Globalisierung

WTO-Paket scheitert

Internationaler Handel und Migration prägen die heutige Weltgesellschaft ebenso wie globale Umweltveränderungen. Aus Sicht von Experten muss mehr getan werden, um Politik zu gestalten, die allen Phänomenen gerecht wird.
Migration verläuft typischerweise innerhalb von Nationalstaaten über kurze Zeit und  kurze Distanzen: Geflügellieferung für einen ländlichen Markt in den peruanischen Anden. Dembowski Migration verläuft typischerweise innerhalb von Nationalstaaten über kurze Zeit und kurze Distanzen: Geflügellieferung für einen ländlichen Markt in den peruanischen Anden.

Dass Globalisierung die Lebensbedingungen aller Menschen weltweit verändert, ist mittlerweile eine Binsenweisheit. Internationale Arbeitsteilung führt dazu, dass Lebensmittel, elektronische Geräte oder Textilien weite Transportwege zurücklegen, bis sie in den jeweiligen Absatzmärkten verkauft werden. Auch Menschen sind mittlerweile sehr mobil. Laut UN-Schätzungen lebten im Jahr 2013 rund 232 Millionen Menschen nicht in ihrem Geburtsland. Das entspricht 3,2 Prozent der Weltbevölkerung.

Politische und gesetzliche Regeln auf verschiedenen Ebenen sollen diese Entwicklungen lenken. Allerdings ist das System der Global Governance aus Sicht von Experten zersplittert und bleibt vielfach hinter den Erwartungen zurück.

Die Welthandelsorganisation (WTO) steckte jahrelang in einer Verhandlungsrunde fest, die 2001 bei einem Gipfel in Katar gestartet wurde. Erst im Dezember vergangenen Jahres gelang es in Bali, ein Abkommen der 159 Mitgliedsländer über einen Minimalkonsens zu schließen, der allerdings weit hinter dem zurückblieb, was ursprünglich anvisiert worden war. Zu Redaktionsschluss war dann auch klar, dass dieses Paket dennoch gescheitert ist, weil Indien es nicht fristgerecht bis Ende Juli unterzeichnete.

Babajide Sodipo, ein Handelsexperte von der AU kritisiert ohnehin, der Entwicklungsfokus der WTO-Verhandlungen sei verloren gegangen. „Entwicklungsländer sind mit anderen Prioritäten in die Verhandlungen eingestiegen.“ Er hätte etwa in Agrardingen mehr Konzessionen der reichen Länder erwartet.

Karl-Ernst Brauner von der WTO sagt dagegen, in Bali sei es darum gegangen, ein machbares Paket zu verabschieden. Es hätte den am wenigsten entwickelten Ländern zudem Vorzugsbehandlung, unbeschränkten Marktzugang zu allen WTO-Mitgliedern und Zollfreiheit gewährt.

Aus EU-Sicht ist bilaterale Handels­politik indessen seit Jahren erfolgversprechender. Frank Hoffmeister, ein Kommissionsbeamter begründet das unter anderem damit, dass „soziale, ökologische und arbeitsrechtliche Standards“ in die Verträge aufgenommen werden können. Als Beispiel nennt er das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit dem Caribbean Forum von 2008, in dem sich die Vertragspartner unter anderem zu den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation bekannten. Für die EU ist auch positiv, dass bilaterale Abkommen über den WTO-Minimalkonsens hinausgehen können.

Allerdings kommt auch die bilaterale Handelspolitik nur sehr langsam voran. An Partnerschaftsabkommen mit afrikanischen Staatengemeinschaften arbeitet die EU seit über einem Jahrzehnt ohne abschließende Erfolge. Auch das kam bei den Eschborner Fachtagen der GIZ im Juli Sprache.

 

Wechselwirkungen

Es ist wichtig, Handel und Migration im Zusammenhang zu sehen. Laut Dominik Ziller vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) dient Handel der nachhaltigen Entwicklung, weil er absolute Armut reduzieren und entsprechend auch armutsinduzierte Migration verringern kann.

Den Bürgern reicher Länder ist allerdings oft nicht klar, was Migration normalerweise bedeutet. Die Abwanderung in andere Länder ist vergleichsweise selten, wie Cecilia Tacoli vom International Institute for Environment and Development in London berichtet. Typisch sei die Migration armer Menschen vom Land in wohlhabendere Agrarregionen und Städte ihrer Heimatländer. Wanderungsbewegungen seien dabei meist kurzfristig und über kurze Distanzen.

Der Klimawandel verstärkt Tacoli zufolge den Migrationsdruck, da Extremwetterlagen wie Dürren oder Überschwemmungen die Existenzgrundlage vieler Menschen bedrohten. Migration sei eine Anpassungsstrategie an solche Bedingungen. Tacoli warnt, solche Migrationsbewegungen könne und solle die Politik nicht aufhalten. Ihre Ausführungen zeigen, dass auch die globale Umweltpolitik im Gesamtzusammenhang von Wirtschafts- und Migrationspolitik verstanden werden muss.

Monika Hellstern