Kurzübersicht

Aid-Effectiveness-Debatte

Mit Begriffen wie „Ownership“ oder „Managing for Results“ kann der durchschnittliche deutsche Zeitungsleser kaum etwas anfangen. Tatsächlich sind wichtige Themen der internationalen Entwicklungspolitik in den vergangenen zehn Jahren an der breiten Öffentlichkeit vorbei­gegangen. Die Fachwelt kennt die beiden Termini aber als Grundprinzipien der Agenda zur Steigerung der Wirksamkeit der Entwicklungshilfe.

Zentrale Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Paris Declaration on Aid Effectiveness aus dem Jahr 2005. Sie wurde von einem multilateralen High Level Forum in der französischen Hauptstadt verabschiedet. In diesem Dokument einigten sich Geber- und Empfängerländer auf fünf Prinzipien:
Ownership: Entwicklungsländer tragen selbst die Verantwortung für ihre Entwicklung. Sie müssen ihre Politik entsprechend konzipieren, und Geber müssen das fördern und respektieren.
Alignment: Geber sollen die Institutionen der Entwicklungsländer nutzen und ihre Hilfe an ­deren Politik und Verfahren ausrichten. Geber sollen keine Parallelstrukturen aufbauen.
Harmonisation: Die Geber müssen ihre Programme untereinander abstimmen und koordinieren, damit Entwicklungsländer sich nicht in der bilateralen Zusammenarbeit mit vielen Partnern verzetteln.
Managing for Results: Entwicklungspolitik soll auf Ergebnisse und nicht nur den Mittelaufwand abzielen.
Mutual Accountability: Entwicklungshilfe soll transparent ablaufen. Sowohl die Geber als auch die Empfänger müssen sich wechselseitig Rechenschaft ablegen.

Die Paris Declaration passte zur allgemeinen entwicklungspoli­tischen Diskussion nach der Jahrtausendwende. Anhaltend hohe Armutszahlen – vor allem, aber nicht nur in Afrika – hatten die Frage nach der Wirksamkeit der Entwicklungshilfe aufgeworfen. Klar war auch, dass die strengen Strukturanpassungsprogramme, mit denen Weltbank und Interna­tionaler Währungsfonds arme Ökonomien mit wirtschaftsliberalen Reformen für den Weltmarkt fit machen wollten, gescheitert waren. Viele Länder versanken in Überschuldung und politischer Instabilität. Selbst wo wirtschaftliches Wachstum erzielt wurde, wuchsen Ungleichheit und Armut. Gegen Ende der 90er Jahre wurde dann allgemein akzeptiert, dass es keine Blaupause für Entwicklung gibt, sondern jedes Land seinen eigenen Weg finden muss.

Beim Kölner G8-Gipfel von 1999 einigten sich die wichtigsten Geberländer darauf, hoch verschuldeten Entwicklungsländern ihre Last zu erleichtern. Als Bedingung für den Schuldenerlass mussten diese Länder kohärente Strategien zur Armutsbekämpfung (Poverty Reduction Strategy Papers) vorlegen. Diese Praxis entsprach schon dem später in Paris festgeschriebenen Prinzip der Ownership, denn die Entwicklungsländer definierten ihre Politik selbst und beugten sich nicht einfach den Konditionen der Geber.

Millenniumsziele

Parallel dazu unterzeichneten die Mitgliedstaaten der UN im Jahr 2000 die Millenniumserklärung. Darin verpflichten sie sich, die großen weltweiten Probleme gemeinsam anzugehen. Auf dieser Grundlage entstanden die acht Millenniumsentwicklungsziele (MDGs – Millennium Devel­opment Goals), die bis 2015 erreicht werden sollen.

Es geht dabei um Themen wie die Bekämpfung von Hunger, Kinder- und Müttersterblichkeit, Analphabetismus und andere Aspekte der Armutsbekämpfung. Für die MDGs ist Wirtschaftswachstum als solches kein Erfolgskriterium. Durch die Vorgabe konkreter, messbarer Ziele wie der Halbierung der ­ex­tremen Armut von 1990 bis 2015 richteten die Entscheidungs­träger ihre Aufmerksamkeit auf die ergebnisorientierte Entwicklungshilfe als Alternative zur kleinteiligen Projekthilfe.

2002 veranstalteten die UN dann im mexikanischen Monterrey den Financing-for-Development-Gipfel, auf dem die Geber für diese Zwecke grundsätzliche Finanzzusagen machten. Der MDG-Report der UN von 2011 zeigte allerdings, dass die internationale Gemeinschaft die Mil­lenniumsziele allenfalls noch erreichen kann, wenn sie ihre bisherigen Anstrengungen zügig verstärkt.

High Level Foren

Auf der Basis der Millenniumserklärung und der Beschlüsse von Monterrey organisierte eine Arbeitsgruppe der OECD, die Working Party on Aid Effectiveness, vier High Level Foren, um Ziele, Aktionspläne und verbindliche Arbeitsweisen für die Entwicklungspolitik zu vereinbaren. Das erste Forum fand 2003 in Rom statt, das bisher letzte Ende 2011 in Busan. Schon in der ­Erklärung von Rom verpflichteten sich die Unterzeichner zu einer besseren Abstimmung der Entwicklungspolitik unter den Gebern und zur besseren An­passung an die Institutionen, Strukturen und Strategien des Entwicklungslandes.

Oft wird die Budgethilfe, bei der Geber direkt den Haushalt eines Entwicklungslandes subventionieren, als Verkörperung der Pariser Erklärung bezeichnet, weil sie zumindest theoretisch alle fünf Prinzipien beachtet. Sie umfasst regelmäßige, oft sektorbezogene Zahlungen, Policy-Dialoge und technische Unterstützung und beruht auf landeseigenen Entwicklungsstrategien. Im Sinne der Harmonisierung zahlen oft mehrere Geber in einen ­gemeinsamen Finanzpool ein (Korbfinanzierung).

Doch Experten warnen davor, das Instrument als Allheilmittel zu betrachten. Die Budgethoheit des nationalen Parlamentes wird durch solche Zahlungen oftmals übergangen und die Exekutive unverhältnismäßig gestärkt. Wenn neutrale Instanzen wie nationale Rechnungshöfe (die in vielen Ländern nicht existieren oder schlecht ausgerüstet sind) die Verwendung der Mittel nicht kontrollieren, drohen Korrup­tion und Misswirtschaft.

Die Accra Agenda for Action war 2008 das Schlussdokument des High Level Forums in der ghanaischen Hauptstadt. Sie ging unter anderem auf die Situation von fragilen Staaten und Post-Konflikt-Ländern ein. Dort können die Geber Prinzipien wie Alignment oder Ownership kaum Folge leisten. Deshalb nennt der Aktionsplan Prinzi­pien für das Engagement in solchen Ländern, das zum Aufbau der Staatlichkeit beitragen soll. Für zivilgesellschaftliche Organisationen war besonders wichtig, dass die Accra Agenda ihre Rolle ausdrücklich erwähnte.

Ende letzten Jahres fand das vierte High Level Forum in Busan statt. Daraus entstand die Busan Partnership for Effective Devel­opment Cooperation. Wichtige Neuerung war, dass die traditionellen Geber zum ersten Mal auch die Schwellenländer als Geberländer mit einbezogen und somit die Süd-Süd-Kooperation als wichtiges Element der Entwicklungshilfe anerkannten. Die Schwellenländer haben sich den Prinzipien der Pariser Erklärung nicht verpflichtet, werten sie jedoch als Orientierungshilfe. Zudem stärkt die Busan Partnerschaft nichtstaatliche Akteure aus Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft sowie philan­thropische Stiftungen. Das Dokument ist weniger regierungs­fixiert als seine Vorgänger, was unter anderem auch in seiner Betonung von Kommunalverwaltungen zum Ausdruck kommt.

Busan war das letzte Forum, das die OECD-Arbeitsgruppe organisiert hatte. An die Stelle dieser Working Group soll im Sommer 2012 eine neue Globale Partnerschaft für wirkungsvolle Entwicklungszusammenarbeit treten. Ihre Verfassung und ihre Aufgaben sind neben dem Monitoring der bereits beschlossenen Abkommen noch nicht ­festgelegt. Die Debatte zur ­Wirksamkeit der Entwicklungspolitik ist noch längst nicht ­abgeschlossen.

Vera Dicke

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