Kommentar
Neubeginn mit Altlasten
Von Elke Grawert
Am Morgen des 7. Februar 2011 war es so weit: Der sudanesische Präsident Omar Hassan el-Bashir verkündete, dass seine Regierung das Ergebnis des Unabhängigkeitsreferendums des Südsudan akzeptiere. Damit wird es ab dem 9. Juli 2011 zwei selbständige Staaten geben.
Zunächst werden diese beiden Staaten jedoch einige Probleme gemeinsam bewältigen müssen. So die Verteilung der Öleinnahmen: Die meisten Ölfelder liegen im Südsudan, die Pipeline für den Ölexport aber führt durch den Nordsudan. Denkbar wäre eine Gebührenlösung für die Nutzung der Pipeline. Zusammenarbeiten müssen die Staaten auch bei der Regelung der Staatsbürgerschaft, der Währung und dem gemeinsamen Volksvermögen. Der Verlauf der künftigen Grenze zwischen Nord- und Südsudan ist in einigen Gebieten noch umstritten. Am dramatischsten ist die Lage in Abyei. Bewaffnete Zusammenstöße von sesshaften und nomadischen Gruppen um Landnutzungsrechte sowie politische Machtkämpfe um die Abstimmberechtigung führten dazu, dass das Referendum ausfiel, das über die Zugehörigkeit zum Nord- oder Südsudan entscheiden sollte.
In den nordsudanesischen Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile stehen noch Volksbefragungen über die Umsetzung des Umfassenden Friedensabkommens (CPA) von 2005 aus. Beide Gebiete wurden im Bürgerkrieg (1983 bis 2005) von der Widerstandsarmee SPLM/A kontrolliert. Wegen heftiger Konflikte um Landrechte konnten in Südkordofan nicht einmal die Wahlen abgehalten werden, die im übrigen Sudan im April 2010 stattfanden. Im Blue-Nile-Staat nahm die Bevölkerung zwar Stellung zu den Grundfragen des CPA und formulierte Forderungen zu Macht- und Vermögensteilung, Minderheitenrechten, Landrechten und Sicherheit. Während die National Congress Party el-Bashirs diese jedoch durch zentral gesteuerte Entwicklungspolitik lösen will, plädiert die SPLM für eine Teilautonomie.
Ähnliche Konflikte werden die Zukunft des Nordsudan prägen. Weite Teile des Landes sind immer noch marginalisiert und die Stimmen des Volkes werden nur selten gehört. Die Regierung el-Bashirs konnte lange ihre Macht erhalten, indem sie Konflikte ethnisierte und politisierte, oppositionelle Gruppen spaltete und durch den Geheimdienst massiv einschüchterte. Als der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) im März 2009 einen Haftbefehl gegen el-Bashir erließ, boten die Verhandlungen zur Abtrennung des Südsudan der Regierung gar die Chance, dieses Problem zu bannen: Die SPLM/A versprach, dem IStGH nicht zuzuarbeiten, wenn el-Bashir dafür nicht das Referendum torpedierte.
Das Ansteckungspotenzial für Aufstände wie in Nordafrika ist im Sudan momentan gering. Die oppositionellen Parteien sind zersplittert. Große Teile der Bevölkerung bewegen sich von der im Norden liegenden Hauptstadt Khartum in Richtung Südsudan und planen dort ein neues Leben. In Teilen des Nordsudan stehen Wahlen oder Volksbefragungen an, in Darfur ist der Krieg noch nicht vorbei, viele Menschen leben in Notaufnahmelagern. Vorsichtige Jugendaufstände in Khartum wurden mit massiver Gewalt sofort niedergeschlagen – für eine Allianz von Regimegegnern mit dem Militär oder der Polizei scheint im momentanen Übergangsprozess kein Spielraum zu sein. El-Bashir‘s jüngstes Versprechen, nicht über 2015 hinaus im Amt zu bleiben, spielt im Moment keine Rolle.
Um eine möglichst friedliche Teilung des Landes zu unterstützen, müssen die UN ihr Mandat verlängern. Die Blauhelme sollten vor allem das Grenzgebiet absichern. Internationale Schuldner können beiden Ländern den Eintritt in die Unabhängigkeit erleichtern, wenn sie der Regierung die Schulden von 36 Milliarden Dollar erlassen. Entwicklungspolitik muss sich nun auf die marginalisierten Regionen konzentrieren. In getrennter Kooperation mit den beiden Regierungen sollte sie Investitionen in Landwirtschaft, Infrastruktur und soziale Versorgung fördern sowie Ausbildungs- und Einkommensmöglichkeiten schaffen. Außerdem muss sie die Absicherung von Landrechten unterstützen. Damit kann der Grundstein für zwei lebensfähige Staaten gelegt werden, deren Gesellschaften von ihren Regierungen Entwicklungsanstrengungen einfordern und ihre Politik mitbestimmen.