Peacebuilding
Engagierte Journalisten
Das Mandat der internationalen Schutztruppe für Afghanistan (International Security Assistance Force – ISAF) endet zum Jahreswechsel. Dann wird die ausländische Militärpräsenz deutlich reduziert. Internationale Beobachter warnen, der Bürgerkrieg könne ähnlich wie derzeit im Irak wieder aufflammen. Auch vielen Afghanen macht dieses Szenario Sorgen.
Die Journalistin Susanne Koelbl hält eine friedliche Entwicklung dennoch für möglich, allerdings müsse die internationale Gemeinschaft Afghanistan weiter unterstützen. Die Auslandsreporterin des Nachrichtenmagazins Der Spiegel wertet es als positiv, dass in diesem Jahr der erste demokratische Machtwechsel im Land erfolgt ist. Das lief zwar nicht reibungslos, weil die Spitzenkandidaten sich monatelang über das Wahlergebnis stritten und erst im September darauf einigten, dass Ashraf Ghani das Präsidentenamt übernimmt und seinen unterlegenen Widersacher Abdullah Abdullah als Chief Executive an der Macht beteiligt. Koelbl weist aber darauf hin, dass die meisten Afghanen stolz darauf sind, dass ein friedlicher Machtwechsel gelungen ist und dass die Wahlbeteiligung hoch war.
Aus Koelbls Sicht kommt es darauf an, dass die Afghanen erleben, dass sie politisch etwas bewegen können. Pluralismus sei nicht von heute auf morgen einzuführen. Die Journalistin schätzt, der Prozess werde 15 bis 20 Jahre erfordern. Nötig sei obendrein, dass die Menschen ein Einkommen hätten, das zumindest die Grundbedürfnisse sichert. Auf Dauer hänge die Stabilität Afghanistans davon ab, dass eine Alternative zu Drogenökonomie und Schmuggel gefunden werde. Traditionelle Einnahmequellen wie Ackerbau, Handel und Textilindustrie hätten im Krieg sehr gelitten. Das sagte sie im Rahmen eines Hintergrundgespräches in Leipzig, zu dem Engagement Global zusammen mit dem Deutschen Journalistenverband Sachsen im Oktober eingeladen hat.
Als weiterer Experte äußerte der Kommunikationswissenschaftler Kefa Hamidi seine Sicht der Dinge. Auch er sagte, im kommenden „Jahrzehnt der Transformation“ brauche Afghanistan weiterhin internationale Unterstützung, um seinen eigenen Weg zu finden: „Dieser Beistand ist nötig, damit sich die kleinen demokratischen Errungenschaften konsolidieren und die neu geschaffenen politischen Strukturen im Land selbsttragend funktionieren können.“
Aus Sicht von Hamidi ist die Medienentwicklung vielversprechend. Es habe einen „grundlegenden Wandel gegeben“. Das Medienrecht sei liberalisiert worden. Presse, Funk, Fernsehen und Internet böten heute eine stark diversifizierte und moderne Infrastruktur. Das publizistische Angebot sei rasant gewachsen.
Hamidi hat seine Doktorarbeit an der Universität Leipzig über die Rolle und das berufliche Selbstverständnis von Journalisten in Afghanistan geschrieben. Seinen Angaben zufolge ist die Zahl der Journalisten deutlich gestiegen, wobei auch viele Frauen in der Branche aktiv sind. Wichtig sei zudem das neue Rollenverständnis, das vor allem davon geprägt sei, Information vermitteln zu wollen und nicht nur politisch zu missionieren. Hamidi räumt ein, dass es noch Probleme gibt. Die schwierige Sicherheitslage führe dazu, dass viele Autoren eine Schere im Kopf hätten. Es gebe Publizisten mit Mut, Zivilcourage und Visionen für ihr Land – allerdings berichteten sie unter großen persönlichen Gefahren. Journalistenmorde kommen vor. Die Grundlagen für einen demokratisch-pluralistischen Journalismus seien gelegt, urteilt Hamidi, doch der langfristige Erfolg hänge nun von der politischen Stabilisierung ab.
Farida Nekzad ist eine afghanische Journalistin mit Zivilcourage. Als Gründerin und Chefredakteurin der „Wakht News Agency“ sind ihr Frauenrechte ein besonderes Anliegen. Sie hat Morddrohungen und einen Entführungsversuch hinter sich und weiß von Kolleginnen, die ihren Beruf mit dem Leben bezahlten. Die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig verlieh ihr im Oktober den Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien. Zurzeit erholt sich Nekzad als Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte mit ihrer Tochter in Deutschland. Sie will aber zurück, um ihre Arbeit fortzusetzen und sicherzustellen, dass Frauenthemen nicht zu kurz kommen. Sabine Witt