Entwicklung und
Zusammenarbeit

Frauenrechtsaktivistinnen

„Die Kriminalisierung von häuslicher Gewalt war ein Meilenstein“

Wie jahrelange Lobbyarbeit, Aufklärungsarbeit und politische Verhandlungen zum Erfolg führten: Juraprofessorin Kamola Alieva aus Usbekistan berichtet über die Kampagne gegen häusliche Gewalt an Frauen.
Kamola Alieva, Juristin und Frauenrechtsaktivistin. Kamola Alieva Kamola Alieva, Juristin und Frauenrechtsaktivistin.

Dieser Artikel ist Teil einer Reihe von Interviews mit Frauenrechtlerinnen aus der ganzen Welt. Sie teilen ihre Erlebnisse und berichten von Erfolgen der Frauenrechtsbewegungen in ihren Ländern.

Wie setzen Sie sich für die Rechte von Frauen ein und was treibt Sie an?

Ich bin Juristin und lehre Verfassungsrecht an der Staatlichen Juristischen Universität in Taschkent (TSUL). In meiner Doktorarbeit habe ich mich mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen beschäftigt, die Gleichstellung der Geschlechter gewährleisten können. Ich schule Regierungsbeamt*innen, Richter*innen und Journalist*innen in geschlechtersensibler Politik, Rechtsschutz und der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt. Zudem leite ich eine Gruppe Student*innen, die Aufklärungsvideos über Gewalt gegen Frauen produzieren, um Geschlechtergleichheit zu fördern und sozialen Wandel voranzutreiben. Ich setze mich für den Aufbau einer integrativen, gerechten Gesellschaft ein, in der die Rechte von Frauen geschützt sind. Das treibt mich an.

Womit haben Frauen in Usbekistan heute zu kämpfen?

Frauen sind massiv von häuslicher Gewalt betroffen, sie erreichen selten Führungspositionen und haben geringere wirtschaftliche Chancen. Es gibt zwar Fortschritte im Bildungsbereich, aber gesellschaftlich werden Frauen nach wie vor in traditionelle Rollen gezwängt. Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt haben kaum Möglichkeiten, vor Gericht zu gehen. Auch am Arbeitsplatz werden Frauen diskriminiert, vor allem in ländlichen Gebieten, wo es weniger Möglichkeiten gibt und patriarchale Ansichten dominieren.

Was hat die Frauenrechtsbewegung in Usbekistan erreicht?

Nach jahrelangem beharrlichem Aktivismus wurde häusliche Gewalt kriminalisiert, das ist ein Meilenstein. Auch in der Bildung und im öffentliches Leben sind Frauen stärker vertreten. Es wurden Frauenhäuser und Rehabilitationszentren eingerichtet, die den Opfern von geschlechtsspezifischer Gewalt und Gewalt gegen Frauen und Mädchen Schutz bieten. Diese Angebote müssen jedoch besser zugänglich und qualitativ verbessert werden. In der Gesellschaft gibt es nach wie vor Widerstand gegen Reformen, die auf die Gleichstellung der Geschlechter abzielen, und es gibt Defizite bei der Umsetzung der politischen Beschlüsse und Gesetze.

Nachdem ihr viele Jahre dafür gekämpft habt, hat Usbekistan 2023 häusliche Gewalt unter Strafe gestellt. Wie kam das?

Wir haben Lobbyarbeit an der Basis, internationale Zusammenarbeit und evidenzbasierte Politikempfehlungen kombiniert. Feministische Aktivistinnen wie Irina Matvienko und ihr Team on Nemolchi.uz sowie die Menschenrechtsanwältin Dilfuza Kurolova haben durch Lobbyarbeit auf das Problem aufmerksam gemacht. Mit Kampagnen haben wir der Öffentlichkeit den Ernst des Problems vor Augen geführt, und durch strategische Partnerschaften mit internationalen Organisationen technische Expertise und Unterstützung erhalten. Der Schlüssel zum Erfolg war aber sicherlich der konstruktive Dialog zwischen der Zivilgesellschaft und der Regierung. Er hat das gegenseitige Verständnis verbessert und den Weg für die Zusammenarbeit bei politischen Reformen geebnet.

Kamola Alieva ist Juristin und Frauenrechtsaktivistin. Sie ist außerordentliche Professorin für Verfassungsrecht an der Staatlichen Universität für Recht in Taschkent (TSUL). 
kamolaalieva@gmail.com