Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Ökologische Sorgen chinesischer Bürgermeister

Aufgrund der starken Umweltzerstörung zeigt die Regierung Chinas wachsendes Interesse an ökologischen Belangen. Obendrein setzen die Industrieländer die Volksrepublik unter wachsenden Druck, etwas für den Klimaschutz zu tun. Auf der kommunalen Ebene sind Umweltdefizite besonders deutlich zu spüren. Deshalb ist das Engagement der Entscheidungsträger hier besonders groß.


[ Von Stefanie Schnitzer ]

Das enorme Wirtschaftswachstum in China fordert seinen Tribut. So werden Umweltprobleme zunehmend deutlicher. Krebs ist inzwischen eine der häufigsten Todesursachen, die Luftqualität in den Städten wirkt nicht nur auf Ausländer katastrophal.

In der Gesellschaft rumort es, Protest von Bürgern regt sich immer wieder. Um ihre Legitimation, die die chinesische Regierung bisher aus dem wirtschaftlichen Fortschritt zieht, aufrechtzuerhalten, versuchen Politiker durchaus, die ökologischen Probleme einzudämmen. Die Kommunistische Partei ist sich der Herausforderungen bewusst. Deshalb hat sie allgemein die „Harmonische Gesellschaft“ ausgerufen und im 11. Parteitagsbeschluss Energieeffizienz als Staatsziel definiert. Das fordert auch die Kommunen, die für die Lösung örtlicher Probleme zuständig sind.

Vor allem der Bauboom schafft viele Probleme in den Städten. Ganze Landstriche werden zugebaut, die Müllentsorgung ist oft nicht geregelt, und auch Luftverschmutzung und Lärm nehmen zu. Häufig ist die Trinkwasserversorgung nicht sichergestellt, und Abwässer werden häufig ungeklärt in die Flüsse geleitet.

Den kommunalen Verantwortlichen ist bewusst, dass die Kosten der Umweltsünden steigen – in Form von Krankheiten zum Beispiel oder auch von Ernteausfällen in der Landwirtschaft. Das Umdenken, dass es eben nicht nur auf schnelles Wachstum ankommt, hat begonnen – doch Bewusstseinswandel erfordert Zeit. Um ihn zu unterstützen, arbeitet InWEnt seit einigen Jahren mit der Bürgermeistervereinigung „China Association of Mayors“ (CAM) zusammen. Ihr Ursprung liegt bereits in den 70er Jahren, heute machen 5000 kommunale Spitzenleute mit. Das Ziel ist der wechselseitige Erfahrungsaustausch, Vorbild ist der Deutsche Städtetag, den einige Chinesen auf einer Reise kennengelernt hatten.


Marktgerechte Instrumente

Der CAM ist die nachhaltige und umweltgerechte Stadtentwicklung ein zentrales Anliegen. Auf Seminaren und Fachtagungen in China und Deutschland diskutieren die Bürgermeister vor allem, welche „weichen“ Steuerungsinstrumente – das sind Anreize, die nicht auf gesetzlichen Regelungen beruhen – sie im Sinne von mehr Energieeffizienz nutzen können und wie sie das am besten tun. Möglich sind Tarifgestaltungen, die energieeffiziente Firmen entlasten, oder Energiepässe, mit denen Behörden Gebäuden gute Isolierung bescheinigen und auf diesem Weg deren Marktwert erhöhen. Manche Städte finanzieren inzwischen aber auch erneuerbare Energien, um den zunehmenden Versorgungsengpässen zu begegnen.

Die Weiterbildungen zielen vor allem darauf, Entscheidungs- und Handlungskompetenzen zu stärken. Getreu dem chinesischen Sprichwort „Einmal sehen ist besser als 100 Mal hören“ kommen die Bürgermeister regelmäßig zu Fachbesuchen nach Deutschland. Dabei schauen sie sich beispielsweise Energieagenturen oder wärmesanierte Gebäude an.

Jiang Caiwen, Bürgermeister der Stadt Zunyi in der Provinz Guizhou, sieht den Erfolg des Fachseminars 2007 in Deutschland darin, dass „das Fachseminar den Horizont der Delegationsmitglieder erweitert hat. Außerdem konnten wir neue Denkansätze gewinnen und Maßnahmen für die eigene Arbeit identifizieren.“ Der Austausch wird auch im Rahmen deutsch-chinesischer Städtepartnerschaften gepflegt – etwa zwischen Hilden und der Provinz Guizhou. Einige Teilnehmer solcher Reisen sind inzwischen in hohe politische Ämter aufgestiegen. Dazu zählt auch der amtierende Bauminister der VR China, Wang Guangtao.

Auch der Bürgermeister der Teemetropole Pu’er im Südwesten der chinesischen Provinz Yunnan, Yao Guohua, hat von den Weiterbildungen profitiert. Als er nach einem Erdbeben im Juni 2007 Teile seiner Stadt neu aufbauen musste, konnte er in Deutschland erworbene Planungskenntnisse nutzen. Er wusste, wie Straßenführung, Wasserversorgung, Kanalisation und Deponieausbau zu berücksichtigen sind. Deshalb konnte er sowohl die Anforderungen des Umwelt-, Wasser- und Landschaftsschutzes als auch die Bürger bereits in der Planungsphase des Wiederaufbaus einbeziehen.

Freilich lassen sich nicht alle Umweltprobleme lokal beheben. So betrifft etwa die Verschmutzung von Flüssen oder dem Grundwasser nicht nur einzelne Kommunen. Wenn chinesische Bürgermeister in diesem Bereich etwas bewirken wollen, müssen sie untereinander kooperieren und auch auf andere staatliche Entscheidungsebenen einwirken. Auch dabei ist die Interessenvertretung, die der Deutsche Städtetag in der Bundesrepublik betreibt, ein Vorbild.

Ausblick

Die Zusammenarbeit mit der CAM hat sich bewährt. InWEnt wird den Dialog deshalb verstärken. Von 2008 an werden InWEnt und die CAM deutsch-chinesische Bürgermeisterforen jeweils jährlich abwechselnd in China und in Deutschland organisieren. Beim Festempfang zum 25-jährigen Jubiläum der Kooperation Ende 2007 sagte Michael Schäfer, der deutsche Botschafter in Peking: „Das Bürgermeisterprogramm widmet sich zentralen Themen von gleichermaßen lokaler und nationaler Bedeutung mit gleichzeitig globalen Auswirkungen.“ Die von den Partnern getragenen Veränderungsprozesse wird InWEnt auch in Zukunft durch Capacity Building unterstützen.