Ensemble Modern
Anspruchsvolle neue Werke
Warum haben Sie sich für ein Projekt mit indonesischen Musikern entschieden?
Indonesien verfügt über eine lange und reiche Kultur und Musikgeschichte. Der Einfluss indonesischer Musik, vor allem der Gamelan-Musik, ist länderübergreifend. Gamelan bezeichnet traditionelle Musik auf Java und Bali als auch die Musikinstrumentenensembles, mit denen diese Musik gespielt wird. Im Laufe der Jahre ist diese Musik mit anderen Musikstilen aus der ganzen Welt zu einem interessanten Gemenge verschmolzen.
Hätte es auch ein anderes Land sein können?
Nein. Wir haben zunächst mit der KFW Stiftung gemeinsam nach interessanten Andockpunkten gesucht und uns dabei auch im Besonderen für Afrika interessiert. In vielen afrikanischen Ländern gibt es Künstler, die Musik sehr gut performen. Letztendlich haben wir uns aber für Indonesien entschieden, da wir gespürt haben, dass wir mit den dort lebenden Musikern unsere Vorstellungen von zeitgenössischer Musik am besten umsetzen können.
Haben Sie bereits Erfahrung mit Musikern aus Entwicklungs- oder Schwellenländern?
Ja, wir haben auch im Rahmen anderer Projekte immer wieder den kulturellen Austausch mit Musikern aus der ganzen Welt gesucht. So zum Beispiel bei einem Projekt mit indischen Musikern vor zwölf Jahren. Einer unserer Geiger ist Inder, dadurch ist die Idee entstanden und wir konnten leicht Kontakte knüpfen. Bei einem weiteren Projekt vor sieben Jahren haben wir in Kooperation mit dem Goethe-Institut Komponisten für das „into“-Projekt einen Monat lang in vier Weltmetropolen eingeladen und den Austausch mit den Vertretern der verschiedensten Künste vor Ort gefördert. Davon haben wir uns ein Feedback in der Musik erhofft, das wir dann auch so wiedergefunden haben.
Wie werden Musiker aus Schwellenländern in Europa wahrgenommen?
Das lässt sich nicht so pauschal beantworten. Für uns als Ensemble zählt in erster Linie, ob die Person auf ihre eigene Art interessant ist, damit anspruchsvolle neue Werke entstehen.
Wie haben Sie die acht indonesischen Musiker ausgewählt, mit denen Sie für das aktuelle Werk zusammenarbeiten?
Um die Musiker zu finden, sind wir dieses Mal ganz neue Wege gegangen. Die Ausgangslage war anders als beispielsweise bei der Zusammenarbeit mit den indischen Musikern, da wir keinen konkreten Anknüpfungspunkt vor Ort hatten. Wir konnten nicht einfach Komponisten einladen oder ihnen einen Auftrag geben, das hätte nicht funktioniert. Musik ist in Indonesien etwas sehr Soziales, viel mehr als in Deutschland. Zuhören ist das A und O in der indonesischen Musik und im Umgang miteinander.
Was haben Sie dieses Mal anders gemacht?
Wir haben sogenannte „Elder Statesmen“, also erfahrene Musiker und berühmte Komponisten ausfindig gemacht. Sie haben dann für uns als Scouts gearbeitet und uns talentierte Nachwuchsmusiker vorgeschlagen. Wir wollten interessante Musiker der nächsten und übernächsten Generation finden, da diese in Zukunft das Land und die Musik prägen werden. Wir haben insgesamt 23 Namen von den Routiniers erhalten. Alle empfohlenen Künstler haben wir für eine Woche nach Jakarta eingeladen. Aus jeder Instrumentengruppe des Ensemble Modern ist stellvertretend ein Musiker mit nach Jakarta geflogen und hat ein Stück aufgeführt, um einen ersten Einblick in unsere Ideen zu geben. Dann haben sich die indonesischen Komponisten vorgestellt und uns ihre Ideen präsentiert. Die Beiträge waren sehr vielfältig und es war wirklich hart für uns, dass wir nur acht Musiker auswählen konnten.
Anfang des Jahres haben Sie dann alle Musiker zu einem Workshop nach Deutschland eingeladen. Wie lief das ab?
Im Mittelpunkt stand natürlich erst einmal das gegenseitige Kennenlernen. Es war zu spüren, dass eine große Offenheit vorherrschte. Das ist für einen Musiker wichtig, damit er seine Ideen unbefangen ausprobieren und umsetzen kann. Da es gewisse Unvereinbarkeiten der indonesischen und deutschen Notation gibt, hatten wir einen Absolventen der Internationalen Ensemble Modern Akademie eingeladen, der über ein sogenanntes absolutes Gehör verfügt, um dem, was die Musiker wollen – und was sich nicht einfach in ein anderes Notensystem übertragen lässt – so nah wie möglich zu kommen. Ich denke, das ist uns ziemlich gut gelungen.
Wie lassen sich die Komponisten beschreiben, die es letztendlich geschafft haben?
Es ist ein bunter Querschnitt von Komponisten geworden. Einige sind schon sehr erfahren, der Jüngste ist noch im Studium. Alle sind in zeitgenössischer Musik ausgebildet, trotzdem auch auf ihre Weise in der Gamelan-Musik verhaftet. Jeder von ihnen arbeitet auch in Indonesien als Berufsmusiker. Anders als in Deutschland arbeiten viele indonesische Musiker als Komponisten und treten auch mit ihren Stücken auf.
Gab es unerwartete Schwierigkeiten, mit denen Sie umgehen mussten?
Nein, eigentlich nicht. Wir profitieren von den vielen Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit gesammelt haben. Wenn es Herausforderungen gab, dann eher auf der musikalischen Seite, wie bei der angesprochenen Inkompatibilität der Notensysteme. Und es war nicht ganz einfach in Deutschland exakt die Instrumente zu besorgen, die die indonesischen Musiker benötigen.
Gibt es Momente, die Ihnen besonders positiv in Erinnerung geblieben sind?
Oh ja, da gibt es zahlreiche Erlebnisse. Ganz besonders hat mich die Art und Weise beeindruckt, wie jene, die es leider nicht unter die acht Musiker geschafft haben, mit der Absage umgegangen sind. Sie waren sehr interessiert, die Gründe zu erfahren, aber waren uns gegenüber weiterhin offen und freundlich. Es ist außerordentlich wichtig, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen. Das habe ich einmal mehr als Erfahrung für mich mitgenommen.
Wie finanzieren Sie die Ruang-Suara-Konzerte?
Die KfW Stiftung war bereit, ein Kooperationsprojekt mit Indonesien zu initiieren. Nur dadurch war es möglich, die Konzertreihe umzusetzen. Wir reisen mit 24 Personen, da fallen schon durch die Flüge extrem hohe Kosten an. Weitere wichtige Partner sind das Goethe-Institut Indonesien und die Kulturstiftung des Bundes.
Welche Publikumsreaktion erhoffen Sie sich?
Ich hoffe, dass sich das Publikum auf die ungewohnten und unterschiedlichen Klänge einlässt. Es braucht Zeit, um die feinen Nuancen herauszuhören, gerade weil manche Dinge auf den ersten Blick ähnlich klingen. Im Vorfeld habe ich gehört, wie jemand über dieses Vorhaben sagte: „Eigentlich bin ich kein Fan neuer Musik, aber dieses Projekt ist fantastisch.“ Das spiegelt in meinen Augen gut wieder, dass es nicht nur um den musikalischen Ansatz geht, sondern dass interkulturelle Zusammenarbeit die Basis für etwas viel Größeres schafft.
Roland Diry ist Geschäftsführer des Ensemble Modern.
https://www.ensemble-modern.com