black Lives Matter (BLM) schon immer wichtig. In diesem Jahr haben wir dadurch einen enormen Zuwachs an Ehrenamtlichen bekommen, die jetzt aktiv etwas dazu beitragen möchten, unsere Community zu stärken. Außerdem sind wir im Mai und Juni, als das Thema aktuell war, viel von Medien zum Thema BLM angefragt worden. Da hatte ich aber das Gefühl, dass es nur um den Moment ging, es aber kein langfristiges Interesse gibt. In Social Media sehe ich hingegen schon, dass es immer mehr Formate gibt, die die Community ansprechen. Da habe ich den Eindruck, dass inzwischen mehr diskutiert wird und dass sich unsere Community auch selbst aktiver einbringt als früher. In der Gesellschaft an sich habe ich das Gefühl, dass sich jüngere Menschen viele Gedanken machen und auch für Dinge entschuldigen, die sie mal gesagt haben. Bei älteren Menschen über 50 sehe ich hingegen wenig Interesse.

Welche Pläne und Ziele haben Sie als Verein?
Zunächst wollen wir den Fokus auf unsere internen Strukturen legen, sie festigen und transparenter gestalten. Inhaltlich haben wir in den einzelnen Projekten unterschiedliche Ziele. Insgesamt aber wollen wir weiter wachsen. Seit Ende 2020 haben wir mit Hannover einen ersten Standort außerhalb von Hamburg. Da wollen wir unsere Projekte testen und wenn möglich etablieren. Außerdem planen wir aktuell zwei Austauschprojekte mit Ghana. Das eine ist eine Jugendbegegnungsreise, bei der sich Jugendliche in Ghana treffen und die unter dem Themenschwerpunkt Umwelt und Nachhaltigkeit steht. Bei einer zweiten Reise nach Ghana organisieren wir Begegnungen von Fachleuten aus Deutschland und Ghana, die mit Menschen mit Behinderung arbeiten.


Daisy Tanja Scheffler ist die einzige hauptamtliche Mitarbeiterin im Verein Future of Ghana Germany. Sie hat Medien- und Kommunikationsmanagement studiert und zunächst beim Fernsehen gearbeitet. Ihre Mutter kommt aus Ghana, ihr Vater aus Deutschland.
t.scheffler@futureofghana.com
https://fog-germany.de