Landesküche
In Podor ist jeder Gast am Essenstisch willkommen
Die Gäste aus Deutschland haben eine fast elfstündige Autofahrt von Dakar in die Stadt Podor hinter sich. Die Straßen sind vielbefahren und schmal, und eigentlich dauert die Fahrt rund sieben Stunden. Doch dieses Mal blieb das Auto, das die Nichte der Gastgeberin zur Verfügung gestellt hatte, liegen. Alle sind hungrig, als sie endlich im Haus der Gastgeberin ankommen.
Die Besucher finden sich auf der offenen Terrasse im ersten Stock des Hauses am Rande der Stadt ein. Der heiße Wüstenwind weht und verschafft auch am späten Nachmittag kaum Abkühlung bei über 30 Grad. Alle sitzen auf Matten am Boden im Kreis. Der Magen knurrt. Dann bringt eine Verwandte ein großes rundes Silbertablett mit Deckel verschlossen herein. Die Spannung steigt – was gibt es wohl zu essen? Das Tablett kommt in die Mitte, und der Deckel wird gelüftet: Es gibt Thiéboudienne, das Nationalgericht im Senegal. In der Landessprache Wolof heißt das Gericht Ceebujen: „ceebu“ bedeutet „Reis mit“ und „jen“ „Fisch“.
Die Grundlage bildet ein Bett aus gewürztem Reis, darauf liegen in der Mitte gebratener oder getrockneter Fisch und verschiedene gekochte Gemüsesorten wie Kohl, Aubergine, Okra, Kürbis, Karotte, Süßkartoffel oder Yams. Jeder Gast bekommt einen Löffel und isst an seinem Bereich vom großen Tablett. Dazu werden eine scharfe grüne Paste aus Hibiskusblättern und dunkle Tamarindensoße gereicht, wovon sich jeder nach Wunsch nehmen kann. Die senegalesische Gastgeberin isst in afrikanischer Manier mit der rechten Hand. Dazu formt sie aus Reis, Fisch und Gemüse mundgerechte kleine Bällchen. Die Gastgeberin verteilt außerdem Stücke von Fisch und Gemüse gerecht an jeden Gast. Das Essen ist würzig, scharf und sehr lecker.
Gräten vom Fisch oder harte Stücke der Tamarindensoße kann man einfach neben dem Tablett am Boden ablegen. Vor dem Essen wurde eine abnehmbare und abwaschbare große Auflage auf die Sitzmatte gelegt, die nach dem Essen abgenommen und gereinigt wird – sehr praktisch.
Die folgenden Mahlzeiten gestalten sind ähnlich. Auf dem großen Serviertablett bilden Reis oder Couscous das Bett, auf dem in der Mitte Gemüse, Fisch oder Fleisch liegen.
Da der Senegal ein muslimisches Land ist, wird kein Schwein verzehrt, dafür aber sehr gern Hähnchen, Rind und Schaf. Die meisten Tiere in Podor leben ein glückliches Leben, bevor sie im Kochtopf landen. Die Fische kommen direkt aus dem Fluss Senegal, der durch Podor fließt. Ziegen und Schafe dürfen tagsüber frei herumlaufen und streunen in der Stadt herum. Abends kehren sie in ihr Zuhause zurück, erklären die Einheimischen.
Etwas gewöhnungsbedürftig für deutsche Besucher ist das Frühstück. Neben frischem Baguette, das der örtliche Bäcker gebacken hat, werden die Reste des Abendessens vom Vortag serviert. Kaffee wird wenig getrunken. Grüner Tee – sehr stark und süß – ist das Getränk der Wahl im Senegal.
Wenn Gäste aus Deutschland anreisen, finden sich viele Verwandte und Freunde zum Besuch ein. Wer zum Essen bleiben will, ist herzlich willkommen. Die großen Esstabletts sind immer reichlich gefüllt, und der Kreis drum herum rückt je nach Zahl der Gäste einfach enger zusammen. Niemand muss hungrig nach Hause gehen.
Natürlich steckt dabei im Hintergrund einiges an Logistik, erklärt die Gastgeberin. Ihre Schwester ist mit anderen Verwandten täglich mehrere Stunden damit beschäftigt, kiloweise Reis, Gemüse, Fisch oder Fleisch zu kochen. Doch davon bekommen die Gäste wenig mit, es wird aus praktischen Gründen in einem anderen Haus im Ort gekocht.
Der Unterschied zwischen touristischer Verpflegung und heimischer Küche wird den Gästen dann beim Besuch in der Hauptstadt Dakar sehr deutlich. Dort gibt es auch die traditionellen Gerichte wie Thiéboudienne zu bestellen, serviert werden sie aber für jeden Gast auf einem eigenen Teller.
Sabine Balk arbeitet freiberuflich für E+Z. Sie war privat zu Besuch im Senegal.
euz.editor@dandc.eu