Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Reform der Technischen Zusammenarbeit

Atmende Organisation

Die schwarz-gelbe Koalition will die komplizierte Vielfalt der entwicklungspolitischen Durchführungsorganisationen in Deutschland korrigieren. Das Ziel ist klar – aber auf dem Weg dorthin sind Anregungen und Ideen erwünscht.

[ Von Tom Pätz ]

„Sie wollen uns alle bei unseren Projekten unterstützen“, sagt Basilo Arauch aus Indonesien. „Mir ist aber oft nicht klar, worin sie sich unterscheiden, und was ihre jeweiligen Kernkompetenzen sind.“ Diesem Urteil über die Durchführungsorganisationen der deutschen Entwicklungspolitik schließen sich auch Parviz Norov aus Tadschikistan und Karina Ruiz aus der Dominikanischen Republik an. Das ist bitter – denn alle drei sind in ihren Ländern mit der Koordination der Entwicklungszusammenarbeit befasst.

Besonders bitter ist aber, dass sich an ihrer Ratlosigkeit während einer InWEnt-Veranstaltung, die im September 2009 die deutsche Entwicklungspolitik und ihre Institutionen erklären sollte, nicht viel änderte. Kollegen von GTZ, KfW, DED, InWEnt, CIM sowie dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) stellten ihre Konzepte vor. Die Veranstaltung war gut gemacht, und das galt auch für die verschiedenen Präsentationen. Dennoch war das Ergebnis Verwirrung. Das liegt daran, dass der Gegenstand selbst – die deutsche Institutionenvielfalt – verwirrend ist.

Deutschland ist seit über 50 Jahren entwicklungspolitisch aktiv. Deutsche Schulen unterhalten Partnerschaften mit Schulen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Deutsche Universitäten und Kommunen sind weltweit vernetzt. Die Palette privater Initiativen, die Projekte in aller Welt unterstützen, ist breit. Die Wirtschaft leistet Beiträge ebenso wie Kirchen und politische Stiftungen. Viele Bundesländer pflegen Partnerschaften mit Ländern im Süden und fast alle Bundesministerien erfüllen Aufgaben, die zur OECD-Liste der „official development assistance“ (ODA, staatliche Entwicklungshilfe) zählen.

Das Interesse an Menschen in anderen Ländern ist in Deutschland ausgeprägt. Dies belegt auch die Spendenbereitschaft zur Linderung von Schäden durch Naturkatastrophen immer wieder. Besonders junge Leute finden dieses Politikfeld wichtig. Dieses Engagement wird überall geschätzt.

Das gilt auch für die Arbeit der staatlich finanzierten Organisationen GTZ, InWEnt und DED. Jede dieser Organisationen hat ihr Instrumentarium perfektioniert und arbeitet routiniert. Alle drei haben eigene Strukturen, Formate, Verfahren, Identitäten und eigenes Personal sowie eigene Repräsentanzen vor Ort. Für sich genommen stellen sie unsere Partner in der Regel auch zufrieden.

Das ist schön – aber nicht genug. Die Arbeit der Durchführungsorganisationen der deutschen Entwicklungspolitik ist nämlich in der Praxis oft nur oberflächlich verzahnt. Das reicht nicht, um synergetisch weiteren Mehrwert zu erzeugen. Das Problem ist längst erkannt. Diskutiert wird über die Vielfalt deutscher Agenturen auf dem Feld der Entwicklungspolitik schon seit drei Jahrzehnten. In der Tat lehrt die Erfahrung, dass die verschiedenen Instrumente umso effektiver und effizienter zum Einsatz kommen, je besser sie aufeinander abgestimmt werden.

In den vergangenen Jahren hat es deshalb verstärkte Anstrengungen gegeben, GTZ, InWEnt und DED zusammen agieren zu lassen. Das Schlagwort lautete „Entwicklungszusammenarbeit aus einem Guss“. Das klang gut, blieb aber bisweilen eher Anspruch als Wirklichkeit.

Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag im Herbst festgelegt, dass sich das ändern muss. Die Institutionen der Technischen Zusammenarbeit sollen zusammengeführt werden. In seiner Antrittsrede sagte Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel, dass die Mittel zur Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele wirksamer einzusetzen seien. Die Auflösung von Doppelstrukturen werde die Schlagkraft erhöhen.

Der Reformprozess der Technischen Zusammenarbeit hat begonnen. Niebel hat bereits im Dezember Gespräche mit den Geschäftsführern der staatlichen Durchführungsorganisationen geführt und sie eingeladen, sich aktiv an dem Reformprozess zu beteiligen. So ist ein konstruktiver Dialog entstanden. Es wurden Arbeitsgruppen in den jeweiligen Organisationen gebildet und rechtliche Fragestellungen eruiert. Einbezogen wurden zudem die verschiedenen Akteure der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und der Bundesländer, die an DED und InWEnt beteiligt sind.

Das BMZ tauscht sich darüber hinaus mit anderen Bundesbehörden in dieser Sache aus. Dazu gehören das Finanzministerium, das Auswärtige Amt und andere Bundesressorts sowie der Bundesrechnungshof. Gerade der Rechnungshof hatte sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die Verzettelung in der Entwicklungspolitik ausgesprochen.

Ehrgeiziges Programm

Der Weg ist noch nicht in allen Details abgesteckt, aber das Ziel zeichnet sich immer deutlicher ab. Gebraucht wird eine atmende Organisation, welche die Stärken der bisherigen Institutionen weiterführt und ausbaut. Das ist leichter gesagt als getan, denn die Herausforderungen sind groß:
– Die spezifischen Kompetenzen von GTZ, InWEnt und DED, die als erfolgreiche Institutionen eigene Strukturen, Identitäten und Verfahren herausgebildet haben, müssen erhalten bleiben. Die innovative Zusammenführung soll den Mehrwert der verschiedenen Aktivitäten sogar deutlich steigern.
– Die drei Organisationen sind rechtlich verschieden verfasst. Sie werden unterschiedlich mit Mitteln bewirtschaftet und unterliegen recht differenzierten rechtlichen Pflichten. So ist etwa das Entwicklungshelfergesetz konstitutiv für den DED, für die GTZ und InWEnt ist es aber nicht relevant. Die neue Organisation muss für alle entwicklungspolitisch sinnvollen Tätigkeiten eine angemessene und geeignete Geschäftsgrundlage bilden.
– Durch die Zusammenführung entsteht eine Organisation, die in rund 130 Ländern mehr als 14 000 Mitarbeiter beschäftigen wird, und deren Umsatz 1,5 Milliarden Euro im Jahr übersteigen kann. Dennoch muss diese neue Institution dynamisch, flexibel und kreativ sein. Andererseits darf sie kein unsteuerbares Eigenleben entwickeln.
– An DED und InWEnt sind neben der Bundesregierung auch zivilgesellschaftliche Gruppen beteiligt, ebenso wie Vertreter der Wirtschaft und der Bundesländer. Auch die neue Organisation darf kein abgeschotteter, monolithischer Block werden, sondern muss mit der deutschen Gesellschaft eng verbunden sein.
– Die Arbeit der neuen Organisation muss zudem mit der Finanziellen Zusammenarbeit eng verzahnt werden. Auch hier sind Synergien zu heben.
– In der Vergangenheit wurden immer wieder Steuerungsdefizite seitens des BMZ beklagt. Es ist ein geflügeltes Wort geworden, dass „der Schwanz (die Durchführungsorganisationen) mit dem Hund (dem BMZ)“ wedle. Eine einheitliche Durchführungsorganisation für die TZ wird dem BMZ die Steuerung erleichtern. Sie wird es dem Ministerium auch ermöglichen, in Deutschland und der Welt seine Positionen zu vertreten, und die Implementation der Durchführungsorganisation anzuvertrauen.

Dieses Reformvorhaben ist ehrgeizig. Die aufgeführten Punkte zeigen, dass die Reform der TZ nicht einfach die Zusammenführung von drei Organisationen bedeutet. Es ist mehr als ein rechtlicher Akt oder die Definition einer neuen Organisationsstruktur. Es geht um die Zukunft der deutschen Entwicklungspolitik.

Wir brauchen eine atmende Organisation, die flexibel und dynamisch auf neue Herausforderungen reagieren kann und zugleich in allen ihren Teilen kohärent agiert. Die bestehenden Instrumente der deutschen Entwicklungspolitik sind gut, es kommt aber nun darauf an, sie optimal aufeinander abzustimmen und schlagkräftig einzusetzen. Dafür muss präzise verstanden werden, was die spezifischen Stärken dieser Instrumente ausmacht, und wie sie am besten zur Geltung kommen.

Bis Ostern will Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel seine konzeptionellen Vorstellungen der Öffentlichkeit präsentieren. Bis zum Sommer wird diese Konzeption dann mit den beteiligten Akteuren partizipativ konkretisiert und abgestimmt. Im Herbst dieses Jahres werden voraussichtlich die konkreten Vorbereitungen für den Neubau beginnen.

Damit die Reform gelingt, ist offener Meinungsaustausch in freier Debatte erwünscht. In Deutschland wird in vielen Foren gern und lebhaft über Entwicklungspolitik diskutiert. Beiträge leisten dabei ganz unterschiedliche Akteure. Das wirkt befruchtend und entspricht dem liberalen Politikverständnis.

Das gilt ausdrücklich auch für die Entwicklungspolitik – ein Politikfeld, das wie kaum ein anderes für konzeptionelle Veränderung und deren prozesshafte Implementierung steht. Weltweit kommt es für die Durchsetzung von Prinzipien wie Rechtstaatlichkeit, Demokratie und Freiheit darauf an, nicht nur die Standpunkte anderer zu kennen, sondern mit allen Beteiligten und Betroffenen offen, lebendig und konstruktiv zu diskutieren.

Letztlich muss Deutschland Wandel nicht nur predigen, sondern auch leben. Yohannes Wolde Giorgis aus Äthiopien, einer der Teilnehmer der Veranstaltung im September 2009, brachte es auf den Punkt: „Wenn Deutschland es nicht schafft, sein EZ-Instrumentarium zu reformieren und zukunftsfähig zu machen, dann verliert es die Glaubwürdigkeit, von uns Reformen zu verlangen.“