Friedensförderung
Kompetente Bauern
Südsudanesen freuen sich weiterhin über die Befreiung nach der langen Unterdrückung durch den Norden. Die Unabhängigkeit erfüllt viele mit Stolz. Einige haben lange Odysseen in Flüchtlingslagern in Khartum oder in Uganda hinter sich. Heute steht das tägliche Überleben nicht mehr auf dem Spiel, langfristige Perspektiven können entstehen.
Das ist auch nötig. Öleinnahmen vermitteln zwar ein abstraktes Gefühl von nationalem Reichtum, aber 90 Prozent der Bevölkerung sind Kleinbauern. Sie profitieren nicht vom fossilen Energieträger. Armut bleibt weit verbreitet. Laut der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO ist die Ernährung von bis zu 4,6 Millionen Menschen nicht sichergestellt.
Weiterhin werden Konflikte im Südsudan oft mit Waffen ausgetragen. Die Demobilisierung der irregulären Truppen ist kaum vorangekommen. Die Kriminalität hat in der Hauptstadt Juba seit der Unabhängigkeit zugenommen.
Landwirtschaft ist mühsam, dreckig und bietet wenig Ruhm und Ehr. Bauer ist kein angesehener Beruf, sondern eher überlebensnotwendiges Schicksal. Jungen Leute mag es attraktiv erscheinen, sich stattdessen einer Miliz anzuschließen.
Das landwirtschaftliche Potenzial ist aber riesig, sodass langfristig gute Einkommen möglich sind. Derzeit werde nur vier Prozent des fruchtbaren Bodens in Südsudans Greenbelt bewirtschaftet. Um florierende Höfe möglich zu machen, muss aber noch viel geschehen. Kleinbauern brauchen Lagerstätten, Transportmöglichkeiten, Marktinformationen und Ausbildung. Agrarrohstoffe sollten vor Ort weiterverarbeitet werden. Das Land bräuchte also eine nationale Strategie zur nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft.
Vom Staat ist aber bislang nicht viel zu erwarten. Der lange Bürgerkrieg hat viel Wissen vernichtet. Obendrein ist der Südsudan selbst zweigeteilt. Im Süden leben Kleinbauern, von denen sich viele in Flüchtlingslager gerettet hatten. Im Norden leben dagegen Viehhirten, von denen viele im Krieg gekämpft haben. Ihre Anführer gehören nun zur politischen Elite und sehen die persönliche Bereicherung aus Öleinnahmen als Belohnung für ihren Kampfeinsatz.
Die Spitzenleute im Staat sind gut versorgt, die meisten verstehen aber nichts von Landwirtschaft. Ihrer agrarpolitischen Verantwortung werden sie bislang kaum gerecht. So spielt denn auch Landgrabbing im Südsudan eine Rolle. Laut einer Studie von Norwegian Peoples Aid (NPA) aus dem Jahr 2011 wurden bereits neun Prozent der fruchtbaren Böden im Süden des Landes an internationale Investoren verkauft. Mit zunehmender infrastruktureller Erschließung könnte der Anteil noch größer werden.
Farmer Field Schools
Um die Agrarentwicklung zu unterstütztn, arbeitet die GIZ im Süden des Landes mit dem Ansatz der Farmer Field Schools (FFS). Das erfordert keine komplexe Beratungsstruktur, sondern setzt auf das Wissen der einzelnen Bauern.
Die FFS-Methodik stützt sich auf Versuchsfelder, die jeweils von bis zu 25 Landwirtinnen und Landwirten gemeinsam bewirtschaftet werden. Sie tauschen ihr Wissen aus, testen Schädlingsbekämpfungstechniken und neue Anbaumethoden. Wöchentlich bekommen sie Besuch von Agrarberatern (Extension Workers), die ihnen Anregungen und Tipps geben. Im Idealfall wird auf einem Teil des Versuchsfelds mit herkömmlichen Methoden gearbeitet, damit die Ernteergebnisse direkt verglichen werden können. Diese Augenscheinlichkeit ist wichtig. Kleinbauern in Entwicklungsländern sind Innovationen gegenüber generell skeptisch, denn Ernteausfälle würden ihr Leben bedrohen.
Die Extension Workers werden von der GIZ bezahlt, gehören aber zur staatlichen Verwaltung. So wird der Aufbau staatlicher Strukturen unterstützt. Die meisten Extension Workers waren zur Ausbildung ein halbes Jahr lang an einem Crop Training Center. Sie werden darüber hinaus von einem Master Trainer kontinuierlich fortgebildet, der ebenfalls von der GIZ bezahlt wird.
Leider ist die GIZ-Unterstützung nur kurzfristig angelegt. Das Projekt erhält vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit nur eine einjährige Finanzierung. Langfristige Entwicklungsplanung ist unter diesen Umständen schwierig.
Dabei bietet der FFS-Ansatz durchaus langfristige Perspektiven. Er fördert beispielsweise die gemeinsame Vermarktung, damit die einzelnen Bauern nicht dem Preisdiktat der Zwischenhändler ausgeliefert sind. Die Arbeit in Gruppen fördert solidarisches Denken und Handeln. Auf Dauer könnten die informellen Teams zum Kern leistungsstarker Genossenschaften werden. Die Beteiligten selbst bezeichnen die wechselseitige Hilfe als großen Vorteil der FSS.
Die GIZ verfolgt bei FFS einen ökologischen Ansatz. Es wird Saatgut aus der Region und möglichst natürlicher Dünger verwendet. So wird die biologische Vielfalt der traditionellen Nutzpflanzen weiter gepflegt, die diese gegen ungünstige Witterungslagen oder Schädlinge relativ unempfindlich macht.
Nicht alle Geber-Initiativen gehen so vor. Auch USAID betreibt FFS im Südsudan – allerdings mit modifiziertem Konzept. USAID wirbt für ökologisch fragwürdige Hochertragslandwirtschaft. Auf den Musterfeldern wachsen dank Hybrid-Saatgut prächtige Maiskolben. Die Kleinbauern und Beamten der Agrarbehörden sind begeistert. So stellen sie sich die Zukunft gern vor.
Die Sache hat aber mehrere Haken. Saatgut und Dünger sind für südsudanesische Kleinbauern eigentlich unerschwinglich teuer. USAID bietet zwar Anschubfinanzierung und Kredite, diese machen die Kleinbauern aber auf Dauer abhängig. Zudem drohen schwere Rückschläge, weil die Hochertragsmethoden dem Boden Nährstoffe entziehen und ohne anhaltend hohen Kapitaleinsatz die Ernte verloren geht. Es ist auch nicht klar, wie die Bauern angesichts fehlender Lagermöglichkeiten und Transportoptionen große Ernteüberschüsse vermarkten sollen. Es besteht deshalb die Gefahr, dass der Begriff Farmer Field Schools in Zukunft mit Betrug verbunden wird.
Entscheidend ist jedoch, wie Landwirtschaft für junge Menschen attraktiv gemacht werden kann. Das Leben auf dem Land ist immer noch mit kollektivistischen Maximen verbunden: Wer viel besitzt, muss es teilen. Wenn die Ernte groß wird, kommen viele Verwandte zu Besuch und wollen ein Stück vom Kuchen.
Die individualistische Anonymität der westlichen Industriegesellschaft gibt es nicht. Das bringt Sicherheit und verpflichtet. Man ist eigentlich nie auf sich allein gestellt. Das hat Vorteile, lässt Menschen aber auch vor Investitionsrisiken zurückschrecken.
Der FFS-Ansatz der GIZ zielt im Südsudan darauf ab, vorhandenes Wissen und Fähigkeiten zu aktivieren und die Kleinbauern selbst zu Experten auf ihren Feldern zu machen. Dabei stehen die ökologische Nachhaltigkeit und persönliche Bedürfnisse im Vordergrund. Dieser Ansatz eignet sich gut für Post-Konfliktgesellschaften, weil er direkt an der Basis ansetzt und Menschen Wissen vermittelt, das selbst dann wertvoll bleibt, wenn neue Gewalt ausbrechen sollte. Er reicht zwar nicht aus, um umfassende ländliche Entwicklung in Gang zu bringen, kann aber dazu beitragen, Landwirtschaft für junge Menschen attraktiv zu machen.
Richard Oelmann ist Politikwissenschaftler und hat 2012 am Seminar für Ländliche Entwicklung (SLE) der Berliner Humboldt-Universität studiert. Er war im Auftrag der GIZ im Südsudan. richard.oelmann@gmail.com