UN-Reform
Arme Länder und Zivilgesellschaft fühlen sich übergangen
Der Reformbericht, den ein hochrangiges Gremium im November 2006 vorlegte, schlug unter anderem vor, die Arbeit der einzelnen UN-Organisationen in Entwicklungsländern künftig von gemeinsamen Länderbüros aus zu koordinieren und gemeinsamen Programmen und Gesamtbudgets zu unterstellen. Ein neues UN Sustainable Development Board sollte die Länderprogramme überwachen.
Die Entwicklungsländer fürchten, dass solche Reformen ihre Position gegenüber den UN-Organisationen schwächen würden. Das wird aus einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon deutlich, in dem die Gruppe der 77 und China (G77) sowie die Blockfreienbewegung (Non-Aligned Movement, NAM) gemeinsam zu „Delivering as One“ Stellung nehmen. Viele der Einwände finden sich außerdem in einem gemeinsamen Positionspapier des Center of Concern, der International Trade Union Confederation, des World Federalist Movement sowie des UBUNTU Forum, einer globalen Plattform von Netzwerken der Zivilgesellschaft.
Beide Papiere kritisieren, der Reformbericht äußere sich zu vage zur künftigen Rolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank-Gruppe. Die NROs verweisen darauf, dass die Geberstaaten seit Jahrzehnten die politische Rolle der UN-Organisationen, besonders in der Handels- und Finanzpolitik, zugunsten des IWF und der Weltbank zurückgedrängt haben. Der Bericht hinterfrage nur die Effizienz der UN-Organisationen, nicht aber die der beiden Bretton-Woods-Institutionen. So drohe die vorgeschlagene Reform die UN zu einer Gruppe bloßer Durchführungsorganisationen zu degradieren, statt die Weltbank und den IWF besser ins UN-System einzubinden.
Zudem werten die beiden Stellungnahmen die in „Delivering as One“ kritisierte Vielfalt der UN-Organisationen durchaus auch als Vorzug. Sie erlaube es den Entwicklungsländern, unterschiedliche Analysen und Politik-Empfehlungen zu Rate zu ziehen. Angesichts der Dominanz von Weltbank und IWF sei es wichtig, dass einzelne UN-Organisationen auch künftig andere Sichtweisen entwickeln; darin liege eine Stärke des UN-Systems. Sowohl die Entwicklungsländer als auch die NROs fürchten, die Steigerung der Effizienz könne dazu genutzt werden, den UN-Entwicklungsagenturen die Mittel zu kürzen. G77 und Blockfreie fordern, eingesparte Mittel müssten in die UN-Entwicklungsarbeit zurückfließen. Beide Stellungnahmen wenden sich zudem gegen die Gründung eines Sustainable Development Board unter dem Dach des UN-Wirtschafts- und Sozialrats (ECOSOC). Sie empfehlen stattdessen, der ECOSOC solle selbst die Aufsicht über die UN-Entwicklungsarbeit erhalten.
Beide Papiere kritisieren auch das Verfahren, in dem der Bericht entstand. Laut den NROs hat ihn die vom damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzte Kommission unter unangemessenem Zeitdruck erstellt. Das habe die Beteiligung der Entwicklungsländer sowie von NROs und Parlamenten erschwert. Die Entwicklungsländer bemängeln, dass die Reform bereits in einigen Pilotländern umgesetzt wird (siehe E+Z/D+C 3/2007, S. 95), obwohl die Generalversammlung noch nicht einmal darüber debattiert hat.
Gegensätzlich bewerten NROs und Entwicklungsländer die Empfehlung, Querschnittsthemen wie Menschenrechte, Geschlechtergerechtigkeit und Umweltschutz in der gesamten UN-Entwicklungsarbeit mehr zur Geltung zu bringen. G77 und NAM fürchten neue Konditionen für die UN-Entwicklungshilfe, was ihrer Ansicht nach nicht akzeptabel wäre. Die NROs dagegen unterstützen diese Empfehlung weitgehend – nicht zuletzt den Vorschlag, die mit Geschlechterfragen befassten UN-Gremien zusammenzuführen und zu stärken. (bl)