Gluabe
Glaube macht Politik
Religionsgemeinschaften sind maßgeblich am Prozess der Meinungs- und Willensbildung von Gesellschaften beteiligt. In Kirchen und Moscheen wird diskutiert, was Menschen bewegt: Gesundheit, Familienplanung, Umweltschutz, Frieden. Durch Publikationen und Denkschriften, Hirtenbriefe oder Enzykliken greifen Religionsvertreter aktuelle gesellschaftspolitische Herausforderungen auf und bieten Lösungen an. Bestes Beispiel dafür ist die „Umwelt-Enzyklika“ des Papstes, die nicht nur Missstände der aktuellen Klimapolitik benennt und ein Umdenken der Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft fordert, sondern zugleich konkrete Lösungsansätze anbietet. Damit hat das Oberhaupt der katholischen Kirche einen Impuls für Debatten auch auf internationaler Ebene gegeben. Das zeigt, dass Glaubensvertreter Einfluss auf politische Entscheidungsträger, Entwicklungsprozesse und jeden Einzelnen ihrer Glaubensgemeinschaft nehmen können.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) nutzt dieses Potenzial, indem bei Projekten auch Kooperationsmöglichkeiten mit Religionsvertretern gesucht werden – und zwar erfolgreich. In Indonesien war der Aufbau eines Personenstandswesens in Aceh nach dem Tsunami 2004 erst möglich, nachdem der Islamische Gelehrtenrat eine Stellungnahme veröffentlichte, die der staatlichen Registrierung einen Beitrag zum Gemeinwohl bescheinigte. Zuvor lehnten weite Teile der Bevölkerung Registrierung als „christliches Konzept“ ab.
In Algerien wurden Imame gemeinsam mit staatlichen Vertretern darin unterstützt, Positionen zum Umweltschutz zu erarbeiten. Das daraus entstandene Handbuch für die Imam-Ausbildung „Rolle der Moscheen in der Umwelterziehung“ wird an Koranschulen verwendet und soll im Rahmen einer Süd-Süd-Kooperation nach Pakistan übertragen werden.
Religionen können auch helfen, Frieden zwischen Konfliktparteien zu schaffen. Religionsvertreter nehmen in vielen Kulturen traditionell Mediatorenrollen ein. In Burundi zum Beispiel arbeitet der Zivile Friedensdienst mit den lokalen Kirchen daran, verfeindete Gruppen an einen Tisch zu bringen. In Nigeria, im Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik setzen sich Imame und Bischöfe gemeinsam für Dialog ein. Dahinter steckt die ebenso einfache wie wichtige Erkenntnis, dass Religion dort, wo sie Teil des Problems ist, stets auch Teil der Lösung sein muss. (bf)