Textilindustrie
Kleidung muss wieder mehr Wert bekommen
Seit dem Einsturz der mehrstöckigen Fabrik in Rana Plaza in Bangladesch 2013 mit mehr als 1100 Toten ist vielen Menschen in Ländern mit hohen Einkommen bewusst geworden, unter welch elenden Bedingungen Waren in Entwicklungsländern produziert werden (siehe Nazma Akter auf www.dandc.eu).
Zivilgesellschaftliche Organisationen und auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) engagieren sich für bessere Arbeitsbedingungen und ökologisch-nachhaltige Produktion. Das ist auch bitter nötig, denn die immer größer werdende Menge an Kleidung belastet die Umwelt. Problematisch sind der riesige Ressourcenverbrauch – vom Baumwollanbau bis hin zu synthetischen Fasern – und der intensive Einsatz von Chemikalien. Der Kleidermüll ist auch relevant – besonders wegen der hohen Kunststoffanteile.
Das Konsumverhalten ist destruktiv schnelllebig geworden. Die Modeindustrie bringt im Billigsegment mittlerweile 12 bis 16 Kollektionen im Jahr auf dem Markt. Ein neues T-Shirts kostet teils weniger als ein Brot, so dass diese Waren keine Wertschätzung mehr erfahren. Diese so genannte Fast Fashion ist Mode zum Wegwerfen. Dies ist zwar vor allem ein Problem der Länder mit hohen Einkommen, aber auch Afrika wird zunehmend von chinesischer Billigware überschwemmt.
Früher wurden vergleichsweise langhaltende, aber auch teure Kleidungsstücke gekauft. Von 2000 bis 2015 hat sich die Anzahl der globalen Kleidungskäufe weltweit von etwa 50 Milliarden auf mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke verdoppelt. Bis 2030 erwarten Experten eine weitere Verdoppelung. Das ist Wahnsinn.
Leider ist es für Verbraucher schwer, ethisch und ökologisch produzierte Ware von problematischer Ware zu unterscheiden. Selbst der Preis eines Kleidungsstücks sagt nichts darüber aus, unter welchen Bedingungen produziert wurde. Allein zertifizierte Ökolabels garantieren gewisse Standards. Sie versorgen aber nur ein winziges Nischensegment. 2019 startete das BMZ die Initiative „Grüner Knopf“, um nachhaltig produzierte Ware auszuzeichnen. Kritiker halten die Kriterien für die Vergabe dieses Siegels jedoch nicht für ausreichend – unter anderem, weil sie Missstände in Spinnereien oder der Baumwollproduktion nicht berücksichtigen.
Viele sehen die Arbeiterinnen nur als ausgebeutete Opfer. Die Situation ist aber differenzierter. Viele junge Frauen wollen gern Geld verdienen – um selbständiger zu werden, aber auch um ihre Familien unterstützen zu können. In Bangladesch gehören Textilarbeiterinnen nicht zu den Ärmsten, sondern werden eher zur unteren Mittelschicht gezählt. Wichtig ist obendrein, dass Industrialisierung fast überall mit Textilherstellung begonnen hat. Tatsächlich sind viele afrikanische Regierungen daran interessiert, dem Beispiel Bangladeschs zu folgen (siehe Michaela Fink und Reimer Gronemeyer auf www.dandc.eu).
Das Thema Textilproduktion ist ethisch-moralisch und ökologisch komplex. Die Branche verdient weiterhin globale Aufmerksamkeit, denn sie muss nachhaltig werden – und zwar sowohl in sozialer als auch ökologischer Hinsicht.
Sabine Balk ist Redakteurin von E+Z/D+C
euz.editor@dandc.eu