Unbegrenzte Rechenschaftspflicht

Anne Marie Goetz und Rob Jenkins:
Reinventing accountability. Making
democracy work for human development.
Palgrave Macmillan, Basingstoke 2005,
264 S., £56,00, ISBN 1-4039-0624-6

Das Buch beschreibt die globalen „Anstrengungen, Rechenschaftspflicht neu zu begründen“. Die Rufe nach größerer Rechenschaftspflicht politischer und wirtschaftlicher Institutionen haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Auch an ungewöhnlichen Orten lassen sich Fortschritte in Demokratie beobachten – mit teilweise unerwarteten Ergebnissen. In Kanada zum Beispiel haben Frauengruppen der amerikanischen Ureinwohner die Verschwendung öffentlicher Gelder durch ihre Stammesführer publik gemacht. In Angolas Hauptstadt Luanda wiederum kämpft eine lokale Nichtregierungsorganisation gegen die Benachteiligung der städtischen Armen beim Zugang zu Wasser.

Für Goetz und Jenkins ist Rechenschaft ein bewegliches Ziel. Etablierte Akteure mit herkömmlichen und beschränkten Antworten auf politische Fragen verfehlen es häufig. Insbesondere staatszentrierte, auf Wahlen basierende Formen von Rechenschaftspflicht genügen längst nicht mehr, den Armen und Marginalisierten eine hörbare politische Stimme zu geben. Ein neues Verständnis von Rechenschaft ist im Entstehen; es eröffnet vielen Bürgern, die bisher nur formale, oberflächliche Ausdrucksmöglichkeiten hatten, neue Kanäle, um ihren Belangen und Problemen Gehör zu verschaffen. Dadurch können sie zunehmend echten Wandel anstoßen. Aber diese „Neuerfindung der Rechenschaftspflicht“ findet bisher nur spontan und nicht geplant statt.

Die Autoren unterscheiden zwischen vertikaler und horizontaler Rechenschaftspflicht, um mögliche Abhilfe für Mängel zu erläutern. Vertikale Rechenschaft assoziieren sie mit Wahlen und der Repräsentation im Nationalstaat, horizontale Rechenschaft dagegen wird durch die Zivilgesellschaft angetrieben. Allerdings verschwimmen die Linien beider Achsen – besonders wenn es um Rechenschaftspflicht für globale Fragen geht: In den Bereichen Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung oder Demokratisierung melden sich nichtstaatliche Stimmen und entstehen neue Aktionsbündnisse. Laut den Autoren schafft die so entstehende globale Zivilgesellschaft neue transnationale Institutionen, die Mängel der traditionellen staatszentrierten Rechenschaftspflicht lindern.

Die Autoren argumentieren überzeugend, dass Armut Hand in Hand mit nicht funktionierender Rechenschaft geht. Denn Armut hat auch mit ungerecht verteilten öffentlichen Gütern und beschränkten sozioökonomischen Chancen zu tun. Das Buch zeigt überzeugend, dass Demokratie funktionieren kann und dass gute Regierungsführung und die Stärkung der Bürger (empowerment) sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern sich auszahlen. Und es ist ein wichtiger Beitrag zu einer handlungsorientierten Theorie der Demokratisierung und einer gerechten menschlichen Entwicklung.

„Reinventing accountability“ ist ein äußerst lesenswertes politisches Buch. Leider wird sein hoher Preis wohl verhindern, dass es eine größere Leserschaft findet. Aber wenn ich Politologiestudenten wie auch erfahrenen Politikberatern ein Dutzend zentraler Bücher empfehlen müsste, dann wäre es auf jeden Fall dabei. Glenn Brigaldino