UNICEF

Bildung als Rettungsanker

Noch nie haben seit dem 2. Weltkrieg so viele Kinder unter den Folgen von Konflikten, Krisen und Naturkatastrophen gelitten wie heute, stellt das UN-Kinderhilfswerk UNICEF in einem aktuellen Report fest. Als eine der dringendsten Aufgaben sieht UNICEF daher die Investition in Bildung und Schutz.
Unterricht für Flüchtlingskinder in einer von UNICEF unterstützten Schule im Krindig Camp in Darfur, Sudan. Shezad Noorani/Lineair Unterricht für Flüchtlingskinder in einer von UNICEF unterstützten Schule im Krindig Camp in Darfur, Sudan.

Nach jüngsten Zahlen der Hilfsorganisation wächst jedes neunte Kind in einer von bewaffneten Konflikten geprägten Umgebung auf. Das sind rund 250 Millionen Mädchen und Jungen. Allein im Jahr 2015 wurden weitere 16 Millionen Kinder in einer Konfliktregion geboren. UNICEF weist darauf hin, dass eine neue Generation von Kriegen herrsche, mit einem nie dagewesenen Ausmaß an direkter, rücksichtsloser Gewalt gegen die Zivilbevölkerung. UNICEF kritisiert, dass gezielte Angriffe auf Kinder oftmals als Kriegstaktik eingesetzt würden, um deren Eltern einzuschüchtern und zu demoralisieren. Kinder würden von Terrorgruppen mit Hass indoktriniert, und sie würden zum Kämpfen ausgebildet. Manche Terrororganisationen schreckten auch nicht davor zurück, Kinder als Selbstmordattentäter einzusetzen.

Die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen führen zu zahlreichen Fluchtbewegungen. Experten sprechen aktuell von der größten Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg. Weltweit seien laut UNICEF derzeit fast 50 Millionen Mädchen und Jungen auf der Flucht. Etwa 28 Millionen davon flohen vor Unterdrückung und Gewalt und 22 Millionen aus Armuts- oder Umweltgründen. Viele dieser Kinder, die teilweise ohne ihre Familien unterwegs sind, seien von den Gewalttaten, mit denen sie konfrontiert wurden, traumatisiert. Auf ihrer Flucht seien sie dann weiteren Gefahren und Grausamkeiten wie Nahrungsmangel, Krankheit, Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt, erklärt UNICEF.

Außerdem fehlt es Kindern in Konflikt- und Fluchtsituationen an Bildungschancen. Viele Mädchen und Jungen gehen jahrelang nicht mehr zur Schule. Es drohe eine verlorene Generation von Kindern und Jugendlichen, die ohne Schulbildung und ohne Chance auf eine Zukunft heranwachsen, warnt das Kinderhilfswerk. Um später Frieden sichern zu können, müssten Kinder und Jugendliche an Bildungs- und Versöhnungsprozessen beteiligt werden.

Als eine der dringendsten Aufgaben sieht UNICEF daher die Investition in Bildung und Schutz. Doch dem Report zufolge werden aktuell weniger als zwei Prozent der humanitären Hilfe in Bildung investiert. UNICEF fordert daher die internationale Gemeinschaft zum Umdenken auf: Nothilfe und offizielle Entwicklungshilfe dürften nicht länger als unterschiedliche Mandate mit getrennten Budgets gesehen werden. Sie müssten vielmehr verzahnt werden, um langfristige Hilfe zu ermöglichen.

Investition in Bildung sei Investition in die Zukunft, meint das Kinderhilfswerk, und bekräftigt damit Erkenntnisse des ODI (2015). Bildung könne zu Veränderungen beitragen, sei entscheidend in Friedensprozessen und bilde die Grundlage für die Wirtschaft eines Landes. Für entwurzelte und traumatisierte Kinder, deren Heimatlosigkeit oft das einzige Zuhause sei, könne Bildung ein Rettungsanker sein. Schule könnte in Kriegs- und Fluchtsituationen für Kinder ein Ort der Geborgenheit sein, der unter anderem:

  • ein Gefühl von Normalität vermittelt, ein Stück Sicherheit und Vertrauen gibt sowie die Möglichkeit zu spielen und zu lernen,
  • dringend benötigte psychosoziale Unterstützung bei Stress und Traumata bietet,
  • wichtige Botschaften zu Hygiene, Gesundheit und Sicherheit vermittelt,
  • zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts beiträgt und
  • wieder Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt.

Kinder sind „natürliche Agenten des Wandels“, so UNICEF. Sie könnten leichter mit Veränderungen umgehen. Die Zukunft hänge davon ab, welche Perspektiven für Kinder und Jugendliche trotz Krieg und Gewalt geschaffen würden. Eine nachhaltige Entwicklung könne nur mit Hilfe der Kinder gelingen. Langfristige Investition in die Zukunft der jungen Generation sei keine Aufgabe für ein Land allein, sondern Aufgabe der Weltgemeinschaft.

Dagmar Wolf


Literatur
UNICEF-Report 2016: Flüchtlingskindern helfen. Frankfurt: Fischer, 2016.

Links
UNICEF, 2016: Uprooted: The growing crisis for refugee and migrant children.
http://www.unicef.org/videoaudio/PDFs/Uprooted(1).pdf
Overseas Development Institute (ODI), 2015: Education in emergencies and protracted crisis – towards a strengthened response.
https://www.odi.org/sites/odi.org.uk/files/odi-assets/publications-opinion-files/9714.pdf

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