Nachruf

Besondere Beziehung zu Afrika

Kofi Annan gilt als einer der erfolgreichsten UN-Generalsekretäre. Als gebürtiger Ghanaer hatte er zu Afrika stets eine besondere Beziehung. Auf dem Kontinent stieß seine Agenda jedoch nicht immer auf Akzeptanz. Am 18. August 2018 starb Annan im Alter von 80 Jahren in der Schweiz.
Kofi Annan besuchte 1998 als UN-Generalsekretär eine Genozid-Gedenkstätte in Ruanda. picture-alliance/dpa Kofi Annan besuchte 1998 als UN-Generalsekretär eine Genozid-Gedenkstätte in Ruanda.

Kofi Annan wurde 1996 auf Druck der USA zum UN-Chef gewählt, ein Amt, das er bis 2006 ausübte. Damals galt er mit seinem ungewöhnlich polyglotten Hintergrund als Prototyp des glaubwürdigen UN-Diplomaten, aber wegen der Umstände seiner Wahl auch als „Amerikas Pudel“: charismatisch zwar, aber auch konfliktscheu; beliebt, aber auch leicht von den USA fernzusteuern.

Nicht zuletzt deshalb war Annan in Afrika seinerzeit nicht unumstritten. Ein Afrikaner bei den UN sagte einmal hinter vorgehaltener Hand: „Er ist eigentlich keiner von uns.“ Besonders übel nahm man ihm, dass Annan als zuständiger Untergeneralsekretär für Friedensoperationen nicht genug gegen den Genozid in Ruanda unternommen hat.

Als er Ruanda später einen Besuch abstattete – dann schon als UN-Generalsekretär –, behandelte man ihn kühl und abweisend. Im Parlament herrschte damals eisiges Schweigen, als Annan den Saal betrat, um eine Rede zu halten.

Auch sein „Krieg gegen Aids“ Ende der 1990er trug ihm zwar im Westen Sympathien ein, aber nicht unbedingt in Afrika, obwohl die Ansteckungsraten dort besonders hoch waren. Zu der Zeit empfahl manches Regierungsmitglied als Heilmittel noch, mehr Knoblauch zu essen. Annan ließ sich davon nicht beirren und sagte bei einer Pressekonferenz vor dem damaligen Präsidenten Südafrikas Tabo Mbeki, einem der größten Bremser in Sachen Aids, man müsse endlich umkehren und den Tatsachen ins Auge sehen.

Ähnlich zurückhaltend reagierte die politische Elite auf einen Bericht Annans aus dem Jahr 1998 zu Konfliktursachen in Afrika. 30 Jahre nach der Unabhängigkeit sei es an der Zeit, die koloniale Vergangenheit abzustreifen, schrieb er. Sie allein erkläre die afrikanische Krise nur unzureichend. „Korruption, Nepotismus, Selbstgefälligkeit und Machmissbrauch“ täten ein Übriges, urteilte er damals durchaus hart – das hörten die Afrikaner nicht gerade mit Begeisterung.

Annan selbst hielt sich zugute, mehr für Afrika als für jede andere Weltregion getan zu haben: So leitete er in seiner Amtszeit eine Reform der Friedensoperationen ein, um ein zweites Ruanda zu vermeiden, und brachte das Konzept „Responsibility to Protect“ gegen Massenverbrechen mit auf den Weg.

Zudem wurde auf Annans Initiative hin 2002 ein Globaler Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria gegründet. Einer seiner größten Erfolge aber war 2000 die Verabschiedung der Millennium Development Goals (MDGs), die 2015 in die Sustainable Development Goals (SDGs) übergingen. Die MDGs galten zwar universell, zielten aber direkt auf Afrika: Denn mit ihnen hatte sich die Welt zum ersten Mal acht konkrete Ziele gesetzt, um die schlimmsten Übel unserer Zeit – wie Hunger und Armut – zu überwinden. „Ich denke, ich habe einen Beitrag geleistet, indem ich Entwicklung, Armut und Hunger fest auf der internationalen Agenda verankert habe“, sagte Annan gegen Ende seiner Amtszeit.

Trotz seiner internationalen Karriere fühlte sich Annan seinem Heimatkontinent stets verbunden, wie er in einem Gespräch mit der Autorin einmal sagte. Er bezeichnete seine Kindheit in Ghana als die „prägendste Zeit“ seines Lebens; er fühle sich in Afrika „tief verwurzelt“ und habe immer Sehnsucht nach seinem Klima, seinen Landschaften und seinen Menschen.

Dabei hat Annan von seinen 80 Lebensjahren nur ungefähr 25 in Afrika zugebracht. Der Rest teilte sich vor allem zwischen den USA und Europa auf, wo er seine UN-Karriere 1962 als Referent bei der Weltgesundheitsorganisation begann. Annan startete auf der niedrigsten Position für Akademiker und durchlief danach in 35 Jahren alle Stationen bis zum UN-Chef. Damit war er nicht nur der erste Schwarzafrikaner auf dem Posten, sondern auch der Erste – und bis heute Einzige –, der aus dem Inneren der UN nach oben aufgestiegen ist. Er war zudem der erste UN-Generalsekretär, der den Friedensnobelpreis zu Lebzeiten erhalten hat.

Auch die Afrikaner haben sich längst mit Annan ausgesöhnt. Misstöne sind heute kaum noch zu hören. Im Gegenteil, nach seinem Tod scheint man Annan nun in eine direkte Linie mit dem allseits verehrten Nelson Mandela zu stellen – den Annan seinerseits als großes Vorbild betrachtete.


Friederike Bauer arbeitet als freie Journalistin über Themen der Außen- und Entwicklungspolitik.
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