Covid-19-Impfung

Immunisierung auch in Afrika sicherstellen

Noch gibt es keinen Impfstoff gegen Covid-19. Doch in die Forschung fließt jetzt viel öffentliches Geld, und auch Pharmafirmen wurden aktiv. Nur: Wie gut werden die Ergebnisse verfügbar sein? Von der UN, der WHO und vielen Staatschefs wird versprochen, dass alle Zugang zu Impfungen bekommen, wenn sie zugelassen sind. Doch das ist keineswegs sicher.
Impfungen sind der Schlüssel zur weltweiten Bekämpfung gefährlicher Infektionskrankheiten wie Covid-19.   Philippe Lissac/GODONG/Lineair Impfungen sind der Schlüssel zur weltweiten Bekämpfung gefährlicher Infektionskrankheiten wie Covid-19.  

Auf der Weltgesundheitsversammlung (WHA) wurde am 19. Mai 2020 eine Resolution zur Bekämpfung von Covid-19 verabschiedet. Eine künftige Impfung wird dort explizit als „globales öffentliches Gut“ bezeichnet. Die Resolution räumt dem „schnellen universellen Zugang zu notwendigen Medikamenten und Technologien und ihren Vorprodukten hohe Priorität“ ein. Es nimmt dabei ausdrücklich auf das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Abkommen) der Welthandelsorganisation (World Trade Organization – WTO) Bezug. Dieses erlaubt die Vergabe von Zwangslizenzen für Arzneimittel und Impfstoffe, wenn die öffentliche Gesundheit bedroht ist. Die WHA befürwortete auch die Nutzung eines Patentpools.

Eine solche Plattform hob die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation – WHO) am 29. Mai 2020 aus der Taufe: Der Covid-19 Technology Access Pool (kurz C-TAP) bündelt die Patente und erleichtert die Lizenzvergabe. 38 Länder unterstützten C-TAP bei der Gründung, darunter fünf EU-Staaten – Deutschland gehörte nicht dazu.

Bis zum Covid-19-Ausbruch gab es kaum kommerzielle Forschungsprojekte zu Corona, obwohl mit SARS (2002) und MERS (2012) schon zwei Corona-Virenstämme zirkulierten, die schwere Erkrankungen auslösten. Investitionen kamen fast ausschließlich von öffentlicher Seite. So steckten etwa die US-National Institutes of Health seit 2003 fast 700 Millionen Dollar in die Corona-Forschung, davon flossen rund 100 Millionen direkt an Firmen. Auch die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) investierte erhebliche Summen.


Fehlendes Interesse

Die Pharmaindustrie selbst zeigte vor dem aktuellen Ausbruch wenig Interesse an der Entwicklung von Corona-Impfstoffen, obwohl die EU-Kommission dies bereits 2017 anregte und dafür auch Mittel bereitstellte. Seit der aktuellen Corona-Pandemie winken aber hohe staatliche Zuschüsse und ein großer Markt. Nun herrscht Goldgräberstimmung bei den Pharmaunternehmen.

Die EU-Kommission sammelt seit Mai 2020 im Rahmen der Initiative ACT Accelerator für die „Coronavirus Global Response“ erhebliche Geldsummen ein. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte: „Wir müssen eine Impfung entwickeln, wir müssen sie produzieren und sie in jede Ecke der Welt liefern und zu bezahlbaren Preisen zugänglich machen. Dieser Impfstoff wird unser universelles Gemeinschaftsgut […].“ Doch genau das ist nirgendwo rechtlich verbrieft. Die EU-Kommission betonte, dass sie von den Herstellern nicht erwarten würde, ihre Patentrechte aufzugeben. Die internationale Pharmaindustrie hat weitere Forderungen: Der Staat solle nicht nur in die Forschung investieren, sondern den Firmen auch die benötigten Impfstofffabriken bezahlen.


Wer hat das Sagen?

Der Mangel an Governance ist ein Kernproblem. Eigentlich sollte die WHO die Fäden in der Hand halten. Doch unklare Strukturen und zersplitterte Zuständigkeiten erschweren den Erfolg der Pandemie-Bekämpfung.

Beim Einsammeln der Gelder und der Verteilung der Covid-19-Mittel spielt die Initiative Access to Covid-19 Tools (ACT) Accelerator eine zentrale Rolle. Diese internationale Kampagne wurde im April von der WHO und weiteren Akteuren wie der Gates-Stiftung, dem Global Fund und Industrieverbänden initiiert. Die jeweiligen Geldgeber, also Staaten und Stiftungen, schütten ihre Mittel direkt an die Empfänger aus. Die EU führt lediglich Buch, ob die Zahlungen tatsächlich stattfinden.

Ein anderer wichtiger Akteur bei der Verteilung der Forschungsmittel zu Covid-19 ist CEPI. Diese öffentlich-private Forschungsinitiative wird schon seit Längerem wegen ihrer unklaren Zugangspolitik kritisiert.

Die Verantwortung für die Beschaffung und Verteilung von Impfstoffen soll bei der Impfallianz GAVI liegen, einer weiteren Public-private-Partnership. GAVI koordiniert zusammen mit der WHO die internationale Impfstoff-Plattform COVAX, durch die Optionen auf möglichst viele verschiedene aussichtsreiche Impfstoffkandidaten gesichert werden sollen. Selbstfinanzierende Länder können sich gegen Anzahlungen Optionen auf Impfdosen sichern.

Mit diesen Beträgen und Entwicklungshilfegeldern gibt GAVI dann Abnahmeversprechen an die Hersteller (sogenannte Advance Marketing Commitments – AMC). Diese Strategie ist allerdings umstritten, denn das erste AMC von GAVI erwies sich als Subventionsprogramm für die Pharmaindustrie. Die Gelder flossen für einen bereits auf dem Markt befindlichen Pneumokokken-Impfstoff, für den GAVI einen Preis zahlte, der die Produktionskosten deutlich überstieg.

Bei COVAX behält die Industrie die Patentrechte für ihre Impfstoffe und kann diese außerhalb der Kontingente, die GAVI abnimmt, beliebig teuer verkaufen. Es lässt sich aber weder beurteilen, ob der vereinbarte Einkaufspreis fair ist, noch ist gesichert, dass GAVI die Ärmsten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen tatsächlich angemessen versorgen kann.

Obwohl Kanzlerin Angela Merkel im Vorfeld und bei der Weltgesundheitsversammlung ausdrücklich erklärt hatte, dass Covid-19-Impfstoffe ein globales öffentliches Gut seien, das allen weltweit zugänglich sein müsse, zeigen die konkreten politischen Handlungen in eine andere Richtung. Deutschland und andere große EU-Mitgliedsstaaten haben bislang dem WHO Patentpool C-TAP keine Unterstützung zugesagt.

Statt auf global gerechten Zugang setzen nicht nur die USA, sondern auch Europa offensichtlich auf eigene Interessen und Schonung der Pharmaindustrie. Dafür sprechen die Vereinbarungen mit Herstellern. Nach Berechnungen von Oxfam haben sich Länder, in denen nur 13 Prozent der Weltbevölkerung leben, bereits die Hälfte aller potenziell innerhalb eines Jahres verfügbaren Impfdosen gesichert.

Winnie Byanyima, Chefin von UNAIDS und eine entschiedene Befürworterin des weltweit gerechten Zugangs zu Arzneimitteln, hatte für diese Taktik bittere Worte: „Erst hieß es ‚America first‘, jetzt heißt es ‚Europe first‘, und für Afrika fallen ein paar Krümel ab.“

Selektive Verhandlungen mit einzelnen Herstellern, Abnahmegarantien zu überhöhten Preisen oder freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie werden keine global gerechte Versorgung mit Arzneimitteln und Impfstoffen sicherstellen. Dafür ist ein Patentpool das sinnvollere Instrument. Denn um die maximal möglichen Mengen eines Medikaments herstellen und alle Regionen der Welt kontinuierlich beliefern zu können, bedarf es der Nutzung möglichst vieler Produktionsstätten. Das ist aber nur möglich, wenn Patentrechte gebündelt und Lizenzen zu fairen Konditionen an viele verschiedene Hersteller vergeben werden. Genau das kann der WHO-Patentpool sicherstellen.

Mit der fehlenden Unterstützung des Patentpools behindert die deutsche Regierung wichtige Weichenstellungen für eine global gerechte Versorgung. Als potenter Geldgeber für GAVI könnte Deutschland zudem dafür sorgen, dass die Vergabe von Mitteln an kommerzielle Hersteller mit klaren Auflagen für faire Preise verknüpft werden und die geistigen Eigentumsrechte an den WHO-Pool übertragen werden. Auf dem Papier unterstützt die Bundesregierung die Führungsrolle der WHO. Mehr Geld allein reicht jedoch nicht – gerechter Zugang muss von ihr aktiv eingefordert und konkret gesichert werden.


Jörg Schaaber ist Diplom-Soziologe und Gesundheitswissenschaftler. Er arbeitet seit ihrer Gründung für die BUKO Pharma-Kampagne.
info@bukopharma.de

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