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Militär

Global und lokal sinnvoll

Bangladesch gehört zu den Ländern, die weltweit die meisten Soldaten und Polizisten auf internationale Friedensmissionen schicken. Das ist gut für die Friedenssicherung – und für Bangladesch. Von Mohammad Humayun Kabir
Die Lust, sich in die Innenpolitik einzumischen, ist zurückgegangen: abgesetzte Offiziersmützen bei einem feierlichen Abendessen in Dhaka. Jensen/picture-alliance/dpa Die Lust, sich in die Innenpolitik einzumischen, ist zurückgegangen: abgesetzte Offiziersmützen bei einem feierlichen Abendessen in Dhaka.

Die UN-Friedensarbeit hat sich seit ihren Anfängen im Jahr 1948 stark verändert. Bedeutung, Mandat und Zusammensetzung der UN-Friedenstruppen wandeln sich. Die Einsätze sind heute vielschichtiger und äußerst multinational. Auch viele Entwicklungsländer beteiligen sich.

Bangladesch war an den meisten UN-Missionen beteiligt, mit bereits mehr als 120 000 Mitgliedern der Armee und der Polizei. Derzeit hat nur Pakistan mehr Blauhelme im Einsatz. Im Folgenden wird dargelegt, aus welchen Gründen Bangladeschs Regierung Truppen im Ausland einsetzt und wie die internationale Gemeinschaft davon profitiert.

Für Bangladesch sprechen drei Faktoren dafür, UN-Missionen zu unterstützen: globale Verantwortung, regionale Dynamik und nationale Interessen. Dazu kommen Pull- und Push-Faktoren.

  • Pull-Faktoren: Bangladesch ist seit seinem Eintritt 1974 ein aktives UN-Mitglied. Nach dem Ende des Kalten Krieges kam es in vielen Teilen der Welt zu Konflikten, die den traumatischen Erfahrungen des Befreiungskrieges in Bangladesch 1971 ähnelten. Seit den 1990ern wurden die UN vielfach aufgerufen, Konflikte vorzubeugen, zu begleiten oder zu lösen. Die UN brauchten immer mehr Blauhelme.  Sie bauten zunehmend auf Bangladesch, das sich als guter Partner erwies.
  • Push-Faktoren: Bangladesch verfolgt eine Politik der aktiven Beteiligung an globalen und regionalen Friedensprozessen. Es ist eines der wenigen Länder, das die UN-Charta in seine Verfassung aufgenommen hat. Es hat sich damit verpflichtet, sich in multilateraler Zusammenarbeit für Frieden und Sicherheit einzusetzen.

Zudem gibt es noch andere Gründe für Bangladesch,  an UN-Friedensmissionen teilzunehmen: das Land profitiert außenpolitisch, finanziell und militärisch.

  • Diplomatisch und außenpolitisch gesehen hat die Leistung von Bangladeschs Friedenssoldaten das internationale Ansehen des Landes gestärkt. Bangladesch erhält viel Anerkennung und hat international und multilateral an Einfluss gewonnen. Zudem kann Bangladesch durch die Friedensmissionen mit den Konfliktregionen und -ländern Beziehungen aufbauen. Als kleines und angreifbares Land kann es in schwierigen Zeiten auf diese entscheidende internationale Unterstützung zurückgreifen.
  • Finanziell gesehen ergeben sich ebenfalls Vorteile. Die Soldaten und Polizisten schätzen den Sold und die Zulagen. Die Regierung profitiert, weil die UN das Geld, mit dem die Regierung die Soldaten bezahlen soll, in ausländischer Währung überweist. Nur die Beobachter werden von den UN direkt bezahlt. Zudem übernimmt die UN die Kosten für den Verschleiß der genutzten Ausrüstung.
  • Auch militärisch gesehen profitieren Bangladeschs Truppen von den internationalen Einsätzen. In dem internationalen, multinationalen Umfeld eignen sich die Soldaten neues Wissen an. Zum Beispiel erfahren sie viel über die Arbeit fortschrittlicher Armeen, über ihr Management und ihre Ausrüstung. Zudem lernen sie verschiedene Konflikte kennen und damit umzugehen – das schult. Letztlich bieten die Einsätze auch Karrierechancen. Einige Bangladeschis wurden auf Positionen im UN-Hauptquartier befördert.

 

Pflichtgefühl

Bangladesch reagiert für gewöhnlich pragmatisch auf Anfragen, Truppen für die UN oder andere nicht aggressive Partner bereitzustellen. Manchmal bietet es sogar freiwillig Unterstützung an, insbesondere aus humanitären Gründen. Dagegen schickt Bangladesch aber keine Truppen in Konflikte, in denen sie wie Aggressoren wirken könnten. Es wird auch nie gegen seine nationalen Interessen und Werte handeln.

Die Weltgemeinschaft braucht Friedenstruppen, die bereit und in der Lage sind, das UN-Mandat in bestimmten Friedenssicherungsoperationen (Peacekeeping Missionen, PKOs) umzusetzen. Laut Bangladeschs Regierung haben sich die Friedenstruppen des Landes „durch ihre Professionalität, ihren Einsatz, ihre Unparteilichkeit, Integrität und menschliche Haltung als glaubwürdiges Vorbild“ verdient gemacht. Viele wurden mit UN-Ehrenmedaillen ausgezeichnet oder nahmen bei Einsätzen Führungspositionen ein (etwa als Truppenchefs oder leitende militärische Beobachter).

Bangladeschs Truppen sind bekannt für ihre Disziplin, ihren Fleiß und ihr persönliches Engagement.  Zudem haben sie den Ruf, sich gut an die Gegebenheiten vor Ort anzupassen und den Menschen in den betroffenen Gebieten mit Mitgefühl zu begegnen. Zum Beispiel teilten sie ihre UN-Rationen mit der örtlichen Bevölkerung oder gaben ihnen medizinische Versorgung.  Blauhelme aus Bangladesch schaffen Vertrauen, sowohl bei den Konfliktparteien als auch bei der zivilen Bevölkerung.

Bangladesch ist ein armes Land in Südasien. Es ist offensichtlich, dass es keine versteckten machtpolitischen Strategien auf anderen Kontinenten verfolgt, wenn es sich an Friedenseinsätzen beteiligt. Seine Truppen greifen weder in die Innenpolitik der betroffenen Nationen ein noch machen sie sich durch Arroganz bei den verschiedenen Parteien Feinde. Dass Blauhelme aus Bangladesch fast überall auf der Welt akzeptiert werden, trägt zum Erfolg der UN-Missionen bei.

Bangladesch, Indien und Pakistan sind die drei größten Länder in Südasien und alle drei gehören zu den weltweit größten Entsendern von Friedenstruppen. Zwischen Bangladesch und den beiden anderen Ländern gibt es einige ungelöste Probleme. Es schadet sicher nicht, dass die Blauhelmsoldaten der drei Länder in vielen UN-Missionen zusammenarbeiten, denn so entstehen Kameradschaft und persönliche Netzwerke. Allerdings geht dies nicht so weit, dass es auch Einfluss auf die Beziehungen der Länder hätte. Die Spannungen in Südasien werden wohl kaum durch eine gemeinsame Beteiligung an UN-Missionen entschärft.

 

Relevante Kosten

Truppen in Konfliktgebiete zu entsenden ist natürlich auch gefährlich. Für die Mitglieder besteht Verletzungs- und Todesgefahr, und ihnen drohen Krankheiten und Unfälle, etwa durch Straßenunglücke. Nach Regierungsangaben opferten in der Zeit von 1989 bis September 2013 112 Blauhelme aus Bangladesch ihr Leben für den Frieden. 91 davon gehörten der Armee an, vier der Luftwaffe, einer der Marine und 16 waren Polizisten. Die Zahl der Verletzten war nicht erhältlich.

Es entstehen auch andere Probleme. Zum Beispiel sind die meisten Blauhelme, insbesondere die von niedrigerem Rang, für lange Zeiträume von ihren Familien getrennt. Zudem besteht das Risiko, dass sie soziale Probleme – wie etwa Alkoholabhängigkeit – aus den Konfliktgebieten mitbringen. Das konnte bisher jedoch durch strenge Disziplin während der Missionen unter Kontrolle gehalten werden.

Auch das Militär selber ist betroffen. Wenn die Regierung viele Einheiten ins Ausland schickt, fehlen ihr möglicherweise Truppen zu Hause. Andere Probleme können durch Frustration in der Truppe entstehen, wenn Soldaten gerne an einer Friedensmission teilnehmen würden, aber nicht entsandt werden. Und schließlich muss Bangladesch die Anschaffungskosten für die Ausstattung tragen, die seine Truppen auf eine UN-Mission mitnehmen. Je nachdem, wie viele und welche Waffen gebraucht werden,  kann das für ein Land wie Bangladesch eine riesige Summe sein.

 

Unumstrittene Unterstützung

Politisch sind sich Bangladeschis oft uneins – zu fast keinem Thema gibt es landesweiten Konsens. Als dieser Artikel Ende Dezember gedruckt wurde, standen Wahlen vor der Tür und die Spannungen waren schon zu spüren. Eine beachtenswerte Ausnahme ist die allgemeine Unterstützung für internationale Friedenseinsätze. Zum einen schätzen die meisten Leute, dass die Missionen einer guten Sache dienen und Bangladeschs internationales Ansehen verbessern. Zudem profitieren viele Familien wirtschaftlich, wenn Familienmitglieder oder Verwandte an UN-Friedensmissionen teilnehmen.

Bangladeschs Teilnahme an UN-Friedensmissionen hat das Image des Landes international verbessert. Zudem bringt die Beteiligung an PKOs politische und strategische Vorteile. Es ist interessant, dass ein solch kleines – wenn auch durchaus bevölkerungsreiches – Land mit einem relativ schwachen Staat so stark zur Friedenssicherung beiträgt. Bemerkenswert ist auch, dass das Militär dadurch weniger geneigt scheint, sich in die Innenpolitik einzumischen (siehe "Hintegrund-Informationen" in der Seitenleiste).

Die entscheidenden Faktoren für den Erfolg einer UN-Mission sind ein klares Mandat sowie Einigkeit über den Zweck des Einsatzes, eine gemeinsame Kommandoführung und ein gemeinsames Verständnis des Konflikts. Bangladeschs Friedenstruppen nehmen diese Punkte ernst und werden so dem Geist der UN im Ganzen und insbesondere der internationalen Friedenssicherung gerecht. Im Vergleich sind die finanziellen Vorteile, die das Land davon hat, marginal. 125 000 Bangladeschis waren bisher an Friedenseinsätzen beteiligt. Das sind viele – aber sie sind doch nur einen kleiner Teil der 160 Millionen Einwohner. Insgesamt ist die Beteiligung an UN-Friedensmissionen das erfolgreichste Kapitel in Bangladeschs Beziehung mit den UN.

Mohammad Humayun Kabir leitet die Abteilung für Außenpolitik und Sicherheit am Bangladesh Enterprise Institute in Dhaka. kabir226@yahoo.com