Internationale Zusammenarbeit
Umgang mit autokratischen Staaten
Autokratische Regierungen sind sehr unterschiedlich. Sie können ideologisch, religiös oder ethnisch-nationalistisch begründet werden. Manche sind monarchisch strukturiert und bauen auf Traditionen auf. Andere halten ihre Macht durch wirtschaftliche Erfolge aufrecht. Viele Autokraten sichern ihre Herrschaft mittels repressiver Politik, etwa durch die Beschränkung von Freiheitsrechten oder politischer Teilhabe.
Für die Außen- und Entwicklungspolitik ist der Umgang mit autokratischen Regierungen eine Herausforderung. Das zeigte eine Podiumsdiskussion am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) im September in Bonn. Im Zentrum standen die Sustainable Development Goals (SDGs).
Die SDGs lassen sich laut Julia Leininger vom DIE als Antwort auf autokratische Regime verstehen und dienen als Maßstab, um politische Prozesse international zu beurteilen. Auf der Agenda stehen der Aufbau von „effektiven, rechenschaftspflichtigen und inklusiven Institutionen“ sowie „partizipative Entscheidungsfindung auf allen Ebenen“.
Inwieweit die universellen Standards realisiert werden können, bleibt jedoch fraglich. Lokale Verhältnisse dürfen bei der Implementierung ebenso wenig aus dem Blick geraten wie historische Entwicklungen. Der ghanaische Wissenschaftler Emmanuel Gyimah-Boadi erinnert daran, dass autokratische Herrschaft in Afrika lange die Norm war. Autoritäre Machthaber könnten durchaus als Reformer wirken. In Ruanda etwa gelte das Wirtschaftswachstum als Beweis für den Erfolg der Regierung.
Der Umgang mit autokratischen Staaten erfordert ein hohes Maß an Sensibilität. Darüber sind sich die Diskussionsteilnehmer einig. Das beginne schon bei der Sprachwahl: Autokratische Staaten wollen nicht als solche bezeichnet werden.
Wissenschaftler raten dazu, den Dialog mit der Zivilgesellschaft in den betroffenen Ländern zu suchen. Allerdings repräsentierten unabhängige Organisationen nicht zwangsläufig das Interesse der Gesamtbevölkerung, sondern könnten auch von Fanatikern und Populisten gesteuert sein. Das ist beispielsweise in Tunesien der Fall, wo die Demokratie nach dem Ende der autoritären Herrschaft im arabischen Frühling 2011 schwach bleibt. In manchen Fällen fördern autoritäre Staaten formal unabhängige Organisationen. Aus Sicht der Diskussionsteilnehmer müssen solche Dinge bei der Zusammenarbeit hohe Aufmerksamkeit bekommen.
Die Governance-Standards der SDGs bieten einen großen Interpretationsspielraum. „Diese Mehrdeutigkeit ist nicht per se von Nachteil“, urteilen die DIE-Mitarbeiter Julia Leininger und Kai Striebinger in ihrer aktuellen Kolumne. Sie ermögliche es, unterschiedliche demokratische Traditionen zu berücksichtigen – kommunale Parlamente ebenso wie Direktdemokratien.
Globale Aufgabe
Anders als ihre Vorgänger, die Millennium Development Goals (MDGs), gelten die SDGs nicht nur für Entwicklungsländer, sondern für alle Staaten. Selbst in Europa und Nordamerika wird derzeit neu über demokratische Kultur nachgedacht. Staatliche Repression und populistische Parteien geben hierfür Anlass. Die Türkei ist dafür ein Beispiel.
In vielen Fällen fördern demokratische Regierungen Autokratien. Zum Beispiel kooperieren die USA mit Regimen im Nahen Osten. Wenn einkommensstarke Länder demokratische Werte postulieren, müssen sie jedoch darauf achten, wen sie unterstützen, verlangt Robtel Neajai Pailey, eine liberianische Migrationsforscherin von der Universität Oxford.
Sie betont die Bedeutung transnationaler Verbindungen in Politik und Wirtschaft sowie die Relevanz von Diasporagemeinschaften. Migration sorge dafür, dass Staatsbürger nicht ausschließlich innerhalb der Grenzen ihres Landes leben und arbeiten. Auch solche Entwicklungen müssten im Umgang mit Autokratien mitbedacht werden.
Lea Diehl
Quelle
Striebinger, K., und Leininger, J., 2016: Umgang mit Autokratien: Helfen die globalen Nachhaltigkeitsziele? Aktuelle Kolumne vom 19.9.2016, Bonn: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik.
https://www.die-gdi.de/uploads/media/Deutsches_Institut_fuer_Entwicklungspolitik_Striebinger_Leiniger_19.09.2016.pdf