Entwicklung und
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Regionale Integration

Gegen den Strom

Afrikanische Regierungen haben begonnen, eine kontinentale Freihandelszone zu schaffen. Das soll die wirtschaftliche Lage der Länder verbessern. Es gibt aber noch große Hindernisse.
Laster und Frachtzug am Binnenland-Container-Terminal in Nairobi. picture-alliance/Photoshot Laster und Frachtzug am Binnenland-Container-Terminal in Nairobi.

Das Regelsystem, das den internationalen Handel steuert – seit 1948 in erster Linie das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade – GATT) und als Nachfolger seit 1995 die Welthandelsorganisation (WTO) –, steht auf schwankendem Boden (siehe Kasten). Allerdings hat Freihandel nicht für alle an Charme verloren. Während Großbritannien die EU verlässt und Trump seine „America First“- Rhetorik pflegt, streben afrikanische Länder eine kontinentale Freihandelszone an. Geplant ist ein Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen, der 55 afrikanische Länder umfassen soll.

Dieses Ziel benannte 2012 eine Resolution der Afrikanischen Union. Angestrebt wird die Afrikanische Kontinentale Freihandelszone (African Continental Free Trade Area – AfCFTA) mit Integration zu einem einheitlichen Markt und freiem Personenverkehr. Im Februar 2019 hatten 49 Länder das AfCFTA-Abkommen unterzeichnet, und 18 hatten es ratifiziert. Damit es in Kraft tritt, sind 22 Ratifizierungen nötig.

Der Traum von einem grenzenlosen Afrika ohne koloniale Bevormundung ist nicht neu. Nach der Unabhängigkeit in den 1960er und 1970er Jahren forderten viele afrikanische Politiker eine bessere Zusammenarbeit der neuen souveränen Nationen. Entsprechende Bemühungen ebneten den Weg zur Bildung regionaler Wirtschaftsgemeinschaften (regional economic communities – RECs) in den 1980er Jahren. AfCFTA ist der logische nächste Schritt.


Was Afrika sich erhofft

Was bringt das für Afrika? Vor allem soll die dringend nötige Industrialisierung und ein inklusives, nachhaltiges Wirtschaftswachstum angeregt werden. In der ersten Phase sollen Zölle und nichttarifäre Hemmnisse für 90 % der Waren und Dienstleistungen abgeschafft werden. Das dürfte zu niedrigeren Preisen, geringeren Transaktionskosten, mehr Markteffizienz, Skalenerträgen, höherer Produktivität und höheren Einkommen führen.

Viele afrikanische Länder sind für sich genommen zu klein und können mit Industrieländern bezüglich Qualifikation, Produktivität, Technologie und Massenproduktion – und somit auch im globalen Handel – nicht mithalten. Die meisten afrikanischen Volkswirtschaften sind bislang auf Rohstoffexport mit geringer Wertschöpfung ausgelegt, so dass kaum Arbeitsplätze für hochqualifiziertes Personal entstehen. Durch den Abbau innerafrikanischer Handelshemmnisse kann ein riesiger Markt für Waren und Dienstleistungen entstehen – mit geschätzten 1,2 Milliarden Menschen und einer gemeinsamen Wirtschaftsleistung von mehr als 3,4 Billionen Dollar.

Der Zugang zu einem solch großen Markt dürfte Investitionen anregen, die Rohstoffverarbeitung vorantreiben und andere Optionen zu mehr Wertschöpfung schaffen. Dank Investitionen und Wissenstransfer würden afrikanische Produkte raffinierter. Harmonisierung und koordinierte Liberalisierung würden den innerafrikanischen Handel beleben.

Alle afrikanischen Länder würden profitieren, aber neuen Modellen zufolge besonders Zentralafrika (African Economic Outlook 2019). Dort bestehen nämlich derzeit die größten Handelshemmnisse. Andere afrikanischen Regionen haben schnellere Fortschritte bei Integration und Infrastruktur gemacht.

Voraussichtlich profitieren auch benachteiligte Menschen von der AfCFTA. Frauen, Bauern und Mittelstand haben von der Handelspolitik wenig gehabt. Tatsächlich wurde in ganz Afrika nur begrenzt mit Agrargütern gehandelt, nicht zuletzt wegen schlechter ländlicher Infrastruktur und Konnektivität sowie geringer Produktivität. Auch Vorschriften und Produktnormen spielen eine Rolle. Viele afrikanische Länder geben große Summen aus, um Nahrungsmittel aus anderen Kontinenten zu importieren. Die AfCFTA soll afrikanischen Bauern neue Marktchancen eröffnen.

Man geht zudem davon aus, dass die AfCFTA über den freien Handel mit Waren und Dienstleistungen hinaus auch den freien Personenverkehr und die Einrichtung eines einheitlichen afrikanischen Luftverkehrsmarktes (SAATM) erleichtert. Das wird die Unternehmensgründung in billig produzierenden Ländern auf dem gesamten Kontinent fördern.


Herausforderungen erkennen

Die Geschichte der regionalen Integration zeigt nicht nur in Afrika, dass es einfacher ist, etwas zu versprechen, als es zu halten. Die EAC (East African Community), die SADC (Southern African Development Community und die ECWOAS (Economic Community of West African States haben echte Fortschritte gemacht, aber nicht alle angestrebten Ziele erreicht.

Skeptiker mahnen, entsprechende Probleme dürften auch den weiteren AfCFTA-Prozess belasten. "Flache" Integration lässt sich mit der Abschaffung von Zöllen und Quoten erreichen, aber tiefere Integration erfordert gemeinsame Regeln und Aufsichtsinstitutionen für weitere ökonomische Themen. Wegen solcher Probleme kommt die Tripartite Free Trade Area nur langsam voran, die EAC, SADC und COMESA (Common Market for Eastern and Southern Africa) vereinigen soll.

Eine der größten Herausforderungen ist, dass Unternehmen kleiner Mitgliedsstaaten der Konkurrenz von größeren, besser ausgerüsteten und fortschrittlicheren Unternehmen aus  größeren Mitgliedsländern ausgesetzt werden. Interessengruppen werden sich gegen Zollsenkungen wehren, die ihnen schaden können.

Anders als ihre Nachbarn haben Südafrika, Nigeria, Kenia und Ägypten eine starke verarbeitende Industrie. Sie könnten von größeren Märkten profitieren, fürchten aber auch, von Billiglohnkonkurrenten verdrängt zu werden. Überall herrscht Angst – vor Ausbeutung der Arbeitskraft, Umweltschäden und Diebstahl geistigen Eigentums. Erschwerend kommt hinzu, dass die Rechtssicherheit in den verschiedenen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt ist und offene Grenzen organisierte Kriminalität und Korruption wahrscheinlicher machen. Zudem wird der Wettbewerb auf nationalen Arbeitsmärkten härter. Aus solchen Gründen zögern Eritrea, Benin und Nigeria, die AfCFTA zu unterzeichnen.  


Gemeinsam stärker

Die große Frage ist, ob afrikanische Integration in einer Zeit sinnvoll ist, in der sich reiche Länder vom Freihandel abwenden. Die Antwort lautet ja. Afrika kann von der Integration profitieren, nicht nur aus den genannten wirtschaftlichen Gründen. Oft heißt es, „Zahlen haben Gewicht“. Die AfCFTA wird die afrikanische Stimme in internationalen Verhandlungen stärken – und zwar nicht nur in Handelsfragen, sondern auch in anderen Politikfeldern.


Mwanda Phiri ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zambia Institute for Policy Analysis and Research in Lusaka.
mphiri@zipar.org.zm


Kacana Sipangule ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW)und dem Poverty Reduction Equity and Growth Network (PEGNet).
kacana.sipangule@ifw-kiel.de

 

Quelle

African Economic Outlook 2019:
https://www.afdb.org/fileadmin/uploads/afdb/Documents/Publications/2019AEO/AEO_2019-EN.pdf