Versicherungen
Versicherungen gegen Klimarisiken voranbringen
Mehr als eine Million Menschen kamen Schätzungen zufolge zwischen 2000 und 2018 aufgrund von Wetterkatastrophen ums Leben. Der finanzielle Schaden betrug in diesem Zeitraum etwa 4210 Milliarden US-Dollar (Aon 2018). Seit der Jahrtausendwende stiegen die wirtschaftlichen Verluste und Schäden durch Naturkatastrophen und Wettergefahren deutlich an. Allerdings war seit 1980 global nur ein Drittel solcher Schäden versichert.
In Entwicklungs- und Schwellenländern ist das Problem besonders groß: Zum einen sind sie häufig stark betroffen von den Folgen der Klimaerwärmung, die sowohl die Intensität als auch die Häufigkeit von Extremwetterereignissen erhöht. Zum anderen mangelt es an Versicherungen (siehe Dirk Reinhard auf www.dandc.eu).
Beispielsweise waren in Asien – ohne Japan – seit 1980 weniger als fünf Prozent der Schäden aus Wetterkatastrophen versichert. In den 77 ärmsten Ländern seien nur etwa drei Prozent der Katastrophenschäden versichert, schätzt das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP – United Nations Development Programme). Im Katastrophenfall müssen die Länder und Menschen die Kosten für Nothilfe und Wiederaufbau selbst tragen, oder sie müssen internationale Hilfe in Anspruch nehmen.
Nötig ist daher ein umfassendes Risikomanagement. Neben Maßnahmen zur Anpassung an die Klimaerwärmung und zur Vorbeugung von Katastrophen gehören dazu als zentraler Baustein auch Versicherungen gegen Klimarisiken, sogenannte Klimarisikoversicherungen.
Regional, national, international
Bei Klimarisikoversicherungen kann es sich sowohl um Lösungen auf Individualebene handeln, etwa Mikroversicherungen, als auch um regionale, staatliche oder internationale Sicherungssysteme. (Zum Unterschied zwischen staatlichen Sozialsystemen und privaten Versicherungen siehe Markus Loewe auf www.dandc.eu.) Die Auszahlungen erfolgen entweder:
- schadenbasiert, wobei die Auszahlung auf dem tatsächlich ermittelten Schaden beruht, oder
- indexbasiert, das heißt, der Auszahlung liegt ein Index zugrunde, der Wetterdaten mit erwartbaren Schäden verknüpft. Wird beispielsweise eine bestimmte Windstärke überschritten oder eine gewisse Anzahl von Tagen ohne Regen in einem definierten Zeitraum in einer Region, löst dies eine Auszahlung aus. Deren Höhe steht im Voraus fest.
Klimarisikoversicherungen haben in den vergangenen Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen. An positiven Beispielen mangelt es nicht (siehe Kasten). Dennoch stehen insbesondere in Ländern mit niedrigen Einkommen zahlreiche Gründe einer flächendeckenden Versorgung mit Versicherungen im Weg. Viele dieser Hemmnisse gelten generell, wenn es darum geht, in Märkten mit niedrigen Einkommen den Zugang zu Versicherungen zu verbessern (Reinhard 2019).
Viele Hürden
Eine zentrale Herausforderung ist das geringe Interesse von „klassischen“ Versicherern, untere Einkommensschichten zu erschließen – aus Kostengründen: Je geringer die Beiträge und Prämien sind, desto mehr fallen Transaktionskosten ins Gewicht. Auch fehlen häufig effiziente Vertriebswege und Systeme für das Kundenmanagement, vor allem auf dem Land. Oft ist die Versorgung mit Strom und Internet unzuverlässig oder nicht vorhanden. Das erschwert es Versicherern, nach Extremwettern die Schäden schnell zu bewerten und Schadenszahlungen zu leisten. Bei den oben erwähnten indexbasierten Versicherungen entfällt zwar der Aufwand für die Schadenanalyse und Geld kann schneller fließen, allerdings bildet der Index die Schäden häufig nur ungenau ab, sodass Betroffene im Ernstfall manchmal keine oder eine zu geringe Auszahlung erhalten können.
Zudem müssen Versicherer für gute Lösungen in Vorleistung gehen: Sie müssen detaillierte Marktforschung betreiben und ein tiefes Verständnis der Lebens- und Einkommensbedingungen der Menschen entwickeln. Zentrale Fragen sind: Wie werden die wichtigsten Risiken derzeit gemanagt? Wie lässt sich dies mit Versicherungen erfolgreich ergänzen? Nicht zuletzt müssen die Kunden verstehen, wie Versicherungen funktionieren. Das kann schwierig sein, vor allem wenn sie zum ersten Mal eine Versicherung abschließen.
Ein besseres Verständnis ist auch dort notwendig, wo sich Staaten gegen Klimarisiken versichern. Politische Entscheidungsträger müssen die Risiken und Versicherungen besser verstehen als bisher, damit sie geeignete Rahmenbedingungen für das Risikomanagement schaffen können. Hier kann die Versicherungsindustrie einen Beitrag leisten, etwa indem sie Modelle und Daten bereitstellt.
Weitere Hemmnisse sind fehlende Wetter- und Schadendaten – sowohl aktuell als auch historisch – und erschwerte Prognosen durch das Voranschreiten der Klimakrise. Beispielsweise wiederholen sich wetterbedingte Katastrophen in kürzeren Abständen.
All diese Herausforderungen machen Klimarisikoversicherungen sehr teuer. Subventionen sind häufig notwendig, sowohl für betroffene Staaten als auch für die unteren Einkommensschichten in diesen Ländern.
Digitalisierung kann helfen
Enormes Potenzial bietet allerdings die Digitalisierung, die sich durch die Pandemie noch beschleunigt hat. Insbesondere die rapide Verbreitung von Mobilfunk und mobilen Zahlungssystemen kann die Datenlage und den Informationsfluss verbessern sowie Kosten reduzieren. In diesem Bereich sollten Regulierungen angepasst werden, um Innovationen zu ermöglichen und Genehmigungsbarrieren abzubauen.
Angesichts der gravierenden Auswirkungen der Klimaerwärmung – laut Weltklimarat sind 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen vulnerabel – gilt es, die Absicherung von Klimarisiken durch Versicherungen zügig zu verbessern. Hierzu müssen Regierungen, der Versicherungssektor sowie internationale Organisationen und Initiativen verstärkt kooperieren. So kann die Versicherung von Klima- und Katastrophenrisiken zu einem wesentlichen Element von Strategien zur Anpassung an die Klimaerwärmung werden.
Quellen
Aon Weather, Climate & Catastrophe Insight 2018 Annual Report:
http://thoughtleadership.aon.com/Documents/20190122-ab-if-annual-weather-climate-report-2018.pdf
Reinhard, D., 2019: Making insurance work for emerging economies. South African Actuary, April 2019.
Renate Bleich ist Geschäftsführerin der Münchener Rück Stiftung.
rbleich@munichre-foundation.org
Dirk Reinhard ist Stellvertretender Geschäftsführer der Münchener Rück Stiftung.
Christian Barthelt ist Senior Projektmanager bei der Münchener Rück Stiftung.