Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Bevölkerungstrends

Noch mehr und immer älter

Die Weltbevölkerung wächst zwar langsamer als in der Vergangenheit, doch noch immer kommen jährlich rund 80 Millionen Menschen hinzu. Die demografische Entwicklung stellt alle Weltregionen vor Herausforderungen. Am größten sind sie in Subsahara-Afrika.
Japan hat die älteste Gesellschaft der Welt. Friedrich/picture-alliance/imageBROKER Japan hat die älteste Gesellschaft der Welt.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit übertraf 2018 die Zahl der Menschen über 64 Jahren die der Kinder unter fünf Jahren. Laut UN-Prognosen wird sich die Zahl der Menschen im Rentenalter in den nächsten 30 Jahren noch einmal verdoppeln. Dann werden die älteren Jahrgänge zahlenmäßig auch die Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen übersteigen. Die Weltbevölkerung wird künftig also vor allem eines: immer älter.

Wer etwa aus Italien, Portugal oder Deutschland kommt, ist darüber kaum verwundert. Hier liegt das Medianalter, das die Bevölkerung in zwei gleich große Gruppen teilt, bei über 45 Jahren. Das sind Spitzenwerte in Europa, der ältesten Weltregion. Nur in Japan sind die Menschen mit einem Median von 48 Jahren noch älter.

Dass die Menschen immer älter werden, bringt vor allem dort Probleme mit sich, wo der Anteil der Älteren gegenüber den Menschen im Erwerbsalter zunimmt. Denn Letztere müssen die Mittel erwirtschaften, die für die Versorgung der Rentner nötig sind. Die Frage, wie Sozial- und Rentensysteme auf die zunehmende Alterung ausgerichtet werden können, bestimmt in den Ländern des globalen Nordens viele politische und gesellschaftliche Debatten. Nachhaltige Lösungen dafür zu finden wird immer dringender, denn die schwierigen Jahre stehen den Staaten durch die alternden Jahrgänge der „Babyboomer“ erst noch bevor.

Die Alterung der Gesellschaft betrifft aber nicht nur den globalen Norden, sondern zunehmend auch Schwellen- und Entwicklungsländer. Da in Lateinamerika, Nordafrika und dem Nahen Osten die Lebenserwartung in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen ist, dürfte sich der Anteil der über 64-Jährigen an der Gesamtbevölkerung dort bis 2050 verdoppeln. Die Staaten stehen vor der Herausforderung, die Gesundheits- und Sozialsysteme auszubauen, um den Bedürfnissen der wachsenden Zahl älterer Menschen gerecht werden zu können.

Die zunehmende Alterung ist das Ergebnis eines Entwicklungspfades, der als demografischer Übergang bezeichnet wird (siehe Kasten). Am Ende dieses Prozesses schrumpft die Bevölkerung. Bis 2050 dürften insgesamt 55 Länder weltweit einen Rückgang ihrer Einwohnerzahlen von mindestens einem Prozent erleben, viele davon in Europa. Die größten absoluten Verluste sind allerdings in China zu erwarten: Laut UN-Schätzungen wird der Bevölkerungsriese, der heute mit 1,4 Milliarden mehr Einwohner zählt als der gesamte afrikanische Kontinent, Mitte des Jahrhunderts etwa 37 Millionen Menschen weniger haben. Die Folgen der Ein-Kind-Politik werden das Land sehr bald vor neue demografische Herausforderungen stellen (siehe Beitrag von Felix Lee im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2020/04).

Insgesamt wird die Weltbevölkerung künftig langsamer wachsen als in der Vergangenheit. Seit Mitte der 1960er Jahre hat sich die Wachstumsrate bereits von zwei auf ein Prozent halbiert. Doch da heute deutlich mehr Menschen im reproduktiven Alter auf der Erde leben als vor knapp 60 Jahren, wächst die Bevölkerung aktuell noch jährlich um etwa 80 Millionen. Bis 2050 entspricht das einem Zuwachs von rund 2 Milliarden auf 9,7 Milliarden Erdenbürger. Der Zuwachs konzentriert sich vor allem auf Süd- und Zentralasien sowie auf Afrika. Allein auf Subsahara-Afrika wird in den nächsten 30 Jahren über die Hälfte des globalen Bevölkerungswachstums entfallen.


Den Übergang meistern

Eine wachsende Bevölkerung stellt kein Problem dar, solange die steigende Zahl an Menschen gut versorgt werden kann. Allerdings liegt genau hier die Herausforderung für Subsahara-Afrika: In vielen Staaten der Region fehlt es schon heute an Nahrung, Sanitäreinrichtungen, Krankenhäusern oder Schulen. Zudem mangelt es nahezu überall an Arbeitsplätzen, die ein auskömmliches Leben ermöglichen und den Menschen eine Zukunftsperspektive bieten (siehe Beitrag von Samir Abi im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2020/04).

Der Hauptgrund für das rasche Wachstum der afrikanischen Bevölkerung liegt in den anhaltend hohen Kinderzahlen in der Region. Während die Sterberaten in allen Ländern des Kontinents bereits stark gesunken sind, fallen die Geburtenziffern deutlich langsamer als zuvor in anderen Weltregionen. So bringen Frauen in Afrika im Laufe ihres Lebens heute durchschnittlich 4,5 Kinder zur Welt und damit beinahe doppelt so viele wie in allen anderen Teilen der Welt.

Der Blick auf die Durchschnittswerte verschleiert jedoch die große Spannbreite, die es in Sachen demografischer Entwicklung in Afrika gibt. Einige Länder, wie die hoch entwickelten Inselstaaten Mauritius und Seychellen oder die nordafrikanischen Staaten Marokko und Tunesien, sind für afrikanische Verhältnisse bereits weit im demografischen Übergang vorangeschritten. Die Geburtenziffern liegen dort bei unter 2,5 Kindern je Frau.

Andere Länder erleben zurzeit einen raschen Rückgang der Kinderzahlen, da sie an den wesentlichen Stellschrauben gedreht haben: So ist es beispielsweise in Ghana gelungen, durch Investitionen in der Landwirtschaft die Einkommen von Kleinbauern zu erhöhen, was sich positiv auf die Kindergesundheit ausgewirkt hat. Gepaart mit hohen Bildungsinvestitionen, hat dies dazu geführt, dass sich die Sicht auf die ideale Familiengröße verändert und Frauen im Schnitt nun 3,9 Kinder bekommen. Das gilt auch für Äthiopien, wo die Geburtenziffer von über sieben Kindern pro Frau in den 1990er Jahren auf etwas mehr als vier Kinder gesunken ist – vor allem dank Verbesserungen im Gesundheitssystem, einem leichteren Zugang zu Verhütungsmitteln und mehr Mitbestimmung und Bildung für Frauen.

Die Beispiele zeigen, dass es im Hinblick auf die demografische Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent einige positive Trends gibt. Andere Länder können von diesen Erfahrungen lernen und daraus Maßnahmen ableiten, um ihren eigenen demografischen Übergang zu beschleunigen. Sollten die Fertilitätsraten in Subsahara-Afrika künftig schneller sinken als bisher, dürfte langfristig nicht nur der Versorgungsdruck nachlassen. Mittelfristig würde das auch einen Wandel der Altersstruktur mit sich bringen, der einen ökonomischen Vorteil für die afrikanischen Staaten darstellen kann: nämlich dann, wenn sich der Schwerpunkt der Bevölkerung von den jüngsten Jahrgängen hin zu jenen im Erwerbsalter verschiebt, die wenige Kinder und Ältere zu versorgen haben. Dann stehen der Wirtschaft überproportional viele Menschen zur Verfügung, die für einen demografiebedingten Entwicklungsschub sorgen können – vorausgesetzt die nötigen Arbeitsplätze sind vorhanden (siehe Infokasten zur demografischen Dividende – Box Samir Abi im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2020/4).

Unter den richtigen Rahmenbedingungen könnte die demografische Entwicklung den afrikanischen Staaten in Zukunft also einen Vorteil gegenüber den alternden Gesellschaften des globalen Nordens einbringen, denen zunehmend die Erwerbsfähigen ausgehen. Dazu müssten die Regierungen Subsahara-Afrikas allerdings in jenen Bereichen für Verbesserungen sorgen, die nachweislich einen Einfluss auf die Kinderzahlen haben: im Gesundheits- und Bildungssektor und bei den Arbeitsplätzen.

Auf der anderen Seite müssen die Staaten des globalen Nordens Wege finden, mit Alterung und Schrumpfung umzugehen und dabei Wirtschaft und Wohlfahrtssysteme am Laufen zu halten. Ein Mittel, um beide Entwicklungen abzufedern, ist Migration. Dagegen gibt es allerdings in den entwickelten Staaten momentan große Vorbehalte. Der demografische Wandel könnte diese Staaten schon sehr bald dazu zwingen, sich einzugestehen, dass sie in Zukunft auf Zuwanderung angewiesen sind.


Alisa Kaps ist Wissenschaftlerin am Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung und beschäftigt sich hauptsächlich mit den demografischen Herausforderungen in Subsahara-Afrika.
kaps@berlin-institut.org