Wähler
Verwirrendes Szenario
Die Wahlbehörde IEBC (Independent Electoral and Boundary Commission) kündigte den neuen Wahlgang erst für den 17. Oktober an, verschob ihn dann nochmal auf den 26. Oktober. Interne IEBC-Streitigkeiten über die Verantwortung für die Pannen beim vorigen Mal eskalierten zum öffentlichen Streit. Die Opposition fordert Reformen der IEBC und droht, die Neuwahl zu boykottieren. Derweil werfen Präsident Uhuru Kenyatta und seine Anhänger den Richtern Amtsraub vor und fordern Richter müssten vom Obersten Gericht zurücktreten.
Gerüchte und Verschwörungstheorien wucherten schnell. Dazu trug bei, dass das Gericht seine ausführliche Urteilsbegründung erst drei Wochen nach Verkündung veröffentlichte.
Aus Sicht der meisten Kenianer und der internationalen Gemeinschaft bewies die Justiz mit der Wahlannullierung ihre Unabhängigkeit von den anderen Staatsgewalten. Sie hat für den ganzen Kontinent ein Beispiel statuiert. Allerdings ist das Szenario jetzt extrem verwirrend.
Seit der Urteilsverkündung am 1. September stellen Kenyatta und seine Jubilee-Partei sich als Opfer dar und machen entsprechend Stimmung. Es hat mehrere Demonstrationen gegeben. In verschiedenen Städten forderten Kenyatta-Anhänger dabei den Rücktritt von zwei Richtern des Obersten Gerichts. Sie werfen der stellvertretenden Vorsitzenden Philomela Mwilu und Isaac Lenaola Befangenheit wegen ihrer Nähe zur Opposition vor.
Das Gericht wies diese Vorwürfe zurück und verwehrte sich gegen rechtswidrige Einschüchterungsversuchte. Es rief dazu auf, Informationen im Gesamtkontext zu bewerten, weil Fotos, die den Oppositionskandidaten Raila Odinga zusammen mit Richtern zeigen, zur Stimmungsmache gegen die Justiz in sozialen Netzwerken verwendet wurden. Die Fotos waren alt und hatten mit der Wahl nichts zu tun. Die Erinnerung daran, wie Kenyattas Leute den Internationalen Strafgerichtshof diskreditierten, als dieser wegen mörderischer Wahlunruhen gegen ihn ermittelte, ist wach. Die Untersuchungen wurden schließlich eingestellt, weil kenianische Zeugen nicht mehr zu Aussagen bereit waren.
Während das Kenyatta-Lager sich auf das Oberste Gericht einschießt, richten Odingas Anhänger ihren Zorn auf die IEBC. Odinga sagte erst, er kandidiere nicht wieder, wenn nicht eine ganz neue Wahlkommission berufen werde. Später ruderte er zurück und forderte nur noch den Rücktritt einzelner Mitglieder. Die Opposition verlangt zudem, die IEBC müsse transparent mit verifizierbarer Technologie arbeiten. „Ohne Reformen keine Wahl“ ist derzeit ein beliebtes Motto. Die Legitimität der Neuwahl würde von einem Boykott erheblich beeinträchtigt werden.
Die Urteilsbegründung ist technisch sehr detailliert. Die Richter werfen der IEBC keine Manipulationsabsicht vor, was Kenyattas Leute mit Erleichterung erfahren haben dürften. Dennoch sind die Schwächen, welche die Richter bemängeln, erheblich. Sie finden es inakzeptabel, dass sie das Computersystem der IEBC nicht untersuchen lassen konnten und obendrein rund ein Viertel der Formulare, die für die Ergebnisberechnung verwendet wurden, Formfehler enthielten. Im Kern bestätigt das Urteil also die Oppositionsforderung nach Transparenz und nachverfolgbarer Datenverarbeitung.
Es bleibt ungeklärt, ob das Wahlergebnis manipuliert wurde. Das wird man vermutlich auch nie sicher wissen, denn dafür wäre die Analyse des Computersystems nötig, die dem Gericht nicht möglich war.
Die Wähler müssen sich nun also entscheiden, ohne zu wissen, ob sie bei der Abstimmung im Sommer betrogen wurden. Entsprechend schwer ist es, Gerüchte und Verschwörungstheorien, die das Denken vieler Bürger beeinflussen, zu widerlegen.
Zwei weitere offene Fragen sind, ob die IEBC eine saubere Wahl durchführen kann – und ob sie die Opposition davon überzeugen kann, dass sie diese Fähigkeit hat. Medienberichten zufolge hat das französische Unternehmen OT-Morpho, von dem wichtige Komponenten des IT-Systems stammen, mitgeteilt, die nötigen Updates ließen sich nicht bis zum Wahltermin am 26. Oktober durchführen. Die IEBC lässt die Öffentlichkeit bislang darüber im Dunkeln, wie sie den korrekten Ablauf der Wahl sicherstellen will. Dass sie den Termin nach hinten verschoben hat, ist derweil ein implizites Eingeständnis, dass ihr die Zeit davonläuft. Das Vertrauen in Kenias Demokratie hängt langfristig aber davon ab, dass die Wahlwiederholung sauber und fair abläuft.
Grace Atuhaire ist freie Journalistin.
graceseb@gmail.com