Biodiversität
Die Rettung des Paradieses
Das Amazonas-Gebiet ist Heimat von mehr als einer Million Tier- und Pflanzengattungen – das sind etwa 60 Prozent der weltweit existierenden Arten. Das macht den Regenwald zu einem unersetzlichen Archiv über die Vielfalt des Lebens. Darüber hinaus leisten auch Pflanzen und Boden wertvolle Dienste: Sie binden erhebliche Mengen an Kohlendioxid. Jüngste Satellitenbilder aber zeigen: Der Regenwald ist nach wie vor bedroht. Sorge bereitet vor allem die anhaltende Rodung von Waldflächen zur Gewinnung von Land für die Viehwirtschaft oder den Sojaanbau. Zudem bedroht der Klimawandel den Regenwald.
Zweimal die Fläche Frankreichs – so viel Regenwald wurde in den vergangenen vierzig Jahren im Amazonas-Gebiet zerstört. Dies geschah vor allem in Brasilien, wo mehr als die Hälfte des Regenwaldes liegt. Und diese Entwicklung geht weiter, obwohl die brasilianische Regierung mit internationaler Unterstützung versucht dagegen vorzugehen. Ursache ist nicht nur die weltweit gestiegene Nachfrage nach Agrotreibstoffen, sondern auch das brasilianische Modell der wirtschaftlichen Entwicklung: Sowohl die brasilianische Zentralregierung als auch die Regierungen der meisten Bundesstaaten setzen weiterhin auf den Massenexport von Agrarprodukten wie Fleisch und Soja.
Die Geschichte mit dem Wald habe nicht die geringste Zukunft, glaubt Blairo Borges Maggi, der größte Sojaproduzent der Welt und Gouverneur des brasilianischen Bundesstaates Mato Grosso. Er und andere Agrar-Millionäre verteidigen ein „verfassungsmäßiges Recht auf Abholzung“ als Grundlage der Entwicklung des Landes Brasilien. Marina Silva, Umweltministerin Brasiliens und ehemalige Kautschuk-Zapferin, setzt sich dagegen für ein anderes Entwicklungsmodell ein. Sie sagt, wenn etwas nicht nachhaltig sei, dann sei es auch keine Entwicklung, sondern nur die Wiederholung von Katastrophen.
Inzwischen wurden deshalb eine ganze Reihe von nachhaltigen Schutz- und Nutzungsansätzen ausprobiert – teilweise mit Erfolg. Zahlungen für Umweltleistungen an die lokale Bevölkerung für den Erhalt und die Pflege der Wälder werden zum Beispiel mit Ökotourismus und der Herstellung fair gehandelter und zertifizierter Produkte kombiniert. Die flächendeckende Ausdehnung erfolgreicher Konzepte will die deutsche Entwicklungspolitik deshalb künftig zu einem ihrer Schwerpunkte machen. Außerdem sollen der Regenwald in verschiedene Nutzungszonen eingeteilt und Zonennutzungspläne ausgearbeitet werden.
Wichtig ist bei alledem, dass die lokale Bevölkerung mit einbezogen wird – und das ist eine schwierige Aufgabe. Etwa 20 Millionen Menschen leben im Amazonas-Gebiet: Zu den alteingesessenen indianischen Stämmen, lokalen Kleinbauern und Kautschuk-Zapfern kommen vermehrt industrielle Sojabauern, Viehzüchter und die wachsende städtische Bevölkerung. Insbesondere Nichtregierungsorganisationen setzen sich deshalb für die Stärkung der Rechte der oft marginalisierten indigenen Bevölkerung ein.
Auf einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung zum Thema „Klima und Wandel in Amazonien“ sagte Ingrid Hoven, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dass künftig aber auch die Einbeziehung der „Feindakteure“ in Entwicklungsstrategien eine wichtige Herausforderung sei. Dem stimmte Professor Edna Castro von der Universität Pará zu. Neben den Sojabaronen und Viehzüchtern dürfe ihr zufolge auch die städtische Bevölkerung nicht vergessen werden. Die stellt inzwischen nämlich bis zu 70 Prozent der im Amazonas-Gebiet lebenden Menschen und leidet nicht selten unter schlechten sanitären und hygienischen Lebensbedingungen.
Heftige Diskussionen gibt es bei der Finanzierungsfrage. Jörg Haas, Referent der Heinrich-Böll-Stiftung, warnt davor, das Grönlandeis für die Rettung des Amazonas-Regenwaldes zu opfern. Er befürchtet, dass die Industrieländer ihrer Verpflichtung, die Emissionen zu reduzieren, nicht nachkommen, wenn künftig auch mit Wald-Erhaltungszertifikaten gehandelt werden könne. Die Folge: das Ansteigen der globalen Temperatur um über 3 Grad und damit möglicherweise das Abschmelzen des Grönlandeises.
Janna Schönfeld