Cotonous Hafen
Böen des Wettbewerbs
Benin hält trotz großer Armut einige ökonomische Trümpfe. Die offiziellen Statistiken verzeichneten in den vergangenen vier Jahren stetiges Wirtschaftswachstum und es gab substanzielle Investitionen in die Infrastruktur. Anstrengungen für deutliche Produktionssteigerungen bei den ertragreichsten Exportgütern – Baumwolle und Cashewnüssen – nehmen Fahrt auf. Stromausfälle sind dank Investitionen in Kraftwerke seltener geworden.
Cotonou, die Wirtschaftsmetropole, ist stolz auf seinen Hafen. Er dient als wichtiges Frachtzentrum für die Nachbarländer Burkina Faso, Niger und Mali, die nicht am Meer liegen, sowie für den großen und reichen Nachbarn Nigeria. Die regionale Integration in der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (Economic Community of West African States – ECOWAS) ist zwar nicht perfekt, doch sie trägt zum Erfolg des Hafens bei.
Der autonome Hafen von Cotonou ist laut Logistics Capacity Assessment (LCA) des World Food Programmes „die Lunge der nationalen Wirtschaft“. Die LCA-Datenbank erfasst Informationen zur logistischen Kapazität der Häfen der Welt, um den Vertrieb humanitärer Hilfsgüter zu optimieren.
Der Hafen wickelt den Handel mit Europa, Nord- und Südamerika sowie Asien ab und macht Cotonou zu einer „Speicherstadt“. Resultate sind laut LCA intensive Handels-, Umschlags- und Logistikaktivitäten. Cotonou sei der viertwichtigste Hafen Westafrikas.
Ein Blick auf die Statistiken zeigt die wirtschaftliche Bedeutung des Hafens für Benin. Laut LCA wickelt der Hafen 90 Prozent des Außenhandels ab und erwirtschaftet mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das jährliche Frachtvolumen beträgt 12 Millionen Tonnen, wie die belgische Firma Port of Antwerp International (PAI) meldet. Diese Tochtergesellschaft der Antwerpener Hafenbehörde hat seit 2017 den Auftrag, den Hafen in Cotonou zu modernisieren.
Die Szenerie der Docks haucht trockenen Statistiken Leben ein. Täglich strömt eine erstaunliche Vielfalt an Gütern herein: verarbeitete Lebensmittel, landwirtschaftliche Massenprodukte, Düngemittel, Metalle und Mineralien, chinesische Textilien, gebrauchte Kleidung, gebrauchte Fahrzeuge und Haushaltsgeräte. Die Secondhand-Waren beeinträchtigen allerdings den Ruf des Hafens. Er ist geradezu berüchtigt für die Einfuhr von Gebrauchtfahrzeugen und -geräten, die technische Kontrollen in Industrieländern nicht mehr bestehen würden. Große Lieferungen alter, rostiger Lastwagen und defekter Haushaltsgeräte durchqueren Benin als Transitland. Sie sind erschwinglich – aber von schlechter Qualität und umweltschädlich.
Der Hafen hat aber auch Probleme, die über solche Imagesorgen hinausgehen. Logistikunternehmen klagen über lange Wartezeiten. Laut Africa News soll die PAI für Verbesserungen sorgen. Auf der Agenda stehen Umstrukturierung der Verwaltung, Digitalisierung der Dienstleistungen, ein neuer Verhaltenskodex und Personalqualifizierung.
Ein Ruck im Wettbewerb
All diese Herausforderungen verblassen allerdings angesichts des Schocks, der den Hafen am 20. August 2019 traf. Die nigerianische Bundesregierung verhängte ein Importverbot für eine Vielzahl von Gegenständen auf dem Landweg. Das schloss eine Reihe von Lebensmitteln sowie gebrauchte Kleidung und Möbel ein. Verschärfend kam hinzu, dass der nigerianischen Zentralbank verboten wurde, Devisen für den Import solcher Güter bereitzustellen.
Die nigerianische Regierung begründete ihr Vorgehen mit hohen Schmuggelraten und der allgemeinen Notwendigkeit, Kriminalität zu bekämpfen. Bis dahin war Nigeria mit seinen 200 Millionen Einwohnern und seiner relativ hohen Kaufkraft einer der wichtigsten Abnehmer für Benin und den Hafen. Gleichzeitig hat Nigeria den Ausbau seiner eigenen Hafenkapazitäten gestartet. Die Regierung kündigte an, mit Unterstützung chinesischer Investitionen einen neuen Tiefseehafen in Warri im Bundesstaat Delta zu bauen.
Erwogen werden zudem Maßnahmen für zwei andere Häfen. Der Hintergrund ist die starke Überlastung der beiden Seehäfen von Lagos, dem wichtigsten Handelszentrum Westafrikas. Von der Überlastung des Lagos Port Complex in Apapa und des Tin Can Island Port hat Cotonous Hafen bisher profitiert.
Im harten internationalen Wettbewerb ist der Infrastrukturausbau in Lagos für Cotonou, wo bislang ein Großteil der Seefracht Nigerias umgeschlagen wurde, eine schlechte Nachricht. Kapazitätsengpässe in Nigeria haben die Nachfrage gestärkt.
John Igué, der ehemalige Außen- minister von Benin, warnt aber, es werde die wirtschaftlichen Aussichten klar beeinträchtigen, wenn Nigeria den Handel auf dem Landweg langfristig einschränke. Andererseits werde das aber auch den Schmuggel zusätzlich stimulieren, da größere Knappheit die Preise in Nigeria werde steigen lassen.
Die belgischen Manager des Hafens von Cotonou prüfen nun, wie sie auf die neuen Herausforderungen reagieren sollen. Presseberichten zufolge wird im Jahr 2020 die Umsetzung eines 450-Millionen-Euro-Modernisierungsplans im Hafen von Cotonou beginnen. Ziel ist es, den Hafen für alle Abnehmer – und zwar nicht nur die nigerianischen – zu einem zuverlässigeren und effizienteren Partner zu machen. Im heftigen Wettbewerb der Häfen weltweit gibt es dazu keine Alternative.
Karim Okanla ist ein Mediendozent und freiberuflicher Autor aus Benin.
karimokanla@yahoo.com
Link
World Food Programme: Logistics Capacity Assessment.
https://dlca.logcluster.org/display/public/DLCA/LCA+Homepage