Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Weltprobleme

Wichtige Co-Benefits

Entwicklungspolitik kann Armut bekämpfen und gleichzeitig zur Bereitstellung öffentlicher Güter beitragen. Dafür muss sie ihr Instrumentarium überarbeiten.
TB-Patient im Südsudan: Die Bekämpfung dieser Krankheit ist eine globale Herausforderung. Böthling/Fotografie TB-Patient im Südsudan: Die Bekämpfung dieser Krankheit ist eine globale Herausforderung.

Unter dem Eindruck des Taifuns Bopha verlor der philippinische Delegationsleiter bei den Klimaverhandlungen in Doha Ende November 2012 die Fassung. Die Katastrophe zeigte, wie unmittelbar der Klimawandel sein Heimatland bedroht. Betroffen ist aber die ganze Menschheit. New York wurde 2012 von Hurrikan Sandy heimgesucht. Deutschland erlebte im Sommer 2013 die zweite „Jahrhundertflut“ innerhalb eines Jahrzehnts. Experten rechnen in den nächsten Jahrzehnten in der Bundesrepublik mit Wetterschäden in dreistelliger Milliardenhöhe.

Der Klimawandel kann nur durch internationales Handeln eingedämmt werden. Auch andere Herausforderungen erfordern internationales Handeln: Frieden und Sicherheit, Welthandel und Finanzmärkte, Umweltschutz sowie die Bekämpfung ansteckender Krankheiten. Allerdings bleiben Klima- und Umweltkonferenzen, Welthandelsrunden, G20-Gipfel, die UN-Generalversammlung und der UN-Sicherheitsrat oft hinter den Erwartungen zurück – obwohl doch alle Nationen ein Interesse an Lösungen haben sollten.

Der Markt stellt sogenannte öffentliche Güter nicht bereit. Oft werden sie nur durch staatliches Handeln gewährleistet. Geht es um globale öffentliche Güter (global public goods – GPGs), wird gemeinsames Handeln (Collective Action) vieler oder aller Nationalstaaten benötigt. Sie haben aber kaum Anreize, freiwillig zu GPGs beizutragen. Zum einen möchte kein Staat das Risiko eingehen, alleine zu handeln. Er trägt dabei die Kosten für Trittbrettfahrer. Zum anderen konkurriert das gemeinsame Interesse an der Bereitstellung eines GPGs oft mit kurzfristigen Einzelinteressen wie schnellem Wirtschaftswachstum.

Was bedeutet dieses Collective-Action-Problem für die Entwicklungspolitik? Entwicklungsländer haben in den letzten zehn Jahren beträchtliche Erfolge in der Armutsreduzierung erzielt. Durch Klimawandel, Naturkatastrophen, Krisen und Konflikte sowie Pandemien können diese Erfolge aber zunichtegemacht werden. Die internationale Entwicklungspolitik engagiert sich deshalb zunehmend bei der Unterstützung von Partnerländern im Aufbau von Widerstandsfähigkeit (Resilienz) gegen diese Herausforderungen. Gleichzeitig sollen die Partnerländer, insbesondere die Schwellenländer, selbst in die Lage versetzt werden, einen Beitrag zur Bereitstellung globaler öffentlicher Güter zu leisten.

Wir vertreten die These, dass Entwicklungszusammenarbeit (EZ) bei der Bereitstellung von GPGs eine größere Rolle spielen kann. Allerdings muss dafür ihr Instrumentarium angepasst werden.

Einige Partnerländer und Organisationen argumentieren, dass Armutsreduzierung und globale öffentliche Güter nicht vermengt werden dürften. Dabei gibt es häufig Synergien („Co-Benefits“). So trägt beispielsweise die Unterstützung fragiler Staaten beim Aufbau gesellschaftlicher Institutionen zur Armutsreduzierung bei und entzieht gleichzeitig international aktiven terroristischen Gruppen den Boden.


Zusätzlicher Aufwand

Allerdings können solche Co-Benefits mit Zusatzkosten einhergehen: Ein klimafreundlicher Windpark ist zunächst teurer als ein klimaschädliches, konventionelles Kraftwerk mit gleicher Leistung. Der Mehraufwand ist aber für Geber und Empfänger sinnvoll. Er hat neben der armutsreduzierenden Wirkung noch einen zusätzlichen positiven Umwelteffekt für alle Menschen.

Entwicklungspolitik ist also für die Bereitstellung von GPGs relevant. Sie kann fehlende internationale Beschlüsse zur Lastenteilung (etwa ein UN-Klimaschutzabkommen) ansatzweise kompensieren. Sie hat die Möglichkeit, den Nutzen von GPGs vor Ort in einem Partnerland deutlich zu machen, indem alternative Lösungen demonstriert werden. Geberhandeln kann dann Präferenzen in Entwicklungsländern auch für eine Positionierung in internationalen Verhandlungen beeinflussen.

Leider wird das Potenzial aber bisher nicht voll genutzt. Wir sehen Handlungsbedarf auf drei Ebenen:

  • Innovation und Pilotmaßnahmen können helfen, allen Beteiligten Kosten und Nutzen der Bereitstellung von GPGs aufzuzeigen. Ein Beispiel dafür ist das „Natural Resource Management Programme“ der GIZ in Indien (siehe Kasten). Die direkte entwicklungspolitische Wirkung solcher Maßnahmen kann aber auf sich warten lassen. Der übliche EZ-Rahmen eignet sich mit seinen strengen Vorgaben für Kostenoptimierung, Zielerreichung und Zeithorizonten deshalb nur bedingt für solche Vorhaben.
  • Die Konzeption von Entwicklungsmaßnahmen sollte darauf ausgerichtet werden, dass möglichst systematisch das volle Potenzial von Co-Benefits genutzt wird. Im Rahmen von Kosten-Nutzen-Analysen sollten immer mögliche externe Effekte im Hinblick auf GPGs berücksichtigt werden. Das sind Wirkungen, die über das direkte Ziel der Armutsreduktion hinausgehen, wie etwa positive Umweltauswirkungen oder Konfliktprävention. Solche externen Effekte werden derzeit in der Praxis oft nicht berechnet und bedacht, da Durchführungsorganisationen Risiken und Kosten scheuen. Eine Lösung wäre, die Planung von Co-Benefit-Komponenten verpflichtend und gründlich prüfen zu lassen.
  • Die Finanzierung und Durchführung von GPG-relevanten Co-Benefit-Komponenten aus Mitteln der ODA (official development assistance) stößt bei Partnern oft auf Skepsis, die befürchten, dass entsprechend der Aufwand für die klassische Armutsbekämpfung reduziert werden könnte. Dem kann nur durch zusätzliche Finanzmittel begegnet werden, die jenseits der Länderquoten eines Gebers zugeteilt werden. Die zusätzlichen Mittel könnten Entwicklungsbanken beispielweise als intelligente Kreditprodukte anbieten, wobei die Konditionen sich nach dem erwarteten Zusatznutzen bemessen müssten.  

Um destruktiven Konditionenwett­bewerb zu vermeiden, braucht die internationale Gebergemeinschaft eine einheitliche Methodik zur Bewertung von Co-Benefits und dem dafür nötigen Aufwand. Die zusätzlichen Mittel für Innovation, Konzeption und Durchführung von Komponenten zur Erzeugung von Co-Benefits müssen Organisationen wie GIZ, KfW, Weltbank oder UNDP aufbringen oder erhalten, oder es müssen andere externe Quellen genutzt werden.

Für den globalen Klima- und Umweltschutz gibt es hierzu schon die Global Environment Facility (GEF). Auch der neue Green Climate Fund, der im Kontext der UN-Klimarahmenkonvention demnächst operativ werden soll, kann dafür genutzt werden. Dies kann als Vorlage für die Bereitstellung anderer GPGs dienen.


Weitere Implikationen

Das Konzept der Co-Benefits hat für die Entwicklungspolitik viele zusätzliche Implikationen, die weiterer Diskussion bedürfen:

  • Kohärenz: Verschiedene Ressorts der Bundesregierung sind bei der Bereitstellung von GPGs engagiert. Dort, wo die Bundesregierung dafür die EZ nutzt, sollte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) seine langjährige Expertise mit den Partnerländern federführend einbringen. Es kann sicherstellen, dass die Bereitstellung von GPGs sinnvoll mit Armutsreduzierung verbunden wird. In der Ressortabstimmung würde das BMZ sich dann insbesondere auf solche GPGs und Kontexte fokussieren, wo die Co-Benefits besonders vielversprechend sind. Das gilt vor allem für Schwellenländer. Sie sind einerseits für die GPGs besonders relevant, andererseits lebt dort die Mehrheit der weltweit Armen.  
  • Post-2015-Agenda: Die Bereitstellung von GPGs sollten in einem neuen Folgerahmenwerk für die Zeit nach 2015 reflektiert werden (siehe Dirk Messner in E+Z/D+C 2013/07–08, S. 294 ff.). Wichtig dabei wird eine klare Verbindung von Armutsreduzierung mit GPGs in einem einheitlichen Zielsystem sein.
  • ODA-Anrechnung: Die internationalen Regeln darüber, was als ODA anerkannt wird, werden demnächst überarbeitet. Dabei sollte die ­Bereitstellung von GPGs berücksichtigt werden, wenn Maßnahmen gleichzeitig einen Beitrag zur Armutsreduzierung leisten.
  • Weitere GPGs: Der Bereich Klimaschutz als GPG nimmt in der EZ eine ausgeprägte Rolle ein und ist konzeptionell schon sehr weit ausgestaltet. Andere GPGs wie Frieden und Sicherheit, faires Handelssystem, internationale Gesundheit, Katastrophenschutz, internationales Wissensmanagement und verschiedene Umweltschutzthemen benötigen allerdings noch mehr Überlegungen, wie Co-Benefits operativ besser erzielt werden können.


Jenseits von theoretischen Erwägungen hat das Konzept der GPGs eine Vielzahl von praktischen Implikationen für die Entwicklungspolitik. Diese sind allerdings in der Logik des bestehenden EZ-Systems noch nicht hinreichend verankert. Wir benötigen neue Anreize in der Wirkungslogik und Mittelzuteilung unserer EZ für Innovation, Konzeption, Durchführung und Finanzierung von Maßnahmen, die neben Armutsreduzierung auch auf die Erzeugung von Co-Benefits abzielen. Zu dieser Debatte soll dieser Artikel einen Anstoß geben.
 

Moira Feil ist Referentin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
moira.feil@bmz.bund.de

Mario Stumm ist Referent im BMZ.
mario.stumm@bmz.bund.de

Jürgen Zattler ist Unterabteilungsleiter für europäische und multilaterale Entwicklungspolitik im BMZ.
juergen.zattler@bmz.bund.de

Die Autoren äußern hier ihre persönliche Meinung.