Internationale Medien
Deutschlands weltoffene Seite
[ Von Hugh Williamson ]
Die Rolle der Medien hat sich in den vergangenen 50 Jahren dramatisch gewandelt. Publizistische Einheiten, die sich nicht den neuen Anforderungen stellen, werden obsolet. Von E+Z/D+C kann man das nicht sagen. Diese Zeitschrift wird den heutigen Bedürfnissen gerecht.
Unsere Welt ist zunehmend von der flüchtigen und häufig sensationsheischenden Informationsflut des Internets geprägt. Es gibt eine wachsende Zahl von spezialisierten Wissensgemeinschaften, in denen als selbstverständlich gilt, was nicht eingeweihten Menschen fremd bleibt. Früher hatten alle reichen Nationen einen Kanon von Allgemeinbildung, der bei allen wichtigen Entscheidungsträgern vorausgesetzt werden konnte. Eine Handvoll Qualitätszeitungen schrieb ihn täglich fort.
Diese Zeiten sind vorbei. Die Financial Times, für die ich arbeite, hat diesen Prozess miterlebt und mitgestaltet. Selbstverständlich ist sie immer noch eine Zeitung für britische Geschäftsleute – aber eben nicht nur für diese Zielgruppe. Die Auflagen in Kontinentaleuropa und den USA sind zusammen größer als die britische, die asiatische wächst, und unsere Website hat enorm an Bedeutung gewonnen. Nicht zuletzt dank der internationalen Reichweite hat die FT heute mehr denn je eine Rolle als politisches Leitmedium.
Die neuen Herausforderungen haben unsere Arbeitsweise verändert. Wir benutzen zum Beispiel viel weniger britische Idiome als in der Vergangenheit, weil wir auch jenseits der nationalen Grenzen verstanden werden müssen. Wir recherchieren heute mit eigenen Korrespondenten aktiv in allen Weltgegenden.
E+Z/D+C ist mir dabei eine wertvolle Ressource. Sie bietet Orientierung im Weltgeschehen, weil sie auf allen möglichen Feldern entwicklungsrelevanten Fragen nachgeht. Zugleich bietet sie wertvolle Anknüpfungspunkte, weil die Autoren selbst aus der Fachwelt stammen. E+Z/D+C hilft Journalisten, Themen zu finden und zu vertiefen – und liefert für relevante Ansprechpartner gleich die E-Mail-Adresse mit.
Der Qualitätsjournalismus steckt heute in einer tiefen Krise. Das Geschäft ist härter geworden, weil redaktionelle Qualität sich heute weniger automatisch als früher in Anzeigenerlösen niederschlägt. Verleger versuchen immer wieder die Kosten zu senken.
Besonders dramatisch hat sich die geringere Bereitschaft, in Recherche zu investieren, in den USA ausgewirkt. Traditionsreiche Blätter wie der Seattle Post Intelligencer oder die Rocky Mountain News in Denver wurden eingestellt, manche existieren als Website weiter. Es gibt – vor allem im Internet, aber auch in Printprodukten – einen klaren Trend weg von der faktenreichen Berichterstattung, die Recherche erfordert und entsprechend teuer ist, hin zu meinungsorientierten Essays. Die Darstellungsform des kommentierenden Blogs ist in der Produktion relativ billig und setzt auf weltanschauliche Bindungswirkung.
E+Z/D+C geht einen anderen, interessanteren Weg. Dieses Forum ist aufregend, weil hier Wissenschaftler, Praktiker, Politiker und zivilgesellschaftliche Akteure miteinander über Policyoptionen diskutieren. Die Zeitschrift polarisiert gar nicht so sehr, sie sucht Schnittmengen zwischen auseinanderstrebenden Positionen und vernetzt dabei weltweit Fachleute. Sie wandelt in verschiedenen Sphären – von Hochschulen über staatliche Verwaltungen und private Unternehmen bis hin zu multilateralen Institutionen.
Internationales Vorbild
Dass bei E+Z/D+C das Konzept stimmt, zeigt sich auch daran, dass andere Geberinstitutionen inzwischen mit ähnlichen Mitteln arbeiten. An dieser Stelle seien zwei publizistische Beispiele genannt: The Broker und Development Asia.
Die holländische Publikation The Broker erscheint alle zwei Monate, in diesem Juli ist als Doppelnummer die 20. Ausgabe erschienen. In diesem Blatt diskutieren Fachleute Trends der Entwicklungspolitik. Allerdings scheint das Interesse, Autoren aus Asien, Afrika und Lateinamerika zu Wort kommen zu lassen, (noch) weniger stark ausgeprägt als bei E+Z/D+C. Wie E+Z/D+C wird The Broker von der Regierung mit dem Auftrag finanziert, Entwicklungspolitik kontrovers zu diskutieren.
Development Asia erscheint vierteljährlich im Auftrag der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB). Das Blatt mutet an wie Times oder Newsweek in den guten alten Zeiten. Professionelle Reporter recherchieren wichtige Themen und berichten ohne Scheuklappen. Offizielle Policy wird in dem Magazin nicht vertreten, die Bank präsentiert sich nur auf Anzeigenseiten. Titel wie „A Growing Hunger“ (April 2010) belegen, dass die ADB nicht PR-typischen Optimismus erzeugen will, sondern hofft, ernsthafte Diskussionen in Gang zu setzen.
In E+Z/D+C zeigt sich Deutschland von seiner weltoffenen Seite. Das ist leider immer noch nicht selbstverständlich. Es gibt weiterhin viele Publikationen, die deutsche Institutionen schlecht übersetzt auf Englisch veröffentlichen und die sich nur mit Mühe lesen lassen. D+C gehört nicht dazu. Das Blatt ist handwerklich gut gemacht.
In der internationalen Entwicklungspolitik wird gern über die Deutschen gespottet. Es heißt, dass – wenn zu einer internationalen Konferenz das englische Entwicklungsministerium DfID und das BMZ je mit acht Vertretern anreisten – die Briten in jedem Arbeitskreis eloquent die Position ihres Ministers verträten, während von den Deutschen nur ein oder zwei sich holprig auf Englisch artikulierten und die anderen nur aufmerksam zuhörten. Das deutsche Team bestehe eben überwiegend aus Vertretern verschiedener Durchführungsorganisationen, die argwöhnisch darauf achteten, dass nicht eine andere deutsche Institution ihrem Arbeitgeber einen Auftrag wegschnappe. Am Schluss setzten die Briten ihre Position durch.
Dieser Spott ist selbstverständlich überzogen – aber sicherlich werden die deutschen Kollegen seinen wahren Kern problemlos erkennen. E+Z/D+C zeigt, dass Deutschland auch anders auftreten kann, nicht schüchtern und defensiv, sondern argumentativ, andere einbeziehend und langfristig gewinnend.