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Grenzüberschreitende Meinungsfreiheit
[ Von Khin Maung Win ]
Das Militär in Burma tut was es kann, um die Bürger zu unterdrücken. Es ist entschlossen, keine wie auch immer geartete Zivilgesellschaft entstehen zu lassen. Diese autoritäre Haltung sorgte zuletzt im vergangenen Mai weltweit für Schlagzeilen. Das Militär erschwerte lokale Hilfsaktionen, nachdem der Zyklon Nargis über das Land hinweg gefegt war. Dutzende Bürger wurden eingesperrt und zu Haftstrafen von bis zu 65 Jahren verurteilt – nur, weil sie Essen an Opfer verteilt oder freiwillig bei Rettungsmaßnahmen geholfen hatten.
Der Zyklon Nargis war die bisher schlimmste Naturkatastrophe in Burmas Geschichte. 138 000 Menschen starben, 2,5 Millionen wurden obdachlos. Das burmesische Militärregime, offiziell bekannt als „Staatsrat für Frieden und Entwicklung“ (SPDC), bereitete damals ein Scheinreferendum über die umstrittene Verfassung für den 10. Mai 2008 vor. Ausländische Hilfsorganisationen wurden nicht zu den Bedürftigen gelassen, weil das Land vor und während des Volksentscheids vom Rest der Welt abgeschnitten bleiben sollte. Durch massive Wahlfälschung wollte man Wählerstimmen gewinnen. Tatsächlich berichtete der SPDC von einer Wahlbeteiligung und einer Zustimmung zur Verfassung von je über 90 Prozent.
Hilfsspenden von Exilburmesen wurden als zivilgesellschaftliche Aktivitäten gewertet, die die Autorität des SPDC untergraben könnten. Daher gaben die Militärführer vor, die Katastrophe unter Kontrolle zu haben. Es scheint unglaublich, dass sie sowohl internationale als auch örtliche Hilfe während der Katastrophe verhinderten – aber genau das war, was sie taten.
Eine Geschichte der Unterdrückung
Der SPDC, der bis 1992 „Staatsrat zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung“ hieß, kam 1988 durch blutiges Vorgehen gegen eine Demokratiebewegung an die Macht. Dieses Militärregime war noch brutaler und repressiver als das vorangegangene. Sicherheitskräfte erschossen 3000 Burmesen, die für Menschenrechte und Demokratie - wie es sie 1948, zur Zeit der Unabhängigkeit von Britannien, gegeben hatte - demonstrierten.
Die letzten freien Wahlen in Burma fanden 1990 statt. Das Regime richtete diese Wahlen zwar aus, akzeptierte aber die Ergebnisse nicht. In einem Erdrutschsieg gewann die von Aung San Suu Kyi geführte Opposition. Die Nobelpreisträgerin ist heute das populäre Aushängeschild der Demokratie – und steht seit fast zwei Jahrzehnten unter Hausarrest.
Lokale und internationale Organisationen dokumentieren weitere Menschenrechtsverletzungen aller Art. Bürger, die HIV-Infizierten und Aidskranken helfen, werden festgenommen; ihre Büros durchsucht und gesperrt. Mehr als 2300 prominente oppositionelle Aktivisten sitzen Gefängnisstrafen von bis zu 108 Jahren ab – für politische Friedensaktivitäten.
Im Jahr 2007 waren es Mönche, die die Proteste für Demokratie anführten. Ihre Bewegung wurde als Safran-Revolution bekannt, bevor sie niedergeschossen wurde.
An der Medienfront
Die Unterdrückung der Zivilgesellschaft geht einher mit der totalen Kontrolle der Medien. Funk und Fernsehen werden staatlich kontrolliert; alle privaten Zeitungen und Zeitschriften werden vor und nach der Veröffentlichung strengstens von der regierungstreuen Zensurbehörde durchgesehen. Dutzende unabhängige Journalisten und Verleger sitzen im Gefängnis. Der „Reporter ohne Grenzen“-Index 2008 vergibt mit Rang 170 von 173 den weltweit viertletzten Platz in punkto Medienfreiheit an Burma. Mit anderen Worten: 55 Millionen Burmesen haben in ihrer Heimat keinen Zugang zu glaubwürdigen Medien.
Dennoch verliert das Regime den Kampf um die öffentliche Meinung. Trotz brutaler Repression drücken die Menschen in Exilmedien ihre Meinung über den SPDC sehr offen aus. Sie fordern weiterhin das, was sie seit der Demokratiebewegung 1988 gefordert haben. Sie wollen Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und weniger Armut.
Ausländische Rundfunkanstalten spielen eine große Rolle. Zu ihnen gehören der Burmesische Dienst der British Broadcasting Corporation (BBC), die Voice of America aus Washington und Radio Free Asia. Die in Norwegen ansässige Democratic Voice of Burma (DVB) ist eine weitere wichtige Quelle für unzensierte Nachrichten aus Burma und der Welt.
Obwohl es mehr als ein Dutzend bekannter burmesischer Medien im Exil gibt, haben nur die Funk- und Fernsehanstalten eine große Bedeutung im Land selbst. Kurzwellenradio und Satellitenfernsehen erreichen Menschen in ganz Burma.
Die DVB unterscheidet sich von BBC und Voice of America durch ihre Mission, die Zivilgesellschaft in Burma durch professionellen Journalismus zu stärken. Die britischen und amerikanischen Programme dienen auch anderen Zwecken, ihre Produzenten sind in komplexe Verwaltungsstrukturen eingebunden.
Seit ihrer Gründung 1992 besteht die Mission der DVB darin:
- genaue und neutrale Nachrichten für Burmesen und die internationale Gemeinschaft bereitzustellen,
- das Verständnis und die Zusammenarbeit der verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen in Burma zu fördern,
- eine unabhängige Meinungsbildung in Gang zu setzen und fortzuführen sowie einen gesellschaftspolitischen Diskurs zu ermöglichen, und schließlich
- das Verständnis für Demokratie und Menschenrechte in Burma zu stärken.
Das jährliche Budget des DVB ist in von rund 100 000 Dollar im Jahr 1992 auf rund 3,5 Millionen Dollar in diesem Jahr gestiegen. Der Sender wird von 12 Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen aus den USA, Kanada, Norwegen, Schweden, Dänemark, den Niederlanden, Irland, Tschechien und Ungarn finanziert.
Aber natürlich geht es um mehr als das. DVB Journalisten begeben sich in ernsthafte Gefahr. Zehn Kollegen sind in Haft und müssen bis zu 65 Jahre absitzen. Positiv ist aber, dass der DVB das Leben der Menschen verändert.
Die von Mönchen angeführte Demonstration im September 2007 und die Katastrophe durch Zyklon Nargis im Mai 2008 wurden von DVB-Korrespondenten in Burma gefilmt und danach per Satellitenfernsehen zurück nach Burma gesendet. Millionen von Menschen konnten solche Bilder erstmals auf ihren Bildschirmen sehen. Weltweit verbreiteten Agenturen wie Reuters und Associated Press diese Bilder. Diese Medienkampagne löste sofort internationale Reaktionen auf die Ereignisse aus. Nichts davon wäre vor 20 Jahren möglich gewesen. Anders Østergaards preisgekrönter Dokumentarfilm „Burma VJ“ handelt von der Arbeit der DVB und ihrer Journalisten und hat bis April dieses Jahres 19 internationale Preise gewonnen.
In den vergangenen 17 Jahren hat die DVB spürbare Wirkung erzielt. Besonders wichtig ist der Fortschritt in vier Bereichen:
- Im Beobachten der Gewalt und Mindern der Opferzahl: Bei der Safran-Revolution 2007 gab es relativ wenige Tote – kaum mehr als 100 Opfer, während es im Jahr 1988 rund 3000 waren. Ein Grund dafür war, dass der SPDC begriffen hatte, dass die Gewalt gefilmt wurde. Man fühlte sich weniger frei, Menschen umzubringen, als noch 1988. Ein DVB-Kameramann filmte die Ermordung des japanischen Journalisten Kenji Nagai am 27. September 2007 – die Bilder liefen innerhalb von Stunden weltweit über die Bildschirme. Nicht zuletzt sorgte dieses Material für einen Meinungswandel in Japan, das bis dahin Burmas größtes Geberland nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen war. Noch wichtiger aber war, dass diese Nachrichtenbilder weitere Morde verhinderten.
- Weniger Amtsmissbrauch: Es gibt Belege dafür, dass SPDC-Vertreter auch in anderer Weise auf Berichterstattung reagiert haben. Das Bewusstsein für Korruption ist gewachsen; einige Übeltäter wurden nach Medienberichten zur Rechenschaft gezogen. Solch positive Ergebnisse ermutigen die Menschen, die DVB und andere Exilmedien über ähnliche Fälle zu informieren.
- Meinungsfreiheit: Burmesische Demonstranten verleihen ihrer Meinung über die Medien Gehör, und erklären über diese, warum sie demonstrieren und welches Regierungssystem sie wünschen. Auf ähnliche Weise sprachen sich die Opfer des Zyklons Nargis gegen die Regierung aus, die internationale humanitäre Hilfe blockierte. Immer mehr in Burma arbeitende Journalisten stehen heimlich in Kontakt mit Exilmedien, wo sie Themen platzieren können, die im eigenen Land nicht publizierbar sind. Sogar Beamte von Regierungsbehörden beginnen, Anfragen von Exilmedien zu beantworten. Meinungsfreiheit nimmt zu, das ist offensichtlich.
- Forum für die Zivilgesellschaft: Die Unterdrückung durch den SPDC kann das Aufbegehren der Menschen gegen die Ungerechtigkeit nicht verhindern. Alltägliche Missstände beinhalten unter anderem Formen der Zwangsarbeit, illegale Beschlagnahmung von Land, Amtsmissbrauch in Regierungsbehörden und eine sich generell verschlechternde Wirtschaftslage. Mit diesen Themen befassen sich die Exilmedien, um die Basisarbeit zu unterstützen. DVB und andere Exilmedien bilden heutzutage ein Forum für Burmas zivilgesellschaftliche Bewegungen und machen es so unmöglich, diese Bewegungen auszulöschen.
Künftige Herausforderungen
Dennoch wird eine Nagelprobe für die Exilmedien die Frage sein, wie sie ihre Arbeit im Umfeld der Wahlen 2010 ausführen. Der SPDC plant Parlamentswahlen für 2010 unter der Verfassung, die im Mai 2008 bei dem Scheinreferendum bestätigt wurde. Das genaue Datum steht noch nicht fest.
Obwohl es Stimmen gibt, die die Wahlen als Lösung für die derzeitige politische Pattsituation betrachten, vertrauen die meisten Oppositionspolitiker – darunter die Nationale Liga für Demokratie – den avisierten Wahlen nicht. Auch die meisten Normalbürger tun das nicht. Jedermann weiß - so auch die Befürworter der Wahlen - dass die Wähler beim Referendum betrogen wurden. Ein ähnlicher Betrug ist erneut zu erwarten.
Im Vorfeld der Wahlen wurde die Kontrolle über die Medien in Burma erneut verschärft. Viele Oppositionelle sind im Gefängnis. Gemäß geltendem Gesetz darf sich niemand wählen lassen, der einmal in Haft gewesen ist. Die Wahlkommission, natürlich vom SPDC nominiert, hat 20 der 27 Parteien aufgelöst, die Sitze im Parlament von 1990 gewonnen hatten. Die politische Situation in Burma erfüllt nicht einmal die Minimalanforderungen an eine sinnvolle Wahl.
Es wäre verfrüht vorherzusagen, wie die Wahlen verlaufen werden. Dennoch können die Exilmedien – darunter die DVB – eine entscheidende Rolle spielen, indem sie zu einem gewissen Grad die Gleichheit von Parteien und Kandidaten herstellen und die Wahlen genau beobachten. Ob die Medien tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Wahlen 2010 haben, bleibt abzuwarten.